Seit Ende August, als Daniel Hillig bei einer nächtlichen Auseinandersetzung mit ausländischen Menschen durch eine grausame Messerstecherei sein Leben verlor, kommt Chemnitz nicht mehr zur Ruhe. Seitdem hegen überregionale und sogar internationale Medien ein reges Interesse, über die Stadt und ihre Einwohner zu berichten. Die Anteilnahme der Bürger am tragischen Schicksal des Chemnitzers war und ist groß. Viele folgten Aufrufen unterschiedlicher Initiativen, öffentlich Beileid zu bekunden. Die Versammlungen wurden jedoch auch von etlichen genutzt, ihre Unzufriedenheit mit politischen Entwicklungen auszudrücken.
Andreas Wolf-Kather sagte vor dem Chemnitzer Stadtrat: „Jeder sollte genau hinschauen, wo er sich einreiht. Sind es Menschen, die ihr aufrichtiges Beileid übermitteln, oder sind es organisierte Leute, die die Gelegenheit nutzen, um die Protestler für sich zu gewinnen?! Jeder hat die Wahl, für sich selbst zu entscheiden. Das Grundgesetz sichert uns dieses zu. Was es niemanden zusichert – und hoffentlich auch niemals darf –, ist unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Rassismus und Hetze zu betreiben. Wer sich also zu Leuten gesellt, welche Fremdenfeindlichkeit schüren und dabei Gewalthandlungen an Mitmenschen billigen, braucht sich nicht darüber zu wundern, wenn man die Beteiligten allesamt in eine braun angestrichene Schublade steckt.“
Durch das Mitwirken regionaler als auch landesweiter extremer Gruppierungen muss die gegenwärtige Situation in Chemnitz als unberechenbar eingeschätzt werden. Wenn die Bevölkerung zwischen die Lager von Demonstrantengruppen gerät, verursacht dies zudem große Verunsicherungen und Ängste. Wie sich ausländische Mitbürger dabei fühlen mögen, wird dramatisch sein. Man kann sich gut vorstellen, was schon länger gut integrierte Menschen bei den teilweise stark ausländerfeindlichen Ausschreitungen durch den Kopf gehen mag.
Wolf-Kather sagte weiter: „Wir verurteilen Hetzjagden und Gewalt aller Couleur! Wir fordern alle auf, besonnen zu sein und keinen Hass zu verbreiten! Mittlerweile ist auch jedem durch die Medien deutlich, welches Bild von Chemnitz nach außen getragen wird! Wir dürfen uns jetzt nicht einfach weiter an das bisherige ‚Tagesgeschäft‘ halten, sondern müssen uns gesamtheitlich um die Probleme der Menschen kümmern. Sonst wird die angespannte Situation nicht mehr zu verbessern sein. Das würde zur Folge haben, dass wir nicht mehr aus der Krise herausfinden und sich unsere Gesellschaft weiter entzweit“.
Politiker sämtlicher Ebenen haben seitdem Chemnitz Besuche abgestattet. Gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin versuchen sie, mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Allerdings finden diese Runden oft mit zuvor ausgewählten Einwohnern statt und tragen daher kaum dazu bei, dass sich die Bürger mit ihren Sorgen und Anliegen tatsächlich einbezogen fühlen. Andere Ideen und Ansätze sind nun gefragt, damit eine ernst gemeinte Zugänglichkeit zu den Bürgern gelingen kann. Bündnisse versuchen, das negative Bild der Stadt in den Hintergrund zu rücken und sich mit kreativen Aktionen für Vielfalt und Toleranz auszusprechen. Das sollte der erstrebenswerte Rahmen sein, den Chemnitz jenen bietet, welche hier gern aktiv das Leben in der Stadt mitgestalten oder teilhaben wollen.
Dazu gehört, sich sicher fühlen und ohne Ängste leben zu können. Ein positives Auslegen von Statistiken und Berichten ändert am Unsicherheitsgefühl vieler Einwohner nichts. Auch mit Überwachungskameras wird das nicht besser. Wer glaubt, dass im Fall einer Bedrängnis schnell Hilfe kommt, weil ständig jemand vor den Kamerabildern sitzt, irrt. Das Videomaterial mag eine gute Hilfe sein, allerdings mehr bei der Aufklärung bereits erfolgter Straftaten. Gut ist, dass sich der Stadtrat mit diesen Sicherheitsthemen emsig auseinandersetzt. Dennoch führen Anträge wie das Stichwaffen-Verbot in der Innenstadt kaum zu einer Straftatenverhinderung. Es gibt das über allem stehende Waffengesetz – wer es umgehen will, dem ist das zusätzliche Errichten einer waffenfreien Zone leider auch egal. Das Bekenntnis der Stadträte schreckt zudem niemanden ab, wenn es wegen nicht vorhandenem Personal gar nicht zu Personenkontrollen kommt. Der Stadtordnungsdienst ist dafür nicht legitimiert, auch wenn dieser richtigerweise durch Stadtratsbeschluss wieder mehr Mitarbeiter haben wird. Es bedarf weiterer Polizeieinsatzkräfte, auch hier wurden jahrelang Stellen weggespart. Die Aufforderung an die Oberbürgermeisterin, sich auf Landesebene dafür stark zu machen, wird per Antrag von der Fraktion VOSI/PIRATEN eingebracht.