Schon als junges Mädchen wusste Jeannette Neuendorff, dass sie später einmal mit Menschen arbeiten wollen würde. Gesucht habe sie nach einem zukunftssicheren, abwechslungsreichen und vor allem anspruchsvollen Job mit Weiterbildungsmöglichkeiten. Eine Ausbildung zur Krankenschwester sollte es sein. Da erfuhr die junge Frau, dass sie schwanger ist. Der Traumjob rückte in weite Ferne und eine kaufmännische Lehre folgte. 1997 schloss die heute 35-Jährige eine Ausbildung als Altenpflegerin an. Einige Jahre war sie in einem Pflegeheim in Freiberg tätig, wo sie auch ihre Qualifikation zur Pflegedienstleitung absolvierte. Nach einiger Zeit als Wohnbereichsleiterin und stellvertretende Pflegedienstleiterin war es an der Zeit für eine Veränderung. Als 2001 die Volkssolidarität Chemnitz in einer Tageszeitung nach einer Pflegedienstleitung für das Seniorenpflegeheim „An der Mozartstraße“ suchte, bewarb sie sich und trat im November die Stelle an. Seit über elf Jahren übt sie diese Tätigkeit nun schon aus.
Das Aufgabengebiet der Pflegedienstleitung sei sehr vielfältig. Neben der Koordination der Pflege gehören auch Mitarbeiterführung, das Erstellen von Dienstplänen, Pflegevisiten sowie die Analyse der Dokumentationen, die Überprüfung der Pflegestandards und die Angehörigenarbeit zu ihren Aufgaben. Das eigenständige Arbeiten, dem Mitarbeiter zur Seite stehen zu können und das gute Miteinander im gesamten Team der Einrichtung seien Dinge, die ihr an ihrer Arbeit besonders gut gefallen.
Dabei ist ihr Arbeitstag sehr abwechslungsreich. Am Morgen geht sie durch die einzelnen Wohnbereiche, sucht das Gespräch mit den Mitarbeitern und schaut, was am Abend zuvor geschehen ist. „Fast jeden Tag erwartet mich eine andere Überraschung. Das beginnt bei Krankschreibungen von Mitarbeitern und geht bis zu Krankenhauseinweisungen und verstorbenen Bewohnern. Dann muss es schnell gehen. Alle Dokumentationen und Protokolle müssen überprüft werden und für kranke Mitarbeiter ein Ersatz gefunden werden“, erzählt Jeannette Neuendorff. Im Anschluss kann der Tag koordiniert und geplant werden. „Ich denke, dass Organisation in meinem Beruf das Entscheidende ist. Termine und andere wichtige Aufgaben versuche ich in die Morgenstunden zu legen, ein bis zwei Stunden halte ich mir für außerplanmäßige Aufgaben frei. Natürlich gibt es auch Tage, wo etwas Unvorhergesehenes eintritt. Dann muss man flexibel sein“, beschreibt die Pflegedienstleiterin ihren Tag.
Wöchentlich findet ein Treffen mit den Wohnbereichsleitungen und der Heimleitung statt. Probleme werten erörtert, Hinweise gegeben, Organisatorisches geklärt und Termine für Veranstaltungen, Hausärzte, Sanitätshäuser usw. besprochen. Einmal im Monat trifft sich zudem das Team jedes Wohnbereiches mit der Pflegedienstleiterin.
Auftretende Probleme, wie fehlende Wäscheteile, zwischenmenschliche Differenzen oder ein schlechter Allgemeinzustand des Bewohners, werden im Beschwerdeprotokoll aufgenommen und es wird versucht, diese sofort zu klären. Das Gespräch mit dem Bewohner und den Angehörigen wird gesucht, im Bedarfsfall auch mit dem Hausarzt. In den meisten Fällen lassen sich die Angelegenheiten schnell beheben.
Auch wenn ein Einzelzimmer gewünscht wird, versucht Jeannette Neuendorff zu helfen. „Der Bewohner wird auf eine sogenannte interne Warteliste gesetzt. Wird ein Zimmer frei, werden sofort die Angehörigen informiert und dem Umzug steht nichts im Wege“, erzählt sie.
Gespräche seien das Wichtigste bei auftretenden Problemen. Oftmals könne mit ein paar Worten alles geklärt werden. Es sei einfach wichtig, dass der Kontakt mit den Bewohnern, Angehörigen, dem Pflegepersonal und der Heimleitung stimmen. So kommt Jeannette Neuendorff regelmäßig mit den Bewohnern ins Gespräch und fragt nach ihrem Befinden, nach Wünschen und Problemen. Der persönliche Kontakt sei ihr sehr wichtig. „Ich freue mich, wenn unsere Bewohner mir Rückmeldung geben, sich bei uns geborgen fühlen, und uns mit einem Lächeln danken.“
Es gäbe Situationen, bei denen sie wisse, dass die Entscheidung für einen Pflegeberuf richtig war. Da ist zum Beispiel Heidemarie Fischer. Vor zwei Jahren kam die heute 72-Jährige mit einem kritischen Gesundheitszustand in die Einrichtung. Heute sprüht die Frau vor Lebensfreude, hat neuen Lebensmut gefasst, ist nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen und hilft anderen Bewohnern, denen es nicht so gut geht. Diese Momente, wenn die Bewohner des Seniorenpflegeheimes wieder aufblühen und hier ihr neues Zuhause gefunden haben, würden den Beruf zu etwas Besonderen machen. Gut erinnern kann sich Jeannette Neuendorff auch noch an eine weitere Bewohnerin. Die Frau sträubte sich vehement gegen den Einzug in das Pflegeheim, ihre Angehörige waren verzweifelt. Ein Hausbesuch wurde vorgeschlagen, um sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen zu können. Im Gespräch erfuhr die Pflegedienstleiterin, dass die alte Dame für ihr Leben gern Butterbrötchen mit Kakao isst. „Wir versprachen der Frau, dass wir ihre Leibspeise beim Einzug bereithalten werden. Das überzeugte“, erzählt sie. Am Tag des Umzuges standen die Mitarbeiter mit einem Tablett am Eingang parat. Mit Tränen in den Augen sagte die alte Frau, dass es die richtige Entscheidung gewesen sei, in die Einrichtung zu ziehen.
Natürlich gäbe es auch traurige Momente. Wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner stirbt, ist das für alle Mitarbeiter nicht immer leicht. An ihren ersten Todesfall kann sich Jeannette Neuendorf noch genau erinnern, „da lief es mir eiskalt über den Rücken.“ Doch inzwischen gehört der Tod für sie zum Leben dazu. Es muss nur immer würdevoll geschehen – für den Bewohner und für die Angehörigen. Genügend Abstand sei dabei immer wichtig. Zum Ausgleich ist sie oft mit ihren beiden Kindern in der Natur unterwegs, fährt leidenschaftlich Snowboard und Motorrad.
Jeannette Neuendorff liebt ihren Beruf. Die derzeitige Pflegesituation im Freistaat Sachen mache sie jedoch oft wütend. Die Missstände in der Branche seien kaum noch hinzunehmen. Menschenwürdige Pflege gelänge nur dort, wo Pflegkräfte ausreichend Zeit haben, um auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen einzugehen. Der Personalschlüssel müsse dringend angehoben werden. Zudem nehme der hohe Dokumentationsaufwand die Zeit für den einzelnen Bewohner. Der Abbau der Bürokratie ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern.
Wer sich für einen Beruf in der Pflege entscheide, sollte neben Verantwortungsbewusstsein auch Durchsetzungsvermögen, Flexibilität, Einfühlungsvermögen und vor allem die Freude an der Arbeit mit älteren Menschen mitbringen. Es sei wichtig, herauszufinden, was einen wirklich interessiert, ob die Motivation groß genug ist und wofür letztlich das Herz schlägt. Jeannette Neuendorff ist sich sicher, dass sie sich damals für den richtigen Job entschieden hat. „Mein Herz schlägt für die Arbeit mit den älteren Menschen und wird es auch immer tun“, erzählt sie mit einem Lächeln.