Seit langem schon macht die Deutsche Bahn AG durch Abreißen, zeitweilige Totalsperrungen, Umleitungen, Schienenersatzverkehr und gänzlichen Zugausfällen nicht zum Wohlwollen auf sich aufmerksam. Deshalb wollen wir uns dieses Mal der Chemnitzer Eisenbahngeschichte zuwenden. Dazu gibt noch eine Tatsache der letzten Zeit ganz besonderen Anlass. Beim nationalen Vergleich der 80 größten deutschen Städte bezüglich der Bahnanbindung im November 2011 landete Chemnitz auf Platz 78 (!).
Der Beginn für unseren Raum erfolgte am 14. November 1835. An diesem Tag wurde in Chemnitz die Erzgebirgische Eisenbahngesellschaft mit Friedrich Georg Wieck und Jacob Bernhard Eisenstuck an der Spitze gegründet. Die von Fabrikanten und Kaufleuten initiierte und getragene Gesellschaft setzte sich den Bau einer Eisenbahnlinie zum Ziel, die Chemnitz und das Erzgebirge mit der ersten deutschen Fernstrecke Leipzig-Dresden verband. Das Anliegen wurde besonders von dem damaligen Bürgermeister Christian Friedrich Wehner unterstützt.
Am 26. November 1835 stimmte die sächsische Regierung dem Vorhaben zu. Doch erst am 7. Mai 1845 begannen die Bauarbeiten an den Ausgangspunkten der geplanten Strecke zugleich. Am 1. Januar 1851 übernahm der Staat den Eisenbahnbau und führte ihn unter der Leitung der Direktion der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn zum Abschluß. Der von 8.790 Arbeitern ausgeführte Bau der 66 km langen Strecke erfolgte mit einem Kostenaufwand von sieben Millionen Taler.
Unter Geschützdonner und Glockengeläut fuhr am 1. September 1872 in Anwesenheit des sächsischen Königs von tausenden Chemnitzern begeistert begrüßt, der erste 16 Personenwaggons umfassende Zug, gezogen von den Schlepptenderloks „Riesa“ und „Chemnitz“ auf dem Bahnhof an der Dresdner Straße ein. Die Bahnlinie endete damals an einer 80 m langen Kopfstation inmitten städtischer Wiesen etwa auf Höhe der Einmündung der heutigen Peterstraße. Der seinerzeitige Bahnhof war ein Güterschuppen, der zugleich der Personenabfertigung diente. 1854 wurde das Provisorium durch ein reguläres „Administrationsgebäude“ mit parkähnlichem Vorplatz ersetzt, dem Vorläufer des heutigen Hauptbahnhofs, dessen Errichtung 1872 zum Abschluss kam.
Die stetig voran schreitende Industrialisierung erforderte einen raschen Ausbau des Verkehrsnetzes. So wurden von 1858 bis 1903 acht neue Bahnstrecken in Betrieb genommen, die in Chemnitz ihren Ausgang nahmen.
Bedeutende Chemnitzer Unternehmen erhielten Gleisanschluss. Zur Abwicklung des umfangreichen Güterverkehrs entstanden 1880 der Kohlen- und Güterbahnhof KappeI, 1896 der Verschiebe- und Umladebahnhof Hilbersdorf und kurz danach die Umladestelle Beyerstraße in Altendorf.
Nachdem 1904 die Postanlage auf dem Hauptbahnhof entstanden war, nahm man in den Jahren 1906 bis 1910 weitere bedeutende Umgestaltungen vor. So entstand die 174 m lange, 150 m breite und 14 m hohe verglaste Bahnsteighalle, die insgesamt 20 Gleise überspannte. Mit der Inbetriebnahme und dem Ausbau des Eisenbahnsystems ergab sich auch das zwingende Erfordernis nach Wartung, Instandhaltung und Reparatur des rollenden Materials. So entstand denn 1906 das Bahnbetriebswerk und Mitte der 1850er Jahre der Werkstättenbahnhof, aus dem das Reichsbahnausbesserungswerk hervorging.
Die Eisenbahn erbrachte in der Folge bedeutende Leistungen. So wurden an der Wende vom 19./20. Jahrhundert täglich etwa je 100 Personen- und Güterzüge abgefertigt. 1910 z. B. betrug der Güterumschlag 2,5 Millionen Tonnen.
Doch im Gefolge der Kriege erfuhr die Entwicklung eine beträchtliche Einschränkung. So musste Deutschland auf Grund des Versailler Vertrages 5.180 Lokomotiven und 150.000 Waggons an die ehemaligen Kriegsgegner abliefern. In der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges kam es u. a. zu erheblichen Schäden auf dem Hauptbahnhof. Der frühere Stadtarchivdirektor Dr. Rudolph Strauß berichtet darüber: „Ende Februar 1945 durchschlug ein abgeschossenes Flugzeug das Empfangsgebäude vom Dach bis zum Keller. Am 5. März 1945 brannten die Wartesäle, die Post, Dienst- und Geschäftsräume.“ Nach 1945 bildeten die Demontagen des zweites Gleises und anderer Bahnbetriebsanlagen einen herben Schlag.
Nach der äußerst komplizierten, anstrengenden und aufwändigen Beseitigung der Kriegsschäden erfolgte vom Beginn der 1960er Jahre an eine umfassende Rekonstruktion der Verkehrsanlagen. Am 29. Mai 1965 erreichte die Elektrifizierung die Stadt Chemnitz und am 8. Dezember 1991 wurde der durchgehende elektrische Zugbetrieb auf der Strecke Chemnitz-Berlin realisiert.
In der Gegenwart stehen noch als Schwerpunkte: Der Umbau des Hauptbahnhofs zu einem modernen Verkehrsknoten, die weitere Realisierung der Verknüpfung des Nah- und Fernverkehrs durch das „Chemnitzer Modell“ und letztlich die Auflösung der „unendlichen Geschichte“ am Dresdner Platz.