Kurioses aus dem Montessori-Kinderhaus

An einem Freitagmorgen im Januar herrschte helle Aufregung bei den lila Pünktchen, einer Krippengruppe im 1. Montessori-Kinderhaus. Was war der Grund? Es schwamm etwas Unergründliches in der Toilette, ein Wurm, der offensichtlich lebte, denn er bewegte sich, schlängelte sich im Toilettenbecken und ließ sich auch von der Spülung nicht beirren, er war immer wieder zu sehen. Wer war er, dieser unbekannte Toilettenbesucher? Etwa ein Regenwurm? Aber woher sollte er kommen, mitten im Januar? Bei frostigen Temperaturen? Nein, das konnte nicht sein! 

Ein Spulwurm? Oh Schreck, wie sieht so einer eigentlich aus? Wenn ja, wer hat ihn ausgeschieden, also, wer war als letztes auf dieser Toilette? Wie ansteckend sind Spulwürmer? Müssen wir jetzt alle Kinder überprüfen? Was werden die Eltern sagen? Schnell alles desinfizieren? Wie sind die Übertragungswege? Über Nahrungsmittel? Was gab es in den letzten Tagen zu essen? Über Haustiere! Wer hat einen Hund oder eine Katze?

Oder doch ein Regenwurm? Kam er über Blumenerde zu uns? Vielleicht über die Reinigungsfirma: Blumenerde aufgewischt, Wasser in die Toilette gespült? Auch irgendwie unwahrscheinlich. Zumal der Wurm auch sehr dünn und lang war. Welche Würmer können in der Toilette überleben? Fragen über Fragen. Helle Aufregung!

Wir waren uns des Ernstes der Lage wohl bewusst. Um endlich Klarheit zu bekommen, erfolgte ein Anruf beim Gesundheitsamt. Die Mitarbeiterin dort nahm unser Problem sehr ernst und bat uns, den Wurm zu fangen, in ein Gefäß mit Wasser zu legen und sofort vorbeizubringen. Es war mittlerweile Freitagvormittag und da hat das Gesundheitsamt nur bis Mittag offen und der Wurm musste noch ins Labor. Tapfer und mit Gummihandschuhen bewaffnet fasste eine Erzieherin in die Toilette und holte das Tier heraus. Beim näheren Betrachten beschlich uns nun der Verdacht, dass es doch ein Regenwurm sein könnte. Nichtsdestotrotz  ging‘s ab damit zum Gesundheitsamt. Doch wir erfuhren an diesem Freitag leider nichts mehr über dieses Tier.

Am darauffolgenden Montag kam der Befund: 

„Die Einsendung aus o. g. Fundort enthielt einen Regenwurm.

Die Regenwürmer  (Lumbricidae) sind im Erdreich lebende Würmer aus der Ordnung der Wenigborster (Ollochatea). Sie gehören innerhalb des Stammes der Ringelwürmer (Annelida) zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitellata). Etwa 40 Regenwurm­arten leben derzeit in Deutschland. Ihre Lebenszeit liegt zwischen 3-8 Jahren. Zu den bekanntesten Regenwürmern zählen der Gemeine Regenwurm (lumbricus terrestris) und der Kompostwurm Eisenia foetida. Die nachtaktiven Regenwürmer sind überwiegend Substrat- und Pflanzenfresser. Sie nehmen als Destruenten eine zentrale Stellung beim Abbau organischer Substanzen im Boden ein und verbessern die Bodenstruktur. Die Regenwürmer sind Zwitter und befruchten sich gegenseitig. Die Embryonen in den Ei-Kokons machen nur eine geringe Metamorphose zum Wurm durch. Die Entwicklungsdauer kann je nach Umweltbedingungen sehr verschieden sein. Die Wintermonate verbringen die Regenwürmer im Boden in einer Art Kältestarre. Aber an geschützten Stellen oder bei geschlossener Schneedecke lassen sich noch aktive Regenwürmer im Oberboden beobachten. Im Frühjahr schlüpfen die Jungwürmer bei einer Bodentemperatur ab 10 °C.

Der ungewöhnliche Fundort ‚Toilette‘ in einem Kindergarten lässt vermutlich auf einen ‚Eintrag‘ mit Kinderhänden schließen. Die aktive Einwanderung der Regenwürmer in das Gebäude bzw. in die Toilette ist eher unwahrscheinlich. Regenwürmer sind nicht als Gesundheitsschädlinge zu betrachten. In ihnen leben allerdings zahlreiche parasitäre Organismen, so dass rohe Regenwürmer nicht unbedingt zum menschlichen Verzehr geeignet sind.

Karin Teubner, Diplom-Biologin“

Wir wissen bis heute nicht, wie der Regenwurm in die Toilette kam. Dass einer der Kleinen der „Täter“ war, könne wir uns nicht wirklich vorstellen …

aus VS Aktuell 3/2015, erschienen im  VS Aktuell   VS Aktuell 3/2015 1. Montessori-Kinderhaus