Die Chemnitzer Arbeiterfotografen

In den Jahren der Weimarer Republik existierte ein breites Spektrum an Kulturorganisationen, denen gemeinsame

Interessen von Arbeitern zugrunde lagen. Das galt insbesondere für das „sächsische Manchester“.

Ein anschauliches Beispiel dafür waren von 1924 bis 1933 die Chemnitzer Arbeiterfotografen.

Es ist ein vergessenes Kapitel Geschichte unserer Stadt, an das deshalb einmal erinnert werden sollte.

 

Nach dem 1. Weltkrieg fand die Fotografie zunehmend wachsendes Interesse in breiten Kreisen der Bevölkerung. Die Entwicklung einfacher und leicht zu handhabender Fotoapparate förderte die Entstehung der Amateurfotografie. Das galt in einem gewissen Umfang natürlich auch für die Arbeiterschaft, obwohl hier oftmals Einkommen und Hobby-Kosten drastisch auseinandergingen. Dennoch fanden sich auch unter den Arbeitern Enthusiasten, die sich trotzdem die Kosten für die Amateurausrüstung schrittweise zusammensparten. Sie fanden zunächst Anschluss in den Fotosektionen der Arbeitersport- und Naturfreundebewegung oder wurden Mitglied in bürgerlichen Amateur-Fotografen-Vereinen, von denen damals in Chemnitz vier existierten. Einer Statistik aus dem Jahre 1926 zufolge bildeten die Arbeiter mit 28 Prozent die größte Gruppe unter den Fotoamateuren. Doch sichtlich wuchs bei den Arbeiterfotografen das Bedürfnis, sich eigenständig und spezialisiert zu organisieren. Der erste Versuch war die Gründung einer rein örtlich konzipierten „Arbeiter- Amateur-Photo-Vereinigung e.V.“ im Herbst 1924, die ihr Vereinslokal in der „Rudolfburg“, Rudolfstraße 30, hatte. Dabei ging es um den Austausch von Erfahrungen, den gemeinsamen kostengünstigen Einkauf von Fototechnik und -materialien sowie die Erfüllung von Aufträgen der Arbeiterpresse. Ihr war jedoch auf Dauer kein Erfolg beschieden und so löste sie sich bald wieder auf. Die zweckmäßigste Basis zur gemeinsamen Wahrname ihrer Interessen und ihrer Weiterbildung sahen die Chemnitzer Arbeiterfotografen dann im Zusammenschluss zu einer Ortsgruppe der 1926 gegründeten Vereinigung der Arbeiter-Fotografen Deutschlands e. V. (VdAFD). Ihre Gründung erfolgte am 1. September 1928 im „Volkshaus“. Für die gesamte Zeit ihres Wirkens galt der Grundsatz, „dass die gesamte Arbeit frei von jeder Parteipolitik sein muss. Jeder, der zu uns kommt, ist willkommen“. Unter ihrem Vereinsvorsitzenden Albert Weber, ab 1931 Willi Frommelt, und dem technischen Leiter Georg Gründert entfalteten sie recht bald ein reges Vereinsleben. Ihre meistenteils gut besuchten Zusammenkünfte - Übungs- und Arbeitsabende - fanden im Thalia-Haus, Sonnenstraße, statt. Die Chemnitzer Arbeiterfotografen sahen ihre grundsätzliche Aufgabe darin, ihre soziale Lage und den Kampf für ihre Verbesserung und Veränderung fotografisch zu dokumentieren. Sie waren aber auch die Chronisten des Arbeitersports und der Arbeiterkultur in ganzer Vielfalt. Und sie vergaßen aber trotz mancher Bitternis im Alltag nicht das Schöne, Mannigfaltige und Faszinierende in ihrer unmittelbaren Umwelt und in der Natur. Die Chemnitzer VdAFD-Gruppe widmete sich jedoch auch ganz intensiv der fachlichen Qualifizierung ihrer Mitglieder. Das galt für die Motivwahl ebenso wie für das Erlernen des Entwickelns der Filme und des Kopierens der Aufnahmen. Dazu organisierte sie mehrfach gut besuchte Lehrgänge für Anfänger und Fortgeschrittene, die auch Nichtmitgliedern offenstanden. Ab April 1930 besaß die Gruppe für ihr gemeinschaftliches Wirken eine eigene Dunkelkammer. Der Öffentlichkeit präsentierten sich die etwa 60 Chemnitzer Arbeiterfotografen auf zwei stark besuchten eigenständigen Fotoausstellungen im November 1929 im „Volkshaus“ und im April 1931 im „König-Albert-Museum“ sowie auf einer Leistungsschau der Interessengemeinschaft für Arbeiterkultur im August 1930 in Chemnitz. In einer zeitgenössischen Einschätzung hieß es: „Alle Bilder ... sprachen vom ernsthaften Bemühen des Arbeiters, seine Lebensauffassung und seine Gefühlswelt auf der fotografischen Platte festzuhalten ...“. Das bürgerliche „Chemnitzer Tageblatt“ attestierte teils „sehr ansprechende Leistungen“. Die Chemnitzer Arbeiterfotografen, die 1932 ihre Tätigkeitsbereiche auch auf die Herstellung und Vorführung eigener Dia-Serien sowie die Schaffung einer Filmgruppe ausweiteten, unterhielten ausgedehnte internationale Kontakte, die bis ins japanische Okajama reichten. Die Rolle und Bedeutung der Chemnitzer Gruppe der VdAFD wurde nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass hier am 16.August 1931 die Sachsenkonferenz der Arbeiterfotografen stattfand, in deren Ergebnis sich die Gruppen des Gebietes Chemnitz-Erzgebirge-Vogtland zu einem Dachverband zusammenschlossen und zu dessen Leiter den bisherigen Chemnitzer Vorsitzenden Albert Weber wählten. Nach der faschistischen Machtübernahme 1933 erfolgte die zwangsweise Auflösung, der Arbeiterkulturorganisation

aus VS Aktuell 4/2007, erschienen im  VS Aktuell 4/2007 Aus der Stadtgeschichte