Mitgliedergeburtstag bei der Wohngruppe 010. Gut ein Dutzend Frauen und Männer haben sich am letzten April-Freitag nachmittags im Bürgerhaus, Müllerstraße 12, zu Kaffee und Kuchen versammelt. Die Tafel im großen Klubraum ist mit Blumen geschmückt. Eine Ausstellung des zum Hause gehörenden Malzirkels unterstreicht die angenehme Atmosphäre. Von den Wänden leuchten farbige Chemnitzer Stadtansichten.
Die Leiterin der Wohngruppe, Hannelore Goretzky, begrüßt die Jubilare und fordert alle auf, sich an den Leckereien zu bedienen. Eingangs nutzt sie die Gelegenheit, um über den Stadtverband zu informieren. Mit insgesamt 70 Gruppen und nahezu 6.000 Mitgliedern lebe die Volkssolidarität noch in allen Chemnitzer Wohngebieten. Die Listensammlung des Vereins habe im vorigen Jahr mehr als 20.000 Euro eingebracht. Das Geld wurde für eine Kindereinrichtung sowie für die Chemnitzer LichtNacht verwandt. So soll es auch in diesem Jahr sein.
Ruhig führt Hannelore das Gespräch und beantwortet auch gleich Fragen. Dann lenkt sie die Unterhaltung auf diesjährige Vorhaben der Wohngruppe, die vor zwei Wochen in der Leitung beraten wurden. Allgemeine Zustimmung findet unter anderem eine für August geplante Fahrt ins Tal der Schwarzen Pockau oder der herbstliche Besuch bei einer Marionettenbühne in Gelenau. Die Veranstaltung „Buntes Herbstlaub“ wird erwähnt, und noch ein Gedanke gilt der Weihnachtsfeier Anfang Dezember mit der Künstlerin Heidi Kirchhübel.
Im weiteren Verlauf der Geburtstagsfeier beweisen die Leiterin und die Hauptkassiererin Karin Scholz, dass sie ein eingespieltes Team sind. Sie wechseln sich ab im Vortrag lustiger und besinnlicher kleiner Geschichten und Gedichte. Stimmungsvoll geht das Treffen zu Ende.
Zu den Teilnehmern gehörten auch Ursula und Walter Thoma, eigentlich Doppeljubilare. Walter war erst kürzlich 90 Jahre alt geworden. Seine Frau vollendete inzwischen das 81. Lebensjahr. Aber eine reichliche Woche vor der Begegnung im Bürgerhaus konnten ihnen Hannelore, Karin und Eva Unger vom Stadtvorstand zur Diamantenen Hochzeit gratulieren. „Sechs lange Jahrzehnte voll der Liebe. Wir wünschen Euch beiden, dass es immer so bliebe“, heißt es in einem Gedicht, dass die Leiterin vortrug.
„Einfühlsam geht Hannelore mit unseren Mitgliedern um“, sagt Karin Scholz. Vor acht Jahren hat sie sich von ihr für die Funktion der Hauptkassiererin gewinnen lassen. Seither ergänzen sie sich gut, was Inhalte von Veranstaltungen und Organisatorisches angeht. Auf die Frage, warum sie ihre Funktion ausübt, erwähnt die Leiterin, dass Mitte der 90er Jahre im Norden der Stadt zwei Gruppen ohne Vorstand waren. Um diese zu erhalten, wurden sie 1997 zusammengelegt. Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle fragten Hannelore, ob sie die Leitung übernehmen wolle. Sie sagte zu. Schließlich gehört sie der Volkssolidarität bereits über 30 Jahre an und hatte auch vorher in der FDJ und im DFD schon immer etwas mit Menschen unternommen. Ihre erste Hauptkassiererin war Elli Weise, die heute in der Gruppe noch als Volkshelferin aktiv ist.
„Es macht mir auch Spaß, etwas für ältere Menschen zu tun“, sagt Hannelore nachdenklich. „Zu allen habe ich persönlichen Kontakt, weiß, wie jeder beschaffen ist, und habe Verständnis für ihre Probleme.“ Bei einem Altersdurchschnitt der Wohngruppe von 81 Jahren sei das besonders wichtig. Sich für andere einzusetzen, habe sie schon von ihren Eltern anerzogen bekommen. Die hätten ihr das vorgelebt, so der Vater beim Aufbau landwirtschaftlicher Betriebe oder die Mutter in Konsum, Kinderkrippe und Kindergarten. Nach der politischen Wende arbeitete Hannelore noch bis 2002 bei der Post in Chemnitz und setzte sich auch dort als Betriebsratsmitglied für die Kollegen ein. Das Engagement für die Mitmenschen hat sie gemeinsam mit Ehemann Peter auch den Söhnen Sven (34) und Martin (31) beigebracht. Das gibt sie ebenso ihrer kranken Mutter Else zurück, die geistig noch fit ist und in einer eigenen Wohnung unweit von Hannelore in der Nordstraße lebt. Täglich ist sie vormittags und abends bei ihr, um sie zu betreuen. Entspannung findet die gelernte Gärtnerin dann hin und wieder in ihrem Hilbersdorfer Schrebergarten oder beim monatlichen Bowling mit anderen Mitgliedern der Wohngruppe im Stadtbad-Keller. Ihre Devise: „Ich muss mich doch körperlich fit halten.“