Die „Spaßmacherin“ des Hauses, wie sich Elke Thielemann selber scherzhaft nennt, begrüßt mich mit strahlenden, offenen Augen und beginnt sogleich, mir von ihrer abwechslungsreichen, spannenden aber auch manchmal traurigen Tätigkeit zu erzählen.
Seit mittlerweile 16 Jahren arbeitet die 48jährige als Physiotherapeutin im Seniorenpflegeheim „An der Mozartstraße“. Nach einigen Schulungen und einem Abschluss im Geronto-psychiatrischen Bereich baute sie sich selbstständig mehrere Gruppen auf, mit denen sie Gymnastik, Gedächtnistraining, Kochstunden und vieles mehr durchführt. Dabei ist es ihr anfangs nicht so leicht gefallen, denn man muss in diese Aufgaben hineinwachsen und das täglich Neue in den Arbeitsalltag einbauen.
Wöchentlich entwirft Elke Thielemann einen Veranstaltungsplan und hängt diesen im Haus auf, wo für jede ihrer Gruppen ein buntes Programm zur Auswahl steht. Neben den Gruppenbetreuungen, welche unter anderem eine „fitte“ Gruppe, aber auch eine mit hochgradig dementen Menschen umfasst, führt sie täglich Einzelbetreuungen durch.
Der Gang zu den Schwerstkranken fällt ihr nicht immer leicht, weiß sie doch, dass deren Leben bald zu Ende gehen kann. Doch das Gefühl gebraucht zu werden, für die Patienten da zu sein, ihnen zuzuhören und ihnen mit liebevollen Gesten beistehen zu können bestärkt die herzliche Frau täglich aufs Neue in ihrem Arbeitstag. Aus diesem Grund absolvierte sie im vergangenen Jahr eine Ausbildung zur Hospizbegleitung. Seit dem steht sie den Sterbenden bei ihrem letzten Weg zur Seite, spendet Trost, nimmt ihnen die Angst und vermittelt das Gefühl, dass immer an sie gedacht wird und sie nie in Vergessenheit geraten werden.
Besonders wichtig ist dabei die Arbeit mit den Angehörigen. Um einen Zugang zu den Patienten zu bekommen, ist es notwendig, dass so viel wie möglich mit der Biografie des Patienten gearbeitet wird. So schafft sie es, auf ihre „Schützlinge“ besser eingehen zu können, sie besser zu verstehen und ihnen das Leben so angenehm wie möglich gestalten zu können, denn jeder hat es verdient, geachtet zu werden und in Würde seinen Lebensabend verbringen zu können.
„Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, die Menschen, die meine Hilfe benötigen, auf ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten und diesen so schön wie möglich zu gestalten, und das macht mich jeden Tag aufs Neue glücklich.“
Neben den oft traurigen Momenten überwiegen dennoch die schönen, wenn bei einem der zahlreichen Ausflüge in die nähere Umgebung oder bei den regelmäßig stattfindenden Festen und Feiern die Augen der Alten strahlen und die Gesichter von einem Lächeln umspielt werden. Den Heimbewohnern etwas Gutes tun, ihnen Spaß und Freude bereiten sowie Angebote gegen die Langeweile anzubieten sind der gelernten Physiotherapeutin besonders wichtig und tragen entscheidend zum Wohlfühlen der Menschen bei.
Dann erzählt sie mir von den vielseitigen Veranstaltungen, die regelmäßig im Seniorenpflegeheim stattfinden. So sind besonders die „Kuschelstunden“ mit den Tieren sehr beliebt. Kleine Hasen, Meerschweinchen & Co lassen auch das Seniorenherz höher schlagen. Stets lässt sich Elke Thielemann neue interessante Dinge einfallen, so gehören auch Buchlesungen, Musiknachmittage sowie Koch- und Bastelstunden zum Alltag im Pflegeheim.
Heute steht das Gedächtnistraining auf dem Programm. Die 13 Seniorinnen warten schon ungeduldig in den hellen Räumlichkeiten und begrüßen uns herzlich. Frau Thielemann kennt jeden mit Namen und fragt nach dem Befinden der Anwesenden. Geht es jemanden mal nicht so gut, redet sie den Betroffenen gut zu und macht ihnen Mut. Die kleinen Streicheleinheiten und die herzlichen Gesten kommen bei allen gut an und vermitteln Vertrauen und Geborgenheit.
„Alles neu macht der Mai“ – mit diesen Worten beginnt die heutige Stunde. Nachdem Frau Thielemann viel Wissenswertes über den Mai erzählt hat, sind die Seniorinnen an der Reihe. Jede wird in das Gespräch mit einbezogen und nach ihren Empfindungen und Erlebnissen gefragt. Bei der Frage, was sie in ihrer Kindheit an Pfingsten oder Himmelfahrt gemacht haben, kommen einige von ihnen ins Schwärmen und erzählen von schönen Wanderungen mit der ganzen Familie, schönen neuen Kleidern und gemeinsamen Ausflügen in die Natur. Als nun Elke Thielemann die bekannten Volkslieder „Komm lieber Mai und mache“ und „Alle Vögel sind schon da“ vorspielt, gibt es für einige kein Halten mehr. Da wird laut mitgesungen, fröhlich gesummt oder einfach nur den bekannten Melodien gelauscht. Nachdem noch eine zum Thema passende Geschichte vorgelesen wurde, die Erinnerungen bei den Seniorinnen hervorrief, wurden einige bunte Frühlings- und Tierbilder gezeigt, die allen ein Lächeln ins Gesicht zauberten. Denn nur zu gut erinnerten sich einige von ihnen, diese Tiere und Pflanzen früher selbst oft gesehen zu haben. Bei den Bauernregeln können dann fast alle wieder mitreden, einige strotzen vor Euphorie und können viele dieser amüsanten Sprichwörter noch auswendig. Mit viel Geschick, Einfühlungsvermögen und ohne Druck trainiert Elke Thielemann das Gedächtnis der Seniorinnen und hilft ihnen so, ihre Vergangenheit immer wieder in die Gegenwart zurückzuholen.