Im elsässischen Baar, etwa vier Meilen südwestlich von Straßburg, wurde am 8. November 1809 Richard Hartmann geboren und auf den Namen Reichardt getauft, den er seine gesamte Schulzeit behielt.
Richard wuchs wohlbehütet auf, umgeben von zwei älteren Brüdern und zwei jüngeren Schwestern. Seine Eltern Johannes Hartmann, Schuhmacher und später Weißgerber, und seine Mutter Maria Schwarz sorgten gut für ihn. 1823 wurde er konfirmiert. Ein Jahr später ging er in das etwa 70 km entfernte Luneville und besuchte dort eine höhere Schule, auf der er Benehmen lernte und vor allem, den Ernst des Lebens zu verstehen. Für seinen weiteren Lebensweg sollte das von großer Bedeutung sein. 1826 kehrte er ins elterliche Haus zurück und beginnt bei Georg Dietz eine Lehre als Schmied. Bei dem strengen, aber gerechten Meister erhält Richard eine vorzügliche handwerkliche Ausbildung.
Nachdem er einen Ersatzmann für das Militär gefunden hatte, den sein Vater bezahlte, begann er am 19. Juli 1830 seine Wanderschaft. Auf dieser kam er nach Landau, Karlsruhe, Heidelberg, Worms, Alzey, Bingen und Kreuzberg. In Bingen traf er Anfang September 1831 ein. Hier arbeitete er dreizehn Wochen und zog weiter nach Nassau, Mainz, Frankfurt und durch Thüringen nach Fulda und Eisenach. Über Gotha und Weimar kam er nach Jena. Hier arbeitete er vier Wochen als Geselle beim Zeugschmiedemeister Kaspar Pfelzer.
Während dieser Zeit traf er einen Elsässischen Landsmann, Georg Samuel Apffel, der aus Chemnitz kam und auf dem Heimweg nach Weißenburg war, um sich Geld für die Selbstständigkeit in Chemnitz zu holen. Drei Wochen nach dieser Begegnung wanderte Richard Hartmann über Eisenberg, Schleiz, Greiz und Zwickau nach Chemnitz. Im März 1832 traf er hier ein. Seine erste Herberge war im Gasthof zum Bären in der Inneren Klosterstraße. Zwei Talern, die er aus dem Verkauf einer silbernen Taschenuhr hatte, waren seine gesamte Barschaft.
Er nahm eine Stelle als Zeugschmied im Hauboldschen Unternehmen an. Sein Wochenlohn betrug 2 Taler 6 g. Gr. Er arbeitete einige Wochen in der Hauptfabrik, wird dann zum Meister Knyreim (Krempelbau) versetzt. In kurzer Zeit hat Hartmann durch seine gute Arbeit und seinen Fleiß die Aufmerksamkeit seines Arbeitgebers auf sich gezogen.
Als Meister Knyreim sich selbstständig machte, übernahm Hartmann seine Stelle als Akkordmeister. Das war für einen jungen Mann Anfang 20 schon eine große Herausforderung. Es gehörte nicht nur dazu, die Abrechnung für seine unterstellten Arbeiter zu machen, er musste auch mit ihnen auskommen. Als Akkordmeister bekam er für die zu fertigenden Werkstücke und Maschinen einen festen Preis, seinem Geschick war es überlassen, zusätzlich ein paar Taler zu verdienen.
In der Freizeit bastelte Hartmann mit seinem Freund Apffel in der Knyreimschen Werkstatt. Hier baute er seine erste Maschine, eine Schraubenschneidemaschine.
Hartmann ging vorbildlich seiner Arbeit nach, war in seiner freien Zeit aber auch gern mal in die Schankwirtschaft von Wilhelm Oppelt auf der Annaberger Str. Hier traf er auf Bertha, die zweite Tochter des Hauses und verliebte sich in sie. 1837 holt sich Richard das Jawort seiner Braut und ihrer Eltern. Zu dieser Zeit brauchte der Bräutigam auch die Genehmigung der eigenen Eltern. Dafür reiste Hartmann nach Barr und kam mit der Zustimmung der Eltern zurück. Die Verlobung fand statt, am 11. November 1837 wurde geheiratet. Das junge Paar zog in das Ihle‘sche Haus auf der Annaberger Str.
Vor all diesen Aktivitäten musste Hartmann noch eine Hürde nehmen – er beantragte das Bürgerrecht, denn nur mit diesem durfte man eine Firma gründen und heiraten. Sein erster Antrag wurde wegen zu kurzer Wohndauer abgelehnt. Da er aber am 13. März 1837 zusammen mit Meister Illing die Schubertsche Werkstatt gekauft hatte, benötigte er dringend das Bürgerrecht. Seinem Charm und vielleicht einer kleinen Zuwendung ist es zu verdanken, dass er am 24. Juni 1837 das Bürgerrecht erhielt.
Der Kaufpreis für die Schubertsche Werkstatt betrug 1.250 Taler, 900 Taler waren sofort fällig, Hartmann steuerte 150 Dukaten dazu (was 428 Talern entsprach). Illing hatte seinen Teil in der Lotterie gewonnen und Hartmann verdankte die Summe seiner Verlobten, die an jedem Zahltag von ihm zwei Dukaten verlangte und für ihn aufbewahrte.
Die beiden Firmeninhaber nebst drei Gehilfen begannen nun mit der Reparatur von Maschinen. Ihre Werkzeugmaschinen trieben sie mit eigener Muskelkraft an. Einfach war das Unternehmerdasein aber nicht, an manchem Zahltag war kein Taler in der Kasse. Sein Schwager Preusser und sein Schwiegervater Oppelt liehen ihm Geld und halfen, die schwere Zeit zu meistern.
Hartmann traf durch Zufall auf einen mittellosen Techniker, der ihm für 1.000 Taler seine Erfindung, eine Vorkrempelmaschine, verkaufte. Er nannte die Maschine Continue, sie vereinte zwei Arbeitsgänge und konnte somit viele Arbeitskräfte einsparen.
1839 wurden eigene Konstruktionen wie die Feinspinnmaschine „Mule Jenny“ausgeliefert.
Die Zusammenarbeit mit seinem Partner Illing hielt nicht lange und Hartmann zahlte ihn aus.
Hartmann ging eine neue Partnerschaft mit dem Kaufmann August Götze ein. Da die Schubertsche Werkstatt nicht mehr den Anforderungen entsprach, erfolgte 1840 der Umzug in die Augustusburger Str. 35. Heinrich Knyreim hatte dort von 1836 bis 1839 eine Maschinenbauwerkstatt mit 29 Beschäftigten betrieben
Hier wurde der Wechsel von der Werkstatt zur Fabrik vollzogen durch den Aufbau eines dreiteiligen Maschinensystems „Antrieb-Transmission-Arbeitsmaschinen“. Als Antrieb stand ein Pferdegöpel mit 17 Pferden zur Verfügung. Um ihren Kunden die Antriebstechnik mitliefern zu können, nahm man die Produktion von Dampfmaschinen auf.
Die Räume reichten auch hier nicht mehr aus und man zog in die Äußere Klosterstraße in die ehemalige Klostermühle. Hier trennte sich Hartmann von Götze und zahlte ihm die Summe von 22.441 Taler, 10 Groschen und 8 Pfennige aus. Götze gründete darauf mit seinen beiden Schwägern Ernst und Theodor Wiede die Maschinenbaufirma Götze & Co.
Hartmann führte nun das Unternehmen allein weiter. Zum Antrieb kam die Wasserkraft und eine 12 PS Dampfmaschine aus eigener Produktion.
Am 29. August 1845 war die Hartmannsche Fabrik von einem Schadfeuer betroffen, die Schmiede und die Dreherei wurden in Mitleidenschaft gezogen. Über Leitern konnte man aus dem Kontor alle wichtigen Unterlagen retten. Dank vieler Helfer hielt sich der Schaden in Grenzen. Der Platz wurde auch hier zu knapp und Hartmann zog auf das Grundstück an der Leipziger Str. In der Vergangenheit waren die Produktionsstätten nur gemietet, jetzt ist er Eigentümer der Grundstücke. Hartmann ließ neue Produktionsgebäude und ein Wohnhaus errichten .
Das Unternehmen wuchs und 1847 wurde mit der Produktion von Lokomotiven begonnen.
Das Jahr 1848/49 gestaltete sich schwierig, durch die Revolutionswirren gingen die Geschäfte nicht mehr so gut, es wurden andere Produkte hergestellt wie Holzschuhe und Zündnadelgewehre. Für die Gewehrproduktion holte sich Hartmann Spezialisten aus Frankreich. Diese hatten andere Verträge wie die Chemnitzer Arbeiter erhalten, was zu Spannungen unter der Belegschaft führte. Als Hartmann zur Leipziger Messe weilte, kam es zu Unruhen unter der Belegschaft. Hartmann fuhr sofort nach Chemnitz und nahm sich seine Belegschaft an die Brust. Er war nicht gewillt, einen Kompromiss zu schließen, sondern die bestehende Fabrikordnung durchzusetzen. Am nächsten Tag erschien bei Bürgermeister Müller eine Abordnung von Arbeitervertretern anderer Chemnitzer Maschinenbaubetriebe. Dieser lehnt eine Diskussion ab und verbietet, sich im Gasthof Linde zu treffen. Der Werkführer der Franzosen, der mit für diesen Konflikt verantwortlich war, verlässt am nächsten Tag die Stadt. Hartmann wollte das verhindern, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Wegen der Forderung, sich versammeln zu dürfen, ging es noch ein paar Mal hin und her, bis Hartmann auf einer Versammlung das Angebot unterbreitete, seinen Arbeitern eine Fahrt auf dem Dampfwagen zur Industrieausstellung zu spendieren. Dieser Coup war genial, denn seine Arbeiter waren bisher nicht über die Stadtgrenzen hinausgekommen. Nun konnten sie ihre Maschinen auf der Industrieausstellung sehen. So ging es dann am Samstag los. Etwa 300 Mitarbeiter machten sich auf den Weg durch den Küchwald nach Altenburg, wo sie mit dem Zug nach Leipzig fahren sollten. Von den 200 dagebliebenen Arbeitern versteckten sich ein paar Störenfriede im Küchwald und verspotteten ihre Kollegen. Für Hartmann war es aus heutiger Sicht eine gute PR-Geschichte, hat er doch sein Gesicht und seine Autorität gewahrt. Der Wortführer Krapf sowie 17 verhaftete Störenfriede aus dem Küchwald wurden entlassen und der Stadt verwiesen.
Mit den Jahren entwickelte sich das Hartmansche Unternehmen weiter. 1857 umfasste das Fabrikgelände 31.520 m², wovon die Hälfte bebaut war.
Am 17. Juli 1860 brach auf dem Gelände rechts der Leipziger Straße ein Feuer aus und zerstörte große Teile der Fabrik, die Schadenssumme betrug 341.000 Taler. Hartmann hatte Glück, da er gut versichert war. So war in kurzer Zeit die Fabrik wieder aufgebaut und die Produktion konnte im Frühjahr 1861 weitergehen.
1862 gründete Hartmann für seine Mitarbeiter eine Krankenkasse und legt 1870 den Grundstock für eine Unfall-Invaliden und Pensionskasse.
Im Sommer 1864 bestand das Unternehmen aus 39 Gebäuden, am 28. Juni 1864 fand der erste Spatenstich für das 40. Gebäude, die Werkzeugmaschinenhalle, statt.
Sie war 118 m lang und 25 m breit. Hier konnten Werkzeugmaschinen mit einem Gewicht von bis zu 22 Tonnen und einer Höhe bis 7,80 m gefertigt werden. Friedrich Alfred Krupp kaufte eine große Anzahl von Werkzeugmaschinen bei Hartmann, später stieg er zum größten Rüstungsgüterproduzenten in Deutschland auf.
1864 lässt sich Hartmann in Dresden Laubegast eine Sommerresidenz errichten, hierzu gibt es allerdings unterschiedliche Zahlen. Fest steht: seine Fabrikantenvilla in Chemnitz wurde 1868 eingeweiht.
Leider hatte seine Frau Bertha nicht mehr viel vom neuen Heim, sie starb am 18. März 1869. Bestattet wurde sie auf dem Johannisfriedhof. Sie schenkte Richard Hartmann acht Kinder, wovon zwei Mädchen und der jüngste Sohn starben. Er hatte allerdings noch eine uneheliche Tochter, Wilhelmine Magdalena Holfrecht (geb. 27. November 1846).
Seinen Kindern ließ Richard Hartmann eine solide Schulausbildung zukommen .
Zu seiner Entlastung nahm Hartmann vom 1. Januar 1868 an seinen ältesten Sohn Richard, seinen zweiten Sohn Gustav und seinen Schwiegersohn Eduard Keller als Teilhaber in seinen Betrieb auf.
Am 1. April wird die Fabrik für drei Millionen in eine Aktiengesellschaft überführt. Sie bestand zu dieser Zeit aus fünf Abteilungen,
- Lokomotivbau (bis zu 100 Lokomotiven und Tender konnten jährlich gebaut werden)
- Werkzeugmaschinenbau
- Fabrik für Dampfmaschinen, hydraulische Motoren und Mühleneinrichtungen
- Spinnereimaschinenbau
- Fabrik für Webstühle und Webereieinrichtungen.
Als Richard Hartmann am 16. Dezember 1878 an den Folgen eines Schlaganfalles starb, zählten zu seinem Werk etwa 3.000 Beschäftigte. Auf Ausstellungen und Messen erhielt Hartmann zahlreiche Orden, Medaillen und Titel. Dies trifft ebenso auf seine Produkte zu.
Unweit von seinem ersten Arbeitgeber ist er und seine Familie auf dem Städtischen Friedhof begraben.