Über die Einseitigkeit der Solidarität und die Beschäftigung Geflüchteter

Fachtagung des Kompetenzzentrums Pflege der Volkssolidarität

Solidarität ist immer einseitig! Das stellte der Sozialethiker Professor Friedhelm Hengsbach auf einer Tagung der Volkssolidarität am 23. November 2016 klar. Er wandte sich damit gegen die „völlige Fehldeutung“, die oft auch von politischen Kräften zu hören sei, nach der Solidarität „keine Einbahnstraße“ sei. Hengsbach warnte vor einer solchen „Umkehr des Sozialstaates“. Die Schwächeren müssten keine Vorleistung erbringen, damit die Stärkeren ihnen helfen. Der Sozialethiker bezeichnete es als „Geheimnis der Solidarität“, dass sie asymmetrisch, also ungleichmäßig ist, „anders als im Markt“: „Die Starken unterstützen die Schwächeren. Und die Schwächeren haben ein Recht auf Hilfe.“

Hinter Solidarität stehe immer der Respekt vor dem Anderen, erklärte der renommierte Sozialethiker auf der Tagung des Kompetenzzentrums Pflege der Volkssolidarität. Hengsbach sprach über die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Pflege hierzulande und übte deutliche Kritik am politisch gewollten und betriebenen Abbau des Sozialstaates. „Bunte Pflege – wir sind ein interkultureller Arbeitgeber“ war das Thema der Tagung im Hotel Van der Valk in Blankenfelde-Mahlow. Etwa 50 Teilnehmende aus den Verbandsgliederungen waren der Einladung des Kompetenzzentrums gefolgt. Sie hörten interessante Vorträge und bekamen wertvolle Hinweise für ihre Arbeit in dem Fachgebiet.

Zu Beginn hatte Verbandspräsident Dr. Wolfram Friedersdorff das Thema als „logisch“ bezeichnet. Die Volkssolidarität habe sich in den letzten zwei Jahren verstärkt um die Unterbringungen von Geflüchteten gekümmert. Ihnen bei der Suche nach Arbeit als Chance zur Integration zu helfen, zähle nun zu den nächsten Aufgaben. Das sei aber auch angesichts des vielfach festgestellten „Pflegenotstandes“ in Folge des Fachkräftemangels notwendig. „Die Pflege muss den Bedürfnissen aller Betroffenen gerecht werden“, betonte der Verbandspräsident. Es gehe nicht nur um jene, die als Geflüchtete in jüngster Zeit ins Land kamen und kommen. Ebenso gehe es auch um jene Menschen, die als Migranten schon lange in der Bundesrepublik leben. „Die wachsende Interkulturalität führt zu neuen Herausforderungen für die Pflege“, stellte Dr. Friedersdorff fest.

Insgesamt stand weniger das eigentliche Thema, die Volkssolidarität als interkultureller Arbeitgeber, im Mittelpunkt. Es ging mehr um die grundlegende Situation der Pflege, aber auch der Geflüchteten, sowie die Möglichkeiten, ihnen reguläre Tätigkeiten zum Beispiel in der Pflege zu vermitteln. Letzteres ist eher noch Neuland für die Volkssolidarität, wie Erfahrungen aus dem Verband zeigten. So verwies André Lossin, Geschäftsführer des Landesverbandes Berlin der Volkssolidarität, auf die komplizierten Rahmenbedingungen für den Versuch, Geflüchteten und Asylbewerbern zu Ausbildung und Arbeit zu verhelfen. Marlen Klette, Bereichsleiterin Pflege beim Landesverband Thüringen, schilderte konkrete Erfahrungen aus einem Einzelfall. Sie hatte in diesem Jahr einer ausgebildeten Pflegerin aus Serbien zu einer Tätigkeit bei der Volkssolidarität verholfen. Beide machten deutlich, wie wichtig es ist, sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zu beschäftigen, wenn Verbandsgliederungen Eingewanderte und Geflüchtete als Arbeitskräfte gewinnen und ihnen so auch bei der Integration helfen wollen.

Zuvor hatte Clemens Hirschwald, bei der Stadt Dresden verantwortlich für das Ehrenamt und die Beschäftigung im Bereich Asyl, von den Erfahrungen in der sächsischen Landeshauptstadt bei der Integration Geflüchteter berichtet. Er stellte Habib Hussani vor, einen jungen Afghanen, der über den Iran nach Deutschland kam und seit mehr als einem Jahr in Dresden lebt. Hussani lernte in der kurzen Zeit so gut Deutsch, dass er heute bereits als Dolmetscher hilft, wie er selbst berichtete. Später wolle er eine Ausbildung zum Straßenbahnfahrer beginnen.

In drei „World-Cafés“ gab es für die Teilnehmenden von Fachleuten grundlegende Informationen über die rechtlichen Rahmenbedingungen, um geflüchtete Menschen im Pflegebereich zu beschäftigen. Dunja Schwarz-Fink, Regionalbüroleiterin des Paritätischen Landesverbandes Brandenburg, wies auf die grundlegende Frage hin, wie potentielle Pflegekräfte zu den suchenden Unternehmen kommen. Die Volkssolidarität als Mitglieder- und Sozialverband habe dabei ideale Voraussetzungen, da in ihren Einrichtungen bereits Geflüchtete versorgt werden. Wichtig für die suchenden Unternehmen und Organisationen sei es, die bisherige Belegschaft zu begeistern und „mitzunehmen“, so dass die Geflüchteten in der neuen Arbeitsstelle akzeptiert und gut integriert werden. Die Pflegebranche sollte Chance ergreifen, die Geflüchteten als Arbeitskräfte zu gewinnen, erklärte André Hanschke, Leiter des Projekts Arbeitgeber-Service „Asyl“ bei der Arbeitsagentur Berlin. Aus seiner Sicht ist das Praktikum das erste Mittel, mit dem ausgelotet werden kann, ob eine Ausbildung folgen soll oder ob der Pflegeberuf überhaupt das richtige Berufsfeld für den Menschen ist. Weiter gibt es oft keine schriftlich nachgewiesenen Qualifikationen, die die geflüchteten Menschen vorweisen können. Hanschke verwies auf das Problem der kultursensiblen Pflege, denn in vielen Ländern werde die Pflege ganz anders „gelebt“ als hierzulande. Evelien Willems vom Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ beim Forschungsinstitut Betriebliche Bildung gGmbH in Nürnberg stellte heraus, dass die Pflege in Deutschland ein reglementierter Beruf ist. So gebe es bei den Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsqualifikationen zwischen EU-Bürgern und Bürgern von Drittstaaten Unterschiede.

aus VS Aktuell 1/2017, erschienen im  VS Aktuell 1/2017 Aus dem Bundesverband