1945 bis 1949
Bereits mit ihrer Gründung im Nachkriegsdeutschland des Jahres 1945 widmete die Volkssolidarität einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit dem Wohle der Kinder. Sie waren die Hoffnungsträger für ein neues, friedliches Deutschland, welche nun in großer Not und mit schweren Erinnerungen aufwachsen mussten. Sie sollten nach den Jahren des Krieges Weihnachten wieder als ein frohes Fest erleben können. Allein am 23. Dezember fanden zwanzig Weihnachtsfeiern in Chemnitz statt, die von der Volkssolidarität in enger Zusammenarbeit mit Betrieben und Einrichtungen organisiert wurden. So fand auch im Polizeipräsidium Chemnitz eine Feier statt, an die Helga Schüttler, die damals in der Abteilung Weibliche Verkehrspolizei arbeitete, erinnerte: „Auf Initiative meiner Freundin Lena Blumberg, ebenfalls Polizistin, und deren Mutter, Liddy Ebersberger, organisierten wir eine Weihnachtsfeier. Etwa 150 Kinder aller Altersgruppen warteten auf dem Schlossberg auf uns. Wir wollten mit ihnen gemeinsam in das Polizeipräsidium ziehen. Es sollte auch eine kleine Demonstration sein für das aktive Wirken der erst kürzlich gegründeten Volkssolidarität. Deshalb trugen die Kinder auch Schilder, die darauf hinwiesen. Im Polizeipräsidium gab es erst einmal eine warme Mahlzeit. Dann wurde gesungen, Gedichte wurden aufgesagt, und es wurde musiziert. Und natürlich warteten die Kinder aufgeregt auf den Weihnachtsmann. Als der dann Nüsse verteilte, strahlten die Kinderaugen. Ich glaube, wir haben mit dieser kleinen Feier doch Freude bereitet, wenn auch nur für ein paar Stunden, in dieser trostlosen Nachkriegszeit.“ (Volkssolidarität Stadtverband Chemnitz e. V.: Seit 1945 in Chemnitz für Chemnitz:
Die Volkssolidarität. 2011, S. 5).
Die Städte lagen noch in Trümmern. Mit der Aktion Kinderlandverschickung konnten 630 Chemnitzer Kinder mehrere Wochen aufs Land reisen und sich von den Schrecken des Krieges und der Nachkriegszeit erholen. 35 Kindergärten wurden in der Stadt von der Volkssolidarität eingerichtet. Die Organisation half auch bei der Vermittlung von Pflegeeltern, der Rückführung von während des Krieges evakuierten Kindern und bei der Suche nach ihren Eltern, Großeltern oder anderer Angehöriger. Im Januar 1946 wurde eine Großküche eröffnet und mit der Kinder- sowie Altenspeisung begonnen.
1949 bis 1989
Nachdem die größte Not überwunden war, änderten sich auch die Aufgaben und vor allem die Struktur der Volkssolidarität, die vereinheitlicht und zentralisiert wurde. Einige Aufgaben der Nachkriegszeit wurden nicht mehr benötigt, andere wurden durch einen Beschluss der Regierung der DDR ab 1951 schrittweise an das staatliche Gesundheits- und Sozialwesen und an andere Träger übergeben. Die Betreuung und Bildung von Kindern oblag nun dem Monopol des Staates und nicht mehr der Volkssolidarität.
Erst in den 70er Jahren rückten Kinder und Jugendliche wieder etwas in den Fokus der Tätigkeit der Volkssolidarität. Im Rahmen der Timurbewegung (benannt nach dem Romanhelden des sowjetischen Jugendschriftstellers Arkadi Petrowitsch Gaidar in „Timur und sein Trupp“, der sich zusammen mit anderen Jugendlichen der Hilfe für hilfsbedürftige Menschen verpflichtet) haben Kinder und Jugendliche insbesondere in der kalten Jahreszeit älteren Bürgern beim Beheizen der Wohnungen Unterstützung geleistet, gingen für die hochbetagten Bürger einkaufen und erledigten weitere Besorgungen. 1974 wurde zwischen dem Bezirksausschuss der Volkssolidarität Karl-Marx-Stadt und der Bezirksleitung der FDJ eine Arbeitsvereinbarung abgeschlossen. Mitglieder des Jugendverbandes arbeiteten nun im Bezirksausschuss und im Sekretariat der Volkssolidarität mit und fungierten hauptsächlich als Verbindungsglied, um Veteranen für Veranstaltungen in Jugendklubs und Schulen und insbesondere für Pioniernachmittage und FDJ-Lehrjahre zu gewinnen.
1989 bis heute
Mit der politischen Wende im Jahr 1989 und der Angliederung der fünf neuen Bundesländer an die Bundesrepublik Deutschland orientierte sich auch die Volkssolidarität zu großen Teilen neu. Neue Betätigungsfelder und Dienstleistungen entstanden. Als die Stadt Chemnitz Anfang der 90er Jahre neue Träger für bisher kommunal geführte Kindertagesstätten suchte, konnte die alte Tradition der Betreuung von Kindern wieder aufgenommen werden. Vier Einrichtungen wurden vom Stadtverband übernommen. Von Anfang an wurde ihnen dabei viel Freiraum bei ihrer pädagogischen Ausrichtung geboten. „Dass sich Kinder frei entfalten können, ist uns bereits in den 90er Jahren sehr wichtig gewesen. Wir wollten nicht einfach den typischen Kindergarten, der damals auch noch in vielen kommunalen Einrichtungen gelebt wurde“, erinnert sich Andreas Lasseck, damals Geschäftsführer und heute Vorsitzender der Volkssolidarität Chemnitz. Die Förderung der Individualität und Kreativität von Kindern sowie deren freie Entfaltung im Spiel stehen bei der Betreuung in den konfessionslosen Kindertagesstätten der Volkssolidarität Chemnitz im Mittelpunkt. Alternative pädagogische Konzepte und der Anspruch der Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen bilden dabei die Grundlage für die Arbeit mit Kinderkrippen-, Kindergarten-, Hort- und Integrationskindern.
1993 wurde eine Kindertagesstätte in der Ernst-Enge-Straße übernommen. Zunächst in einer der beiden Haushälften wurde das 1. Montessori-Kinderhaus gegründet, welches sich in seiner pädagogischen Arbeit nach dem Konzept Maria Montessoris richtet. Dieses wird auch am Montessori-Kinderhaus Pfiffikus im Stadtteil Morgenleite gelebt. Zum Verein kam die Einrichtung im Jahr 1995. Damals wurden im unmittelbaren Einzugsgebiet, im von vielen Einwohnern immer noch so genannten Heckert-Gebiet, zahlreiche Hochhäuser abgerissen, wodurch ein Überangebot an Kindertagesstätten entstand. Einige Einrichtungen wurden von der Stadt geschlossen, andere an freie Träger übergeben. „Natürlich waren wir verunsichert“, erinnert sich die Leiterin Regina Herrmann an diese Zeit. „aber im Gegensatz zu den Kollegen an den kommunalen Einrichtungen wussten wir, dass wir langfristig als Team zusammenbleiben und dadurch auch etwas aufbauen können. Die Volkssolidarität gab und gibt uns die Freiheiten, uns so zu entwickeln, wie wir es gerne möchten.“ Bis heute stehen die Themen Gesundheit und gesunde Ernährung im Mittelpunkt der Arbeit mit den Kindern und kneippsche Anwendungen und eine Sauna gehören zum Angebot.
Die Kindertagesstätte in der Sebastian-Bach-Straße auf dem Sonnenberg gelangte 1995 in die Trägerschaft der Volkssolidarität Chemnitz. Mittlerweile trägt die Einrichtung den Namen „Sonnenbergstrolche“. Einen neuen Namen hat sich auch die 1997 zum Verein gekommene Kindertagesstätte am Küchwaldring gegeben. Seit der kompletten Sanierung des damals baufälligen Gebäudes heißt sie „Glückskäfer“.
In den vier Kindertagesstätten des Stadtverbandes werden fast 600 Kinder betreut. Finanziert werden die Einrichtungen vom Land Sachsen, von der Kommune und aus den Beiträgen der Eltern. „Mit dem sächsischen Bildungsplan hat der Freistaat richtigerweise einen hohen Anspruch an die Kindertagesstätten gesetzt. Dabei hat er jedoch nicht berücksichtigt, dass bspw. die darin vorgesehene Arbeit am Kind, Weiterbildungen und Dokumentation mehr Zeit brauchen, als er den Erziehern zugesteht. Im sogenannten Personalschlüssel wird festgelegt, auf wie viele Kinder ein Erzieher kommt. In Sachsen liegen wir im bundesweiten Vergleich am unteren Ende der Liste. Das geht zu Lasten unserer Mitarbeiter, von denen sich viele über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus zum Wohle der Kinder einbringen.“, erklärt Ulrike Ullrich, Geschäftsführerin des Stadtverbandes. „Seit vielen Jahren beteiligen wir uns daher aktiv an der Kampagne „Weil Kinder Zeit brauchen“ der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen bzw. Chemnitz, in der die Wohlfahrtsverbände auch bei anderen Themen eng zusammenarbeiten. Der öffentliche Protest hat schon ein wenig Wirkung gezeigt. Bei den Koalitionsverhandlungen 2014 wurde vereinbart, den Personalschlüssel schrittweise anzuheben, was jetzt auch geschieht. Ab September 2015 kümmert sich eine Fachkraft nicht mehr um 13, sondern um 12,5 und ab September 2016 um 12 Kinder. Das ist immer noch nicht ausreichend, aber zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung.“
In der Volkssolidarität Chemnitz schlägt das Herz der vielen, oft älteren Mitglieder nach wie vor besonders für Kinder und Jugendliche. Zahlreiche Aktionen in den Arbeitsplänen der Wohngruppen zeugen davon. Seit 10 Jahren lädt der Stadtverband junge Menschen, die von den Mitarbeitern der Mobilen Jugendarbeit Mitte des Alternativen Jugendzentrum Chemnitz e. V. betreut werden und die aus sehr unterschiedlichen Gründen Weihnachten nicht in ihrem Elternhaus feiern können oder wollen, zu einem Festessen zumeist am 24. Dezember ein. „Einige Wohngruppen spenden Geld, damit wir für die Kinder der Jugendlichen Geschenke kaufen können, andere stricken und häkeln Schals und Handschuhe, die erstaunlich gut ankommen“, berichtet Andreas Wolf-Kather, der die Veranstaltung gemeinsam mit Kollegen organisiert und Weihnachtsmann vom Dienst ist. „Besonders ist, dass jedes Jahr Mitarbeiter des Stadtverbandes freiwillig auf einen ruhigen Weihnachtsnachmittag mit Stollen im Kreise der eigenen Familie verzichten, um ehrenamtlich Klöße, Rotkraut und Gänsekeule auszugeben.“ Auch für eine Weihnachtsfeier für Kinder, deren Eltern nur über wenig Geld verfügen, treffen regelmäßig jedes Jahr Spenden aus den Wohngruppen ein.
Bei der jährlich stattfindenden Listensammlung wird von den Mitgliedern der Volkssolidarität Chemnitz oft für Projekte der Kindertagesstätten des Stadtverbandes gesammelt. Seit einigen Jahren wird die LichtNacht Chemnitz durch einen Teil der Erlöse mit finanziert. Mit diesem großen Lampionumzug möchte die Volkssolidarität ein Zeichen setzen, dass in der Stadt Chemnitz nicht nur viele Senioren, sondern auch viele Kinder leben.
Übrigens: Kinder werden von der Volkssolidarität nicht nur betreut, sie schenken den Gästen und Betreuten der Volkssolidarität in Begegnungsstätten, Stadtteiltreffs und Seniorenpflegeheimen auch viel Freude, sei es bspw. der Auftritt mit einem Liederprogramm oder das gemeinsame Basteln mit den Senioren.