875 Jahre Stadt Chemnitz

1. Teil: 1143-1400

Vorgeschichte

„Der Name der Stadt und des Flusses Chemnitz sowohl, als [auch] eine Anzahl von Ortsnamen aus der näheren Umgebung [...] wie Glösa, Gablenz, Euba u. s. w. weisen auf die Zeiten hin, in denen diese Gegenden noch von sorbischer Bevölkerung bewohnt waren. Dieser slawische Volksstamm der Sorben war nach der um das Jahr 530 n. Chr. durch die Franken und Sachsen erfolgten Zerstörung des alten Thüringerreiches allmählich von Osten her in die Gegend der mittleren und oberen Elbe vorgedrungen. Die Entvölkerung der westwärts davon gelegenen Landstriche durch die langen und blutigen Kämpfe zwischen Franken und Thüringern und die bald darauf ausbrechenden Kriege zwischen Franken und Sachsen, in denen man nicht Zeit fand, den im äußersten Osten gelegenen Grenzstrich des Reiches zu hüten, begünstigten die fortschreitende Ausbreitung der Sorben. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts waren damit die Sorben im Besitz des sich von der Elbe über die Mulde, Elster und Pleiße hinweg bis zur Saale erstreckenden Landes, und somit war auch die Chemnitzer Gegend der Besiedlung durch diesen slawischen Volksstamm erschlossen.“
C. W. Zöllner, 1886

Der Weg zur Stadtgründung

Die folgenden Jahrhunderte brachten viele Konflikte. Die ostwärts drängenden Franken lieferten sich viele Scharmützel mit den ansässigen Sorben. Unter der Regierung von Otto I. (936- 973) – Herzog von Sachsen und König des Ostfrankenreiches, der durch seinen Sieg über die Ungarn 955 die Christenheit rettete, zumal ihm noch im selben Jahr ein Sieg über die Slawen gelang – setzte eine kulturelle Blütezeit ein, die auch als Ottonische Renaissance bezeichnet wurde. Durch die Errichtung der Bistümer Zeitz, Merseburg und Meißen konnte die christliche Lehre auch hier feste Wurzel fassen. 

Lothar der III. von Supplinburg, welcher 1106 das Herzogtum Sachsen übernahm, 1125 König von Sachsen und ab 1133 Kaiser des römisch-deutschen Reiches wurde, stiftete 1136,  als er zum Pfingstfest in Merseburg weilte, ein Kloster. Pegauer Mönche vom Orden des heiligen Benedikt machten sich auf den Weg, überquerten die Mulde und rodeten oberhalb des Pleißbaches den schwarzen Wald (Miriquidi). Der Kaiser übertrug dem Markgrafen Konrad von Meißen die Vogtei des neuen Klosters und die weltliche Gerichtsbarkeit. Das Kloster selbst unterstand dem Heiligen Stuhl. Fränkische Bauern, die sich in Pegau aufhielten, wurden überzeugt, sich im Gebiet des Klosters auf dem Berge am Ufer des Pleißbaches anzusiedeln. 

1143 erteilt König Konrad der III. dem Kloster die Genehmigung, einen Fernhandelsmarkt abzuhalten. Dies war die Geburtsstunde der Stadt Chemnitz, welche aus dem kleinen Dorf am Fluss Chemnitz entstand. Den Einwohnern der neu gegründeten Stadt gewährte König Konrad die Zollfreiheit ihrer Waren für das ganze Reich. Das Marktprivileg erlaubte den Einwohnern die Abhaltung von Jahr- und Wochenmärkten. Der Jahrmarkt wurde unter den Schutz des Heiligen Jakobus gestellt. Wenn auch die Stadt- und Marktkirche St. Jakobi erst 1254 erstmals urkundlich erwähnt wurde, wurde auf dem zum Kloster gehörenden Gelände der Jahrmarkt abgehalten. Auf diesem Gelände befand sich auch der Friedhof der Jakobi-Kirchgemeinde. Wegen Platzmangels in der Stadt wurden die Märkte zwischen den Gräbern abgehalten. Bei Grabungen in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Fundamente einer romanischen Kirche gefunden. In den Jahren 1230-1250 erfuhr die romanische Saalkirche bedeutende Veränderungen, das Chorquadrat samt Apsis wurde beseitigt und ein hochgotischer Rechteckchor angefügt. Ein für 1333 bezeugter Stadtbrand gab den Anlass für einen völligen Neubau des Langhauses. Es entstand eine dreischiffige Hallenkirche mit einem Kreuzrippengewölbe, welches auf Achteckpfeilern ruhte. Interessant ist, dass man den romanischen Glockenturm in dem Zuge abriss und den bis dahin ungenutzten „Hohen Turm“ durch ein Glockengeschoss aufstockte. (Bis heute dient übrigens der „Hohe Turm“ der Jakobikirche als Glockenturm. Wer mehr über diese Kirche erfahren möchte, dem sei eine Führung empfohlen.)
Die weitere Entwicklung der Stadt bis 1400

In den Jahren um 1212 lieferten sich der Staufer Friedrich der II. mit dem welfischen Gegenkönig Otto IV. einen Krieg um die deutsche Krone.Der Böhmenkönig Ottokar I. schlug sich auf die Seite des Staufers, was zur Folge hatte, dass seine Truppen auf Chemnitz zu rückten. Die Stadt konnte sich behaupten, doch das Kloster wurde zerstört. Dies förderte die Selbstständigkeit der Chemnitzer Bürger. Erst auf Druck des Papstes Innozenz IV. wurde das Kloster wieder aufgebaut und erhielt seine alten Rechte zurück.

Aus den vielen Machtwechseln und kriegerischen Auseinandersetzungen zogen die Chemnitzer Stadtväter die richtigen Lehren. Um die kleine Stadt wurde eine Stadtmauer errichtet, welche 5,7 m hoch und 1,7 m dick war. Auf der Mauerkrone befand sich ein Wehrgang und vor der Mauer ein Wassergraben. Die Wehranlage besaß 25 Türme (der Rote Turm war einer davon) und vier Stadttore. Wenn die gegnerischen Truppen zu stark waren, kapitulierten die Verteidiger und verhinderten damit die Zerstörung der Stadt. Wenn sie eine Chance sahen, sich erfolgreich zu verteidigen, hielten sie dagegen. Meist zogen dann die feindlichen Truppen gegen das Kloster auf dem Berge.

Ein markantes Datum für die weitere Entwicklung der Stadt war der 2. Juni 1331. Der Abt gestattete der Stadt das Meilenrecht, innerhalb der im Gebiet der städtischen Bannmeile gelegenen Klosterdörfer durfte sich kein Brauer niederlassen. Es durfte somit nur Chemnitzer Bier ausgeschenkt werden.

Den Handwerkern außerhalb der Stadt war es untersagt, ihre Waren auf dem Markt zu verkaufen, was der Entstehung einer Gewerbetätigkeit außerhalb der Stadt im Wege stand. Um den Status der Chemnitzer Handwerker zu sichern, wurde der Zunftzwang eingeführt und das Stadtregiment beauftragt, die Aufrechterhaltung des Meilenrechts durchzusetzen.

Ein weiteres markantes Datum für Chemnitz war der 14. Dezember 1357, als Markgraf Friedrich III. von Meißen vier Bürgern das Privileg zur Errichtung einer Landesbleiche ausstellte, dem zufolge nur gebleichtes Leinen aus dem Umkreis von zehn Meilen verkauft werden durfte. Dies war die Weichenstellung für Chemnitz als Industriestadt. Zu Beginn wurde manufakturmäßig produziert, ab 1799 fabrikmäßig. 

Das Wort Privileg ist ja seit neueren Zeiten etwas negativ belegt. Chemnitz hatte mehrere davon. So erteilte ihr 1390 Markgraf Wilhelm die Genehmigung des alleinigen Salzhandels, dass „…niemand keinerlei Salz zu Chemnitz ewiglich verkaufen soll, sondern was an Salz dahin kommt, das sollen die Bürger selbst verkaufen“. Der Ertrag sollte laut Vertrag zur baulichen Erhaltung der Stadt dienen.

Am 10. März 1398 erteilte Markgraf Wilhelm von Rochlitz dem Kloster und zwei Chemnitzer Bürgern das Privilegium, eine Papiermühle am Fuße des Klosters zu errichten. Es war die zweite in Deutschland und die dritte in Europa. Das Wasserzeichen des Papiers war ein Ochsenkopf mit einem schlangenumwundenen Kreuz.

 

Ausblick

Das nächste Kapitel befasst sich mit dem „Sächsischen Bruderkrieg“ und der weiteren Entwicklung der Stadt von der Reformation bis zum Beginn der Industrialisierung.

 

 

Quellen

Curt Wilhelm Zöllner: Geschichte der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Verlag Bruno Troitzsch, Chemnitz, 1886, Harald Weber:  Aus der Geschichte von Chemnitz und Umgebung 1136-1871, Verlag für Sächsische Regionalgeschichte, Burgstädt, 2000 · Fotografien: Udo Mayer

aus VS Aktuell 4/2017, erschienen im  VS Aktuell   VS Aktuell 4/2017 Aus der Stadtgeschichte