Als eine von 15 Pflegeeinrichtungen in Chemnitz beteiligte sich das Seniorenpflegeheim „An der Mozartstraße“ an der Aktion, bei der Läufer aus jeder Einrichtung mit den unterschriebenen Postkarten zur Jugendkirche gesandt wurden. Diese Aufgabe übernahmen in der Mozartstraße die Auszubildenden Mandy Marten, Christin Knorr und die Praktikantin Charlotte Kuhn.
Auf der Terrasse des Heimes war der Startpunkt dekoriert. Bei Kaffee und Kuchen erklärte Pflegedienstleiterin Daniela Kuhn Bewohnern und Mitarbeitern den Zweck der Aktion. Im Anschluss wurde die Postkartenbox den Läuferinnen übergeben.
Mittlerweile hatten sich an der Jugendkirche Interessierte aller Altersgruppen, Pflegekräfte und Betreute sowie Mitarbeiter der freien Wohlfahrtsverbände und weiterer Organisationen zusammengefunden. Mit viel Applaus wurden die Überbringer willkommen geheißen.
Im Präsidium der anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern der Liga der freien Wohlfahrtspflege, Praktikern und Politikern des Sächsischen Landtags hatten Hanka Kliese (SPD, MdL), Alexander Dierks (CDU, MdL), Katrin Pritscha (LINKE, Stadtrat), Susanne Schaper (LINKE, MdL), Monika Roloff (Bereichsleiterin Pflege, AOK Plus), Heike Braun (Heimleiterin der Seniorenresidenz »Villa von Einsidel«, Volkssolidarität) und Jürgen Tautz (Sprecher der LIGA) Platz genommen. Michael Richter (Landesgeschäftsführer, Der Paritätische Sachsen) moderierte den Nachmittag.
Der Chor des AWO-Seniorenpflegeheims „Willy-Brandt-Haus“ eröffnete die Veranstaltung mit dem Lied „Ein bisschen Sonne für die Pflege“ mit selbst verfasstem Text zur bekannten Melodie.
Nach der Vorstellung des Präsidiums wurde der Dialog eröffnet. Grundtenor: Der Pflegeberuf stelle hohe Anforderungen – körperlich und psychisch – und sei nicht nur Beruf sondern Berufung. Die Attraktivität und die Entwicklungschancen der Branche müssen verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt werden. Mehr Zeit in der Pflege bedinge einen höheren Personalbedarf. Der vorgegebene Personalschlüssel sei unzureichend. Eine Sicherung der Qualität der Pflege müsse mit einer höheren Entlohnung einhergehen. In diesem Beruf sei nicht nur eine normale, sondern vor allem Herzensbildung und hohe Ambition gefragt. Der Mindestlohn der Branche läge nur knapp über dem allgemeinen Mindestlohn und dabei gäbe es noch West-Ost-Unterschiede, was die Abwanderung hier ausgebildeter Fachkräfte mit sich brächte, nicht nur nach Westen, sondern auch nach Norden, wo nach dem skandinavischen Modell bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer und deren Bildung vorhanden seien.
Mehr Zeit bedeute auch mehr Entbürokratisierung. Die Zeit, die eine Fachkraft mit dem Ausfüllen von Formularen und Berichten verbringe, fehle dem Betreuten. Hier würde sich ein Teufelskreis aufzubauen: Höhere Entlohnung – Zuzahlungen der Kassen – höhere Pflegesätze – Kostenerhöhung für die zu Pflegenden und deren Angehörige – das Eintreten des Sozialamtes, wenn die Pflege nicht mehr bezahlt werden kann.
Der Generationenvertrag habe sich aufgrund der Alterspyramide ausgelebt, so Heike Braun, Heimleiterin der »Villa von Einsidel«. 2015 betrug der Anteil der über 80-jährigen in Sachsen 7 %, in 15 Jahren werden es 11 % sein.
Susanne Schaper (LINKE, MdL) machte deutlich, die Lösung dieser Aufgabe sei keine kommunale, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Das Thema müsse endlich zur Chefsache erklärt werden. Es bedürfe keiner Skandalgeschichten in den Medien, es solle mehr auf die Ausbildung und Karrierechancen eingegangen und ein gemeines Auftreten von Schulen und ausbildenden Einrichtungen in der Öffentlichkeit forciert werden. Künftig sei eine einheitliche Grundausbildung im Pflegebereich angedacht, eine Spezialisierung solle danach erfolgen. Von zunehmender Bedeutung werde die Ausbildung zur Pflege von an Demenz Erkrankten sein. Es müsse klar dargelegt werden, dass in der Pflege täglich mehr als das Standardprogramm geleistet werde. Die Wertschätzung führe zu einer Zufriedenheit, die sich positiv in der Öffentlichkeit niederschlage.
2017 wurde das Pflegestärkungsgesetz II beschlossen, was deutliche Verbesserungen für die Betreuten biete, das Personal aber außen vor lasse. Zur Bundestagswahl scheine es keine Partei zu geben, die sich der Problematik explizit stellt.
Auch sei die Unterstützung bei der Ausbildungsfinanzierung überarbeitungsbedürftig. Ein Einwurf aus dem Publikum verdeutlichte, dass es keine Unterstützung für eine Ausbildung in der Pflege durch die Arbeitsagentur gab – im Gegenteil: Die Ausbildung musste privat bezahlt und geschultert werden. Hier greift nur die Ausbildungsförderung der Vereine und Träger von Pflegeeinrichtungen, die z. B. in der Volkssolidarität Chemnitz und ihrer Tochterunternehmen schon seit Jahren mit guten Ergebnissen praktiziert wird.
Ein guter Führungsstil in den Unternehmen, freundliche Umgangsformen würden dabei eine wichtige Rolle spielen und in den Einrichtungen der Volkssolidarität Chemnitz gelebt werden, so Heike Braun. In Zeiten von Urlaub und Krankheit stärke und motiviere dies die Mitarbeiter.
Am Ende der Veranstaltung, die keinen Protest, eher den Dialog suchte, wurden die Körbe mit den gesammelten Unterschriften an die anwesenden Landtagsabgeordneten übergeben. Die Problematik muss auf der politischen Ebene weitergetragen und das Thema Alter stärker ins tägliche Bewusstsein gerufen werden, um dies nicht mehr auf die lange Bank zu schieben, denn alt werden wir alle …