Immer mehr Ältere von Armut bedroht

Volkssolidarität fordert Kurswechsel in der Rentenpolitik

Die Zahl der von Armut bedrohten Senioren in Deutschland ist deutlich gestiegen. Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes an den Evangelischen Pressedienst ist die Zahl der armutsgefährdeten Rentner im Jahr 2018 auf 3,2 Millionen gestiegen, was einem Plus von knapp 220.000 Menschen verglichen mit dem Vorjahr entspricht.

Diese Mitteilung deckt sich mit den Angaben des aktuellen Armutsberichts des Paritätischen Gesamtverbandes. Laut diesem ist der Anteil der über 65-jährigen, die von Armut bedroht sind, in den vergangenen zehn Jahren mit 22,5 Prozent deutlich stärker angestiegen als in allen anderen Altersgruppen. Als armutsgefährdet gilt ein Haushalt, dessen gewichtetes Nettoeinkommen unterhalb von 60 Prozent des bundesweiten Medians liegt. Aktuell liegt die Armutsgefährdungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt je nach Datengrundlage bei rund 1.050 Euro/Monat.

Politisch forcierte Schwächung der gesetzlichen Rente

„Der Anstieg von Altersarmut hat zwei hauptsächliche Gründe“, kommentiert der Präsident der Volkssolidarität Dr. Wolfram Friedersdorff diese Zahlen. „Zum einen ist die zunehmende Spreizung der Erwerbseinkommen zu nennen. Trotz des prinzipiell erfreulichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit ist die Zahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor und in Teilzeit stark gestiegen. Da die Rentenhöhe von den eingezahlten Beiträgen abhängt, machen sich die niedrigen Jahresgehälter auch nach dem Erwerbsleben bemerkbar. Zum anderen hat der Gesetzgeber die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente zu Beginn des Jahrtausends bewusst abgeschwächt, um die Arbeitgeber zu entlasten. Dadurch hat sich die Kaufkraft der Renten verglichen mit der der Gehälter in den letzten 20 Jahren deutlich verringert. Die Beschäftigten wurden aufgefordert, die hierdurch entstandenen Lücken in ihrer Alterssicherung durch private Vorsorge zu ergänzen. Unabhängig davon, dass die Riester-Rente als zentrales privates Altersvorsorgeprodukt nach parteiübergreifendem Konsens gescheitert ist, tragen die Arbeitnehmer die Kosten für private Altersvorsorge fast vollständig alleine. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung wird hingegen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch geteilt.“

Die Bedeutung der Arbeitsmarktpolitik für die Alterssicherung wird unterschätzt

Für die Volkssolidarität kann es angesichts der dramatischen Entwicklung der Altersarmut kein „weiter so“ in der Rentenpolitik geben. Der Sozial- und Wohlfahrtsverband setzt sich dafür ein, dass die Änderungen der Rentenanpassungsformel, die zum Absinken des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt haben, rückgängig gemacht werden und die Lohnbezogenheit der jährlichen Rentenanpassung wiederhergestellt wird. Die von der Bundesregierung geplante Grundrente sieht die Volkssolidarität als einen wichtigen Schritt, um Menschen, die lange Zeit für wenig Geld viel geleistet haben, vor Altersarmut zu schützen. Dennoch muss durch Maßnahmen wie einer spürbaren Anhebung des Mindestlohns und der Stärkung der Tarifbindung auch arbeitsmarktpolitisch agiert werden, damit in Zukunft möglichst viele Menschen ihren Ruhestand ohne Existenzängste verbringen können.
Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Rente durch Umbau zur Erwerbstätigenversicherung sichern

Um die Rente für die Herausforderungen des demografischen Wandels besser zu wappnen, spricht sich die Volkssolidarität dafür aus, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung fortzuentwickeln. So ließe sich die im europäischen Vergleich enge Einnahmebasis durch den Einschluss weiterer Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise nicht versicherte Selbstständige und Beamte, solidarisch erweitern. Auch Erwerbstätige, die über keinen oder nur einen geringen Schutz für das Alter verfügen, sind miteinzubeziehen. Eine Erwerbstätigenversicherung muss über einen längeren Zeitraum realisiert werden, in dem für die genannten Gruppen Übergänge gesichert werden und erworbene Anwartschaften geschützt bleiben.

aus VS Aktuell 1/2020, erschienen im  VS Aktuell 1/2020 Aus dem Bundesverband