875 Jahre Stadt Chemnitz – 2. Teil: 1400-1810

Geschichten vom ­ Kloster auf dem Berge

Das 1136 gegründete Benediktinerkloster ist die Wiege der Stadt Chemnitz. In einem kleinen Büchlein sind Geschichten vom Kloster auf dem Berge niedergeschrieben. 

Es gab Zeiten, in denen sich die Mönche bitterlich beim Abt über die schlechte Versorgung beschwerten. Der Heilige Benedikt hatte beim Aufstellen der Regeln verfügt, dass die Mönche nur eine Mahlzeit am Tag erhalten, größtenteils aus Wasser und Steckrübenschnitzel bestehend. Nur zu hohen Feiertagen gab es einmal ein Stück Käse oder ein gekochtes Ei. Wenn man nach dem Gebot „Beten und Arbeiten“ lebt, knurrt schnell der Magen. Deshalb besuchten die Mönche am Vormittag die Trinkstube neben der Klosterbrauerei, da bei der bescheidenen Kost Bier zum Grundnahrungsmittel gehörte. Das Klosterbier, schon im frühen Mittelalter für den Eigenbedarf gebraut, war ein dunkles, herb frisches und süffiges Bier.

Bier war auch bei den Chemnitzer Bürgern ein beliebtes Getränk. Deshalb ließ sich die Stadt 1334 von Markgraf Friedrich ein Privileg der Bierbannmeile erteilen, in der kein fremdes Bier gebraut und verkauft werden durfte. Im Jahr 1523 erhielten von 2.000 Chemnitzern 175 Bürger die Braugerechtigkeit zuerkannt. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte allerdings das Chemnitzer Bier keinen guten Ruf, so dass sich in den folgenden Jahrzehnten meist in den Vorstädten neue Brauereien gründeten. Soweit ein kleiner Exkurs in die Braugeschichte der Stadt.

Zurück zum Kloster. In den letzten zwei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts begann hier die große Bauzeit. Als erstes wurde ein großer Fischteich angelegt. Die Bauern aus der Umgebung mussten Gespanndienste leisten und die Erdmassen wegfahren. Die im Teich gezüchteten Karpfen landeten nicht einmal zur Fastenzeit in der Küche der Mönche, sondern wurden auf dem Markt verkauft. Die Äbte hatten einen großen Finanzbedarf. Aus diesem Grund fuhr der vorletzte Abt Heinrich von Schleinitz in das Heilige Land und kehrte mit einem schwer beladenen Reisewagen zurück. Ehrfurchtsvoll bestaunten die Mönche silberne Heiligenbilder, mit Edelsteinen besetzte Kleinodien sowie Goldschmiedearbeiten aus Damaskus und trauten sich nicht, diese zu berühren.

Aus den Annaberger und Schneeberger Silbergruben flossen bessere Erträge. Nun konnte der Abt seinen Plan verwirklichen und den Bau einer größeren Kirche beginnen. Im Jahr 1499 feierte das Kloster eine Doppelweihe: Der Chor der Klosterkirche wurde der Jungfrau Maria und eine Kapelle dem Täufer Johannes geweiht. Am östlichen Giebel war ein wunderbares Wabenmuster angebracht, welches Richard Möbius am Giebel seines Neuen Rathauses kopierte.

Als die Geldquellen nicht mehr so reichlich flossen, ließ der Abt eine Pause im Bau eintreten. Erst 1514 gingen die Meister und Gesellen wieder an die Arbeit. Der Abt wünschte sich eine große, helle dreischiffige Kirche mit einem Netzgewölbe und schlanken Säulen. Das einzige, was nicht in Erfüllung ging, war ein großer Kirchturm. Der wurde erst 1897 angebaut. Als Ersatz ließ Nachfolger Hilarius von Rehburg 1527 ein kleines Türmchen aufs Dach setzen. Eine große Zierde war das von Franz Maidburg erschaffene Astwerkportal, das 1973 aus der Wand gebrochen und im Inneren wieder aufgebaut wurde.

Sächsischer Bruderkrieg, Prinzenraub und Reformation

Im 15. Jahrhundert kam Friedrich IV., der Streitbare (1370-1428), an die Macht. Er war ein kluger und kampferprobter Mann, dem die Wettiner die Kurwürde und den Landnamen Sachsen verdanken. Friedrich und sein Bruder Wilhelm II. gründeten 1509 die Universität Leipzig. Seitdem hat Sachsen eine der ältesten Universitäten der Welt.

Als Friedrich der IV. 1428 starb war sein ältester Sohn und neuer Herrscher 15 Jahre alt: Friedrich II., der Sanftmütige (1412-1464). Dessen jüngster Bruder Wilhelm III. (1425-1482) war das Sorgenkind der Familie und forderte von seinem Bruder immer wieder Thüringen. 1445 wurde Kursachsen geteilt, Friedrich II. erhielt den Ostteil und Wilhelm III. den Westteil. Zum Frieden zwischen den Brüdern kam es jedoch erst 1451.

Die Unglücksfälle rissen nicht ab: Die Söhne von Friedrich II., 14 und 12 Jahre alt, wurden von Kunz von Kaufungen aus der schlecht bewachten Altenburg geraubt. Er wollte die Prinzen nach Böhmen bringen, doch sein Plan schlug fehl. Ein aufmerksamer Köhler in Elterlein vereitelte den Raub von Ernst und Albrecht. Kunz wird am 14. Juli 1455 auf dem Freiberger Markt enthauptet. Aus lauter Freude läuten im ganzen Erzgebirge die Glocken, in Ehrenfriedersdorf so laut, dass eine Glocke zersprang. Am 15. Juli fuhr Kurfürst Friedrich der Sanftmütige mit seiner Frau Margaretha nach Ebersdorf, um dem Stift Ebersdorf die Kleider der Prinzen und des Köhlers zu schenken.

Mit dem Tod des kinderlosen Wilhelm III. fiel Thüringen an die Hauptlinie der Wettiner. Ernst und Albrecht regierten einige Jahre gemeinsam in Dresden, bauten 1471 in Meißen eine Burg nach französischem Vorbild, doch mit den Gemeinsamkeiten ist 1485 Schluss und es kommt zur Leipziger Teilung, die bis heute wirkt. Der Ernestinische Teil ist im wesentlichen Thüringen und der Albertinische Teil das heutige Sachsen, wovon es 1815 durch den Wiener Vertrag die Hälfte verlor (heute Sachsen-Anhalt). Aus eigener Erfahrung wissen wir ja, dass es bei Teilungen immer  Verlierer gibt.

Die Kurwürde blieb bis 1547 bei den Nachfahren von Ernst, darunter Friedrich III., der Weise, der 1502 die Universität in Wittenberg gründete, Unterstützer Luthers war und diesen vor dem Vollzug der kaiserlichen Acht bewahrte. Der Reformator konnte seine Ideen verbreiten, mit dem Ergebnis, dass fast alle Klöster in Sachsen aufgelöst wurden.

In Chemnitz kam die Reformation 1539 an. Die Visitatoren aus Dresden schätzten den Wert des Klosters auf 94.000 Gulden und bestimmten, welche Kunstgegenstände nach Dresden gebracht werden sollten. Das Kostbarste des Klosters, die Geißelsäule von Hans Witten, war ursprünglich dabei, doch durch glückliche Umstände kam es nicht dazu und wir können das Kunstwerk hier in Chemnitz bestaunen. Die wertvolle Bibliothek wurde größtenteils nach Leipzig gebracht und befindet sich heute in der Deutschen Bücherei. 

Den Mönchen war freigestellt, in andere Klöster zu gehen oder zu studieren. Abt Hilarius von Rehburg zog es vor, seinen Glauben zu wechseln, zog in die Stadt, heiratete des Bürgermeisters Tochter und hatte mit ihr drei Kinder. Soweit kann man ja mitgehen, aber dass er aus dem Schatz des Klosters jährlich eine Rente von 400 Gulden bezog, kann man schon als grenzwertig bezeichnen.

Die Klostergebäude wurden sechs Jahre später zum Jagdschloss umgebaut, aber nur selten genutzt. (Ab 1928 wurden sie zum Museum).

Die nächsten 250 Jahre waren von vielen Kriegen und Leid geprägt.

 

Ausblick auf den 3. Teil: Die Industrialisierung
Mit Erteilung des Bleichprivilegs 1357 war die Ausrichtung zur Industriestadt früh eingeleitet. 1799 begann für Deutschland in ­Harthau die industrielle Revolution, die Gebrüder Bernhardt errichteten die erste fabrikmäßige Spinnerei, viele weitere Unternehmen werden sich in den nächsten Jahren gründen. Teil 3 befasst sich mit den Unternehmen Haubold, Hartmann, Schönherr und Esche und beschreibt die Zeit von 1810 bis 1930.

Quellen
Die schwarzen Mönche vom Chemnitzer Bergkloster, Pickenhahn & Sohn
Harald Weber: Aus der Geschichte von Chemnitz und Umgebung, Verlag f. sächsische Regionalgesch., 2000
Günter Neumann: Sächsische Geschichte in Daten, Koehler & Amelung, 1998
 

 

aus VS Aktuell 2/2018, erschienen im  VS Aktuell   VS Aktuell 2/2018 Aus der Stadtgeschichte