Der dritte Juli-Sonnabend ist einer der seltenen prallen Sonnentage im Erntemonat. Zum großen Gartenfest hat die Begegnungsstätte in der Zschopauer Straße 169 eingeladen. Am Ausgang zur Gartenterasse staut sich der Gästestrom. Viele wollen beim fröhlichen Zusammensein die Andersberger Musikanten aus Thalheim und den lustigen Alleinunterhalter Giovanni aus Chemnitz erleben. Aber erst müssen sie am Tisch von Ulla Zeißig, Leiterin der Wohngruppe 025, vorbei. Alle kennen sie und sie kennt alle, die vom Betreuten Wohnen im Hause und die von außerhalb kommen. Die große, schlanke Frau begrüßt jede und jeden herzlich, gibt Eintrittsmarken aus oder kassiert und bietet Rubbellose der Solidaritätslotterie an. Einige haben sich ein Freilos errubbelt. „Ich möchte endlich mal jemand haben, der richtig etwas gewinnt“, ruft die Losverkäuferin scheinbar verzweifelt.
Kurz nach 14.00 Uhr sind fast alle Plätze im Garten besetzt. An die 70 bis 80 Leute, vorwiegend Frauen, haben sie eingenommen. Es wird ein unterhaltsamer Nachmittag mit Kaffee und Kuchen, buntem Schlagermix, lustiger Jonglerie und sogar Schlangenbändigung.
Für die Wohngruppenleiterin hat alles schon am Morgen begonnen. Zusammen mit den Beschäftigten der Begegnungsstätte hat sie die Veranstaltung vorbereitet. Ebenso ist sie beim Aufräumen am Abend wieder dabei. Bereits eine feste Gewohnheit ist es, dass sie um die Mittagszeit mit für den reibungslosen Ablauf der Mahlzeit sorgt, auch an dem Sonnabend. Behinderte Essenteilnehmer wie Frieda Wyrwal, Werner Jahn und andere bringt sie sicher in den Speisesaal und dann wieder zurück in ihre Wohnung. Mitunter schafft sie dem einen oder anderen die Speisen auch in seine vier Wände.
Helfen, Betreuen, Umsorgen sind in der Tat Synonyme für Ulla Zeißig, die seit 33 Jahren der Volkssolidarität angehört und schon zwei Jahrzehnte ihre Wohngruppe leitet. An vier Tagen der Woche wirkt sie unentgeltlich in Begegnungsstätte und Betreutem Wohnen. Sie verrichtet dort fast alle anfallenden Arbeiten, bis hin zum Aufwaschen. Die meisten der rund 70 Hausbewohner gehören zu ihrer Wohngruppe. Zu individuell beratenden Gesprächen nimmt sie sich Zeit. Für den einen oder anderen geht sie schon einmal etwas einkaufen oder ein Rezept in der Apotheke einlösen. Es sind viele solche kleinen Dinge, die das Leben alter Menschen erträglicher oder sogar angenehmer machen. Wenn es notwendig wurde, hat sie gemeinsam mit dem Leiter der Begegnungsstätte, Jürgen Theumer, manchen Hausbewohner in einem Pflegeheim untergebracht.
Zu den Selbstverständlichkeiten gehört, dass sich beide Leiter über den jährlichen Veranstaltungsplan abstimmen, ist doch die Begegnungsstätte der zentrale Treffpunkt für die Wohngruppe 025, deren 190 Mitglieder mehrheitlich im Lutherviertel leben. Hier findet der „Geburtstag des Monats“ statt, wofür Ulla die Einladungen ausgibt und die kulturelle Umrahmung organisiert. Zur Beratung mit ihren zehn Volkshelfern und der Hauptkassiererin trifft sie sich ebenfalls alle Vierteljahre an diesem Ort. Sowohl mit den Beschäftigten der Begegnungsstätte als auch mit den Helfern pflegt Ulla Zeißig ein gutes, kameradschaftliches Verhältnis. Die Hauptkassiererin Anita Klose aber auch die Helferin Lieselotte Söllner und andere loben ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Gern erinnern sie sich an den diesjährigen Ausflug zur Talsperre Malter. Die Leiterin organisiert das „Dankeschön“ für die Helfer stets als Überraschungsfahrt, wobei das Ziel erst am Ausflugstag bekannt gegeben wird.
Ihre charakteristische Eigenschaft, den Drang anderen Menschen zu helfen, hat Ulla Zeißig von der Mutter Erna angenommen. Die gelernte Sekretärin musste sich mit den während der Kriegsjahre geborenen Kindern Ulla und Gert im osterzgebirgischen Hennersdorf und später in Frankenberg allein durchschlagen. Ihr Mann Herbert war noch in den letzten Kriegswochen gefallen. Trotzdem fand sie Zeit und Kraft, ausgebombten Dresdnern und Kriegsflüchtlingen aus Ungarn, die es 1945 in ihr Dorf verschlagen hatte, zu helfen, sie bei Bauern unterzubringen. Bei den Landwirten hat sie dann auch Spenden für Kinderfeste gesammelt. Schon zeitig hat sich Erna Zeißig für die Volkssolidarität sowie für den DFD in Hennersdorf und in Frankenberg engagiert und ihre Tochter mit einbezogen. Die kassierte dann schon mal einzelne Mitglieder, wenn die Mutter verhindert war.
Wenn es vorkommt, dass Ulla Zeißig, die Diplomlandwirtin ist und bei der Landtechnik gearbeitet hat, einmal nicht für die Volkssolidarität wirkt, dann betreut sie bestimmt ihre vierjährigen Enkel-Zwillinge Richard und Karl-Anton in Dresden. So oft sie kann hilft sie damit ihrer Tochter Anke und deren Mann Olaf.