Ticken sie noch richtig?

Gemeint sind die alten und neuen Uhren unserer Stadt, die am Samstag, dem 9. Mai, im Mittelpunkt des alljährlichen Mitarbeiterausflugs standen. Gästeführerin Grit Linke wusste eine ganze Menge zu diesem Thema zu berichten: Von einer 61-Minuten-Uhr, warum die römische Zahl IV manchmal als IIII geschrieben wird, wie die Eieruhr zu ihrem Namen kam, der Uhrzeiger sich nach rechts und nicht nach links bewegt, vom Unterschied zwischen einem Rendezvous und einem Anschluss, von verschwundenen Uhren und schlussendlich, was Wilhelm Busch zu dem Ganzen zu sagen hatte. Das ist die Kurzfassung dieses interessanten Stadtrundganges.

„Wie viele Zifferblätter sind am Neuen Rathaus zu sehen?“ Mit dieser Frage begrüßte Gästeführerin Grit Linke die Mitarbeiter der Volkssolidarität Chemnitz, im Hintergrund Markttrubel mit Spargelschälen. Die Auflösung: Drei! Ein Ziffernblatt wurde eingespart, da es an der entsprechenden Turmseite nicht gesehen werden kann.

In 60 m Höhe befindet sich in einem kleinen Raum das Carillon. Dieses Glockenspiel hat einen Spieltisch mit hölzernen Tasten, der über Drähte mit den eine Etage höher befindlichen Glocken verbunden ist. Da das Instrument mehr als 5 Tonnen wiegt, wurde es nicht wie damals vorgesehen im Alten, sondern im Neuen Rathaus eingebaut. Der Carillonneur betätigt das Glockenspiel mit den Füßen und der Faust. Heute erklingt das Glockenspiel mittwochs und samstags von 10:00 bis 10:30 Uhr. Ein glücklicher Umstand, denn so kamen die Teilnehmer  des Ausfluges noch in den Genuss der Carillon-Klänge, bevor sie noch ins Innere des Neuen Rathauses schauten, wo Alt und Neu aufeinandertreffen: Die Uhr über dem Echo-Brunnen, gesäumt von Symbolfiguren für Arbeit und Lebensfreude, und gleich gegenüber der Pförtnerloge die computergesteuerte Stechuhr.

Weiter ging‘s zum Alten Rathaus, welches das mehr bekannte figürliche Glockenspiel besitzt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ziffernblättern mit römischen Zahlen steht hier als Zeichen für die 4 tatsächlich IV. Oft wird stattdessen die Schreibweise IIII aus ästhetischen Gründen verwendet, da sich dann auf jeder Hälfte des Zifferblatts 14 Zeichen unterteilt in 4 Zahlen mit I, V und X befinden.

Am Posthof erinnerte Grit Linke an eine Uhr, die dort gerade nicht zu finden ist. Hier war bis vor einiger Zeit das Kunstwerk von Silke Rehberg „Das Grauen“ zu sehen, im Volksmund besser bekannt als „Die Scheibe“. Eingeweiht zum 50. Jahrestag der Bombardierung von Chemnitz, wurde es, beschädigt bei einem Unfall, abgebaut und wartet seit 2011 auf seine Aufstellung an einem neuen Ort. Im Sockel war neben dem Datum 5.3.1945 eine Uhr zu sehen.

Der Ausflug führte weiter in Das Tietz, wo im Innenhof eine Uhr auf der Etage des Naturkunde-Museums angebracht ist. Sie zeigt die verbleibende Zeit bis zum nächsten „Vulkanausbruch“, einer digitalen Show in den Museumsräumen, mit der sie gekoppelt ist. Mittwochs ist das Museum geschlossen und die Uhr ist aus.

Gleich gegenüber beginnt die Wiesenstraße. An einer städtischen Kindereinrichtung konnten die Teilnehmer dort die Sonnenuhr von Rudolf Kraus aus den 50er Jahren sehen. Sie ging auf die Stunde genau – eine der wenigen Uhren, die nicht auf Sommerzeit umgestellt werden kann.

An der Zentralhaltestelle erwartete die Ausflügler noch ein moderner Vertreter der Uhrensparte: das „Dynamische Fahrgastinformationssystem“. Hinter dem langen Wort verbergen sich die an den Haltestellen der Verkehrsbetriebe aufgestellten elektronischen Tafeln, die die Fahrzeiten der Busse und Bahnen anzeigen. Diese sind mit den Fahrzeugen verbunden und gewährleisten in der Regel einen reibungslosen und pünktlichen Stadtverkehr. In den Abendstunden ist vor den Zeiten ein „R“ zu sehen – „R“ wie Rendezvous. Statt „Anschluss“ entschied man sich für diese Bezeichnung, weil sie nicht ganz so verbindlich ist. Ein Rendezvous kann klappen, muss aber nicht.

Die letzte Etappe führte über die Brückenstraße, wo die Uhr der City-Toilette zu sehen ist, zum Chemnitzer Stadtbad. Gleich drei interessante Uhren bietet diese Einrichtung. Über dem Kassenbereich eine Uhr, zu deren Linken und Rechten je ein Sportler ruht, die Sternzeichenuhr in der großen und die Erdteile-Uhr in der kleinen Schwimmhalle. Letztere – 1,80 x 1,80 m groß und schmiedeeisern – war nach der Sanierung Anfang der 80er Jahre verschwunden, bis sie an einem Chemnitzer Bungalow wiederentdeckt wurde. Einer der damaligen Handwerker hatte sie „sichergestellt“. Zur Wiederöffnung konnte sie ihren angestammten Platz erneut einnehmen.

Der Rundgang hatte sein Ende erreicht. Von der Gästeführerin gab‘s noch das Gedicht „Die Uhr“ von Wilhelm Busch und, wer hätte das geahnt, eine kleine Süßigkeit, die wahrscheinlich nach dem Geräusch der mechanischen Uhren benannt worden ist. 

aus VS Aktuell 2/2015, erschienen im  VS Aktuell 2/2015