Vor mehr als einem Jahrhundert erwuchs bei der städtischen Prominenz mehr und mehr der Wunsch, den Namen der sächsischen Industriemetropole auch sichtbar über die Meere zu tragen. Auf Anregung von Oberbürgermeister Dr. Heinrich Beck vermittelte der Industrielle Hermann Vogel bei der Verwaltung des Norddeutschen Lloyd, einer 1857 in Bremen gegründeten Reederei, dass deren neuester transatlantischer Dampfer auf den Namen „Chemnitz“ getauft wurde .
Das Schiff besaß eine Länge von 136,55 Metern und eine Breite von 16,55 Metern, deren zwei Expansionsmaschinen mit insgesamt 3500 PS, die ihm über die Doppelschrauben eine Geschwindigkeit von 13,6 Knoten ermöglichten. Gebaut worden war es unter der Nummer 177 auf der Schiffswerft und Maschinenfabrik Joh. C. Tecklenborg AG in Geestemünde.
Zur Namenstaufe am 27. November 1901 reiste eine Delegation von Vertretern der Chemnitzer Verwaltung und Wirtschaft mit Oberbürgermeister Dr. Heinrich Beck und Stadtverordnetenvorsteher Richard Otto Robert Enzmann an der Spitze an. In seiner Taufrede brachte Oberbürgermeister Dr. Beck zum Ausdruck, dass das Schiff unter dem Namen „Chemnitz“ fortan seine Bahn „allzeit zu Deutschlands Ehre, des Sachsenlandes Ruhms, des Norddeutschen Lloyds Nutz und Frommen und der Förderung und Mehrung des Ansehens der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz“ ziehen möge. Danach erfolgte der Stapellauf und der Schiffskörper schwamm sicher in der Geeste.
Am 19. März 1902 fand dann die Probefahrt statt, die ohne Beanstandungen verlief, sodass der Norddeutsche Lloyd den Dampfer „Chemnitz“ sofort übernahm. Zwei Tage darauf, am 21. März 1902, ging die „Chemnitz“ 13:30 Uhr, vom Rothe-Sand-Leuchtturm Bremerhaven mit 1.750 Passagieren an Bord auf Jungfernfahrt über den Ozean nach Baltimore, die einen erfolgreichen Verlauf nahm. Spätere Reisen führten nach New York und Galvestone.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Lloyddampfer „Chemnitz“ von der Kaiserlichen Kriegsmarine übernommen und musste deshalb 1919 nach den Versailler Vertragsbestimmungen entschädigungslos an Großbritannien ausgeliefert werden. Dort stand er noch vier Jahre im Dienst, dann wurde er in den Niederlanden endgültig abgewrackt.
Erst 28 Jahre später, am 22. Juni 1929, erhielt zum zweiten Mal ein Schiff des Norddeutschen Lloyd den Namen „Chemnitz“. Die Taufe des auf der Vulkan-Werft in Bremen-Vegesack erbauten Frachtdampfers vollzog Oberbürgermeister Walter Arlat in Anwesenheit des Stadtverordnetenvorstehers Georg Landgraf, Stadtrat Dr. Otto Härtwig und dem Vertreter der Industrie- und Handelskammer Otto Stecher. Bei dem Schiff handelte es sich um einen Frachtdampfer von 5.600 Bruttoregistertonnen. Er hatte eine Länge von 1.333 Metern, die Breite betrug 17 Meter und die Höhe bis zum Hauptdeck 11 Meter. Das Schiff besaß eine Tragfähigkeit von 9.000 Tonnen, Laderäume von 13.000 Quadratmetern und eine Wasserverdrängung von 13.450 Tonnen. Seine Geschwindigkeit war mit 13,5 Seemeilen berechnet worden.
Die Jungfernfahrt verlief auf der Ostasienroute ab 29. August 1929 bis Yokohama, wo das Schiff nach 49 Tagen anlandete. Die Rückkehr nach Bremen erfolgte am 3. Januar 1930. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Schiff von der Kriegsmarine übernommen und fiel nach dessen Ende in die Hände der Siegermächte.
In der DDR erfolgte eine Schiffstaufe auf den Namen unserer Stadt am 28. Mai 1960. An diesem Tag taufte der Oberbürgermeister Fritz Scheller in Rostock einen 10.000-Tonnenfrachter der Deutschen Seereederei auf den Namen „Karl-Marx-Stadt“. In den 1980er Jahren führte dann noch ein Schiff der Volksmarine der DDR ebenfalls diesen Namen.