Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig bot uns an, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Dieses Angebot richtete sie speziell an die neuen Stadträte der Fraktionen. Sie wollte sich darüber informieren, wie sich für diese die Tätigkeit nach einer gewissen Einarbeitungszeit gestaltet.
Eigentlich hätte Frau Ludwig uns „außen vor“ lassen können, denn uns wurde ja bereits in der ersten Stadtratssitzung der Fraktionsstatus durch einen Beschluss zur Änderung der Geschäftsordnung durch die Mehrheit der meisten anderen Stadträte genommen. Mit dem verlorenen Fraktionsstatus verloren wir gleichzeitig auch das Recht, an den Oberbürgermeisterberatungen teilzunehmen, da diese nur den Bürgermeisterin und den Fraktionsvorsitzenden vorbehalten sind. In diesen Besprechungen, die jeweils ein paar Tage vor der aktuellen Stadtratsitzung stattfindet, werden wichtige Informationen ausgetauscht. Obwohl die Wählervereinigung Volkssolidarität Chemnitz keine Fraktion im Sinne der Geschäftsordnung des Stadtrates mehr bildet, wurde sie dennoch von der Oberbürgermeisterin dazu eingeladen. Ein solches Angebot hätte Barbara Ludwig uns nicht unterbreiten müssen. Ebenso gehört die Gesprächsrunde für die neuen Stadträten nicht zu ihren Pflichten.
Zum Gesprächstermin am 26. April 2010 in unserem Rathauszimmer sind seitens der Wählervereinigung die Stadträtin Steffi Barthold, Ortschaftsrat Andreas Felber und meine Person anwesend gewesen. Wir erläuterten der Oberbürgermeisterin unsere Eindrücke von der Stadtratsarbeit und gingen dabei besonders auf die Probleme unserer fraktionsenteigneten Wählervereinigung ein.
Das größte Problem ist die mit dem Fraktionsverlust einhergehende finanzielle Mittellosigkeit der Wählervereinigung. Dadurch kann kein angestellter Mitarbeiter den beiden Stadträten Unterstützung bei ihrer – ehrenamtlichen – Arbeit leisten und als wichtige Verbindungsperson zu den Fraktionen und ihren Mitarbeitern, die täglich im Rathaus vor Ort sind, dienen. Gibt es etwas dringend zu besprechen, ist kein Vertreter der Volkssolidarität vor Ort. Die Presse sucht für jedes Thema gewöhnlich nur einmal die Fraktionszimmer auf. So ist es nicht verwunderlich, dass wenig über die Arbeit der Wählervereinigung in der Öffentlichkeit erscheint. Abgesehen davon, dass man uns weit abseits von den anderen Fraktionen im „erkämpften“ eigenen Rathauszimmer sehr schwer findet.
Dass es für uns schlimm ist, dass wir keine Fraktionsreden halten dürfen, erläuterte ich der Oberbürgermeisterin auch. Der Chemnitzer Bürger wird so etwas sicherlich gar nicht wissen! Es gibt immer etwas Wichtiges und Aktuelles, was man den anderen Stadträten, der Presse und den Besuchern der Stadtratssitzung mitteilen möchte. Zu jeder Ratssitzung hat jede Fraktion das Recht dazu. Auch der rechte „Flügel“ darf dieses Rederecht nutzen und nimmt davon rege Gebrauch. Uns wurde es aber genommen! Aus unserer Sicht ist dies ein unhaltbarer Zustand für die „Demokratie“ im Chemnitzer Stadtrat. Durch den Beschluss zur Änderung der Geschäftsordnung, der den Verlust des Fraktionsstatus für die Wählervereinigung bedeutete, sind wir zu Stadträten „zweiter Klasse“ gemacht worden. Die Oberbürgermeisterin, die darauf keinen Einfluss hatte, hörte sich unsere Erläuterungen geduldig an, fand Worte der Ermutigung und sagte uns bei einigen Problemen ihre Unterstützung zu.
Ein weiteres Thema ist unsere Sorge um die soziale Zukunft von Chemnitz gewesen. Der Staat zerstört durch seine aktuelle Sparpolitik unter anderem auch wesentliche Bestandsgrundlagen für die freien Wohlfahrtsverbände. Wir sprachen mit Barbara Ludwig darüber, was danach kommen werde. Konkret: „Wie sollen die freien Träger weiter existieren können, wenn der Staat künftig seine Unterstützungen für diese drastisch reduziert? Wie sollen Begegnungseinrichtungen erhalten bleiben, wenn keine staatlichen Förderungen mehr erfolgen?“ Die Oberbürgermeisterin zeigte sich hier ebenfalls ratlos.