„Kleiner Mann, was nun?“

(M)eine Entscheidung für die ­bestmögliche Interessenvertretung

Wahlversprechen haben alle Stadtratskandidaten vorher ihrer möglichen Wählerschaft gemacht. Bei etablierten Parteien sind diese klar geregelt, denn zumeist gibt es ein Wahlprogramm, auf dessen Umsetzung die Basis der Ortsvereine schaut. Stadträte, die einer Partei angehören bzw. auf deren Liste gewählt wurden, ordnen sich in ihrer Ratstätigkeit dieser unter. Was aber, wenn ein einzelner Stadtrat für eine freie Wählervereinigung, ohne Bindung an eine Partei, ein Mandat erhalten hat? Viele Mitglieder und Freunde der Volkssolidarität beschäftigt diese Situation, denn als Bereichsleiter für Mitgliederbetreuung und als betroffener Stadtrat werde ich sehr oft dazu befragt.

Am Beispiel der Wählervereinigung Volkssolidarität (WV Vosi) lässt sich das ganz gut erklären, denn diese stand bereits zur Kommunalwahl 2009 und nun wieder vor dieser Problematik.

Einzelne Stadträte können „allein“ bleiben, sich an eine bereits bestehende Fraktion anschließen oder mit mindestens zwei weiteren Einzel-Stadträten die Bildung  einer eigenen Fraktionsgemeinschaft anstreben. Nach Bestimmung der großen Fraktionen muss derzeit eine Fraktion aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. Vor einigen Jahren reichten sogar zwei Stadträte dafür aus. 

Der Fraktionsstatus ermöglicht bspw. die Finanzierung eines Mitarbeiters, der im Auftrag der ehrenamtlichen Stadträte wichtige Zuarbeiten erbringen kann. Das Ehrenamt eines gewählten Kommunalpolitikers kann ansonsten, mit all seinen vielfältigen Facetten, durchaus das Format einer „Vollzeit-Beschäftigung“ einnehmen. Ein Fraktions-Büro im Rathaus stellt die Erreichbarkeit der oftmals berufstätigen Ratsmitglieder sicher. Die Mitgliedschaft in einer Fraktion ist in Chemnitz zudem die Voraussetzung, um als Stadtrat in den Ausschüssen und Beiräten stimmberechtigt mitwirken zu können. Daher muss man als einzelnes Ratsmitglied abwägen, wie man sein Mandat möglichst sinnvoll einsetzt, um größtmöglichen Nutzen für die Bürger erreichen zu können.

Um beim Beispiel der WV Vosi zu bleiben, steht neben den Erwartungen ihrer Wählerschaft vor allem die bereits durch die Namenswahl selbstauferlegte Verpflichtung, als unabhängiger sozialer Interessenvertreter mitzuwirken.

In der vergangenen Legislaturperiode konnte die WV Vosi aufgrund von zwei Mandaten mit Stadtrat Toni Rotter von der Piraten-Partei eine Fraktionsgemeinschaft bilden. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der letzten Jahre ist zugleich Grundlage dafür, dass die beiden wiedergewählten Stadträte weiterhin zusammenarbeiten möchten. Eine „eigene“ Fraktionsgemeinschaft konnten diese jedoch nicht bilden, da sich der ebenfalls alleinstehende Stadtrat von „Die Partei“ der Fraktion „Die Linke“ angeschlossen hat.Von Linke(n), Bündnis 90/Grüne, und auch von SPD, CDU und FDP kamen Interessenbekundungen oder teilweise konkrete Angebote, deren Fraktionen beizutreten. Strategische Gründe für die Stärkung der eigenen Positionen im Stadtrat, seiner Ausschüsse sowie Beiratsgremien waren sicher vor allem der Antrieb für die teils sehr intensive Umwerbung. 

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Stadtrat kann ich sagen: Die eigentliche Ratsarbeit und Einflussnahme findet in den Ausschüssen statt! Als fraktionsloses Ratsmitglied bleibt man nach den Regeln, welche die großen Fraktionen gesetzt haben, in diesen wichtigen Gremien außen vor. Für die WV Vosi steht jedoch die Mitwirkung im Sozial-Ausschuss dabei ganz oben. 

Fünf Jahre sind eine lange Zeit, die sinnvoll für die Bevölkerung und Stadtentwicklung genutzt werden muss. Das geht nicht als Einzelkämpfer, als „Don Quichote“.

Ich möchte jedoch parteipolitisch ungebunden bleiben und sehe mich als Mittler von Sachpolitik zwischen den sozial ausgerichteten Fraktionen. Mir hat die grüne Stadtratsfraktion schon seit Beginn meiner Mitwirkung im Stadtrat freundschaftlich ihre Türe geöffnet, ohne Bedingungen zu stellen. Zudem gibt es für mich große persönliche Schnittstellen, wie achtsamer Umgang auf Augenhöhe, sozialpolitische Zielstellungen sowie beim Umweltschutz. Ich gehöre nun ebenso wie Toni Rotter für diese Legislaturperiode als Mitglied des Stadtrates der Fraktionsgemeinschaft Bündnis 90/Grüne an. Dabei bleibe ich parteilos und unterliege keinen Fraktionszwängen.  

Ich habe gute Partner an meiner Seite, welche mir für unsere Wählervereinigung die Mitwirkung im Sozialausschuss, im Seniorenbeirat und im Aufsichtsrat der CVAG ermöglichen.   In diesen Gremien kann ich mich nun nicht nur für die sozialen Belange unserer Bürger einsetzen, sondern auch aus diesen und zu Sachthemen des Stadtrates an dieser Stelle informieren. 

aus VS Aktuell 4/2019, erschienen im  VS Aktuell 4/2019 Aus der Stadtratsarbeit