Auf zum Vogelschießen!

Aus der Chemnitzer Schützentradition

Der Herbst ist die traditionelle Jahreszeit für Schützenfeste, ganz im Sinne der Worte von Friedrich Schiller: „Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen.“ Das sei Anlass, an ein bedeutsames Ereignis in der Geschichte des Chemnitzer Schützenwesens zu erinnern.

 

Am 7. Mai 1556 richtete Kurfürst August von Sachsen an den Rat der Stadt

Chemnitz folgenden Brief:

Lieben Getreuen! Euch ist bewu t, was f r ein ehrlich

Kurzweil und bung unsere getreuen St dte mit

Anrichtung und Haltung eines gemeinen Schie ens unter

einander angefangen und zum Teil gehalten. Weil dann

die Ordnung nunmehr fast an Euch sein w rde, so begehren

wir gn dig, Ihr wollet uns berichten, ob Ihr dazu gefasst

seid oder wie bald Ihr Euch allerdings hierzu geschickt

machen k nntet. Alsdann wollen wir Euch Zeit ernennen,

wenn wir desselben abwarten und eigner Person besuchen

m gen. Daran tut Ihr unseren gef lligen Willen und Meinung.

 

Der Rat verstand die Anforderung. Jetzt war Chemnitz an der Reihe, mit seinen Kräften und Mitteln ein großes Preisschießen für den Landesherrn auszurichten. Und es begannen auch sogleich die Vorbereitungen. Einen großen Anteil daran nahmen die 1444 gegründeten Chemnitzer Privilegierte Scheibenschützen-Gesellschaft und die seit 1489 bestehende Chemnitzer Bruchschützen-Gesellschaft. Sie begannen sofort mit einem intensiven Schießtraining und luden ihre auswärtigen Schützenbrüder ein, „neben Herren und guten Freunden herbeizukommen und in freudigem Gemüte die vorgenommene Kurzweil des Schießens vollenden zu helfen.“ Der Rat traf die Vorbereitungen für das leibliche Wohl der Schützen und Gäste und ihre Unterbringung, kleidete die Chemnitzer Schützen neu ein, sorgte sich um die Beschaffung der Preise und richtete den Schieß- und Festplatz auf dem Anger (heute Bereich des Theaterplatzes) her. Dazu gehörten die Errichtung eines Fürstenhauses, die Anlage von sechs Schießständen, die Aufstellung der Vogelstangen, die Einrichtung der Festküche und der zugehörigen Festtafel. Am 14. September 1556 hielt dann Kurfürst August durch das Johannistor (in Richtung Johanniskirche gelegen) seinen Einzug in die Stadt zur Teilnahme an dem Schützenfest. In seiner Begleitung befanden sich sieben Adlige und auch sein Hofnarr. Nach einer kurzen Stärkung begab er sich, von der städtischen Jugend begleitet, durch das Klostertor (etwa am Ende der Inneren Klosterstraße) und über die Äußere Klosterstraße (führte in Richtung des Klosters auf dem Schloßberg) zum Anger, der sich in einen wahren Volksfestplatz mit großem Getümmel verwandelt hatte. Dort waren bereits die Chemnitzer und über 100 Schützen aus 25 sächsischen Städten versammelt und so konnte denn unverzüglich mit dem Schießvergleich begonnen werden. Geschossen wurde mit Armbrust auf Scheiben. Auf allen Ständen erwies sich der Kurfürst als der beste Schütze. Der Preis: Ein vergoldeter Becher des Rates für den Landesherren. Und auch am nächsten Tag beim Wettkampf mit den Schützen von Chemnitz, Freiberg und Leipzig im Vogelschießen ging der Kurfürst als Sieger hervor und erhielt die von ihm selbst gestiftete Trophäe als Preis seiner Schießfertigkeit. Das Volksfest der Tausende ging einher mit Musik und Tanz, Umtrunk und Marktgetümmel, Wettstreit am Kletterbaum und einem Preiskegeln, bei dem als Preis ein Ochse, ein Ziegenbock und ein Hammel gestiftet waren. Übrigens kam der Kurfürst noch auf eine tolle Idee: Auch der Letzte beim Schießen hatte noch „Schwein“ und bekam für die Platzierung „eine Sau zugemessen“. Zu dem Landesschießen gehörten auch die traditionellen Festmahle, bei denen es an nichts fehlte.

aus VS Aktuell 3/2002, erschienen im  VS Aktuell 3/2002 Aus der Stadtgeschichte