Wenn ich etwas über die Deutsche Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz lese oder höre, muss ich stets auch an Vladimir Remek denken. Der erste Interkosmonaut aus unserem Nachbarland war von 2004 bis 2013 Abgeordneter des Europa-Parlaments in der Fraktion der Europäischen Linken. Und in dieser Funktion hat er sich stark dafür eingesetzt, dass der Geburtsort von Sigmund Jähn EU-Fördermittel für das neue Gebäude der Ausstellung bekam. Der moderne Bau konnte im März 2007 eröffnet werden. Mein Besuch dort war also auch eine indirekte Begegnung mit dem Tschechen. Direkte Zusammentreffen mit ihm hatte ich aber während meiner Prager Korrespondenten-Zeit Ende der 70er Jahre.
Der 28. April 1978, ein Montag, im und am Karolinum im Herzen der tschechoslowakischen Hauptstadt hat sich gewiss nicht nur mir besonders eingeprägt. Prag begrüßte seinen Kosmonauten in dem dafür prädestinierten ältesten Gebäude, der 1348 gegründeten Karlsuniversität. Und mit ihm wurden sein Raumschiff-Kommandant Alexej Gubarew, die Stammbesatzung der sowjetischen Orbitalstation „Salut 6“, Juri Romanenko und Georgi Gretschko, sowie der Leiter der Kosmonauten-Ausbildung Wladimir Schatalow umjubelt.
Der festliche Saal, auf dessen Podium die fünf Raumfahrer Platz genommen hatten, war rappelvoll. Viele Hauptstädter, die zur Begrüßung gekommen waren, mussten draußen warten. Remek und Gubarew berichteten über ihren Flug mit dem Raumschiff „Sojus 28“, über die Ankoppelung und den herzlichen Empfang auf der „Salut 6“. Dann informierte der Mann aus České Budějovice kurz über die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Romanenko und Gretschko. So hatte er die gezielte Erstarrung von Schmelzen in kristallischen Systemen zu studieren und den Einfluss der Schwerelosigkeit auf das Zellwachstum von Wasseralgen zu beobachten und festzuhalten. Lebte die Stammbesatzung bereits seit dem 10. Dezember 1977 in der Raumstation, so blieben ihre „Gäste“ nur sieben Tage, 22 Stunden und 17 Minuten im All.
Nachdem das Wesentliche vor den im Karolinum Anwesenden erst einmal gesagt war, begaben sich die Raumfahrer wieder ins Freie.
Begleitet von einer großen Menschenmenge schritten sie jetzt über die Železná, die Eisenstraße, geradewegs zum Altstädter Rathaus. Dort wurden sie bereits vom Prager Oberbürgermeister Zdeněk Zuska und weiteren Honoratioren erwartet. Dank meines Korrespondentenausweises gelangte ich ebenfalls in den großen Saal des Hauses. Dabei suchte ich im Gewimmel die Nähe der berühmten Persönlichkeiten, denen hier die Ehrenbürgerschaft Prags verliehen werden sollte. Bevor der OB zu seiner Begrüßungsrede anhob, als sich alle noch sortierten, erlaubte ich mir die Kühnheit und bat jeden der fünf Kosmonauten um ein Autogramm. Vorsorglich hatte ich dafür eine Gedenkkarte der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften mitgenommen, die anlässlich des Raumfluges ausgegeben worden war. Alle unterschrieben – Remek und Gubarew zuerst. Nur von General Schatalow bekam ich einen Anraunzer ob meiner dreisten Störung. Das Autogramm hat er mir aber auch gegeben. Dann sprach Zdeněk Zuska und die feierliche Zeremonie nahm den gewünschten Gang. Das Rathaus verließ ich an diesem Montag als der glücklichste Mensch.
Bereits knapp zwei Monate zuvor hatte ich eine Begegnung mit den Raumfahrern von „Sojus 28“ – allerdings über die Medien. In unserem ADN-Korrespondentenbüro, unweit der Jirásek-Brücke über die Moldau, erhielten wir natürlich ständig die Informationen der tschechoslowakischen Nachrichtenagentur ČTK. Von ihr erfuhren wir auch alles über das neueste Raumfahrtereignis am 2. März 1978, einem Donnerstag, also vom Start des ersten Interkosmonauten. Die Sowjetunion hatte mit den sozialistischen Ländern in der zweiten Hälfte der 70er Jahre das Interkosmosprogramm zur friedlichen Erforschung des Weltraums begonnen. Alle beteiligten sich, entsprechend ihrer Möglichkeiten, mit wissenschaftlichen und technischen Leistungen und mit sehr gut ausgebildeten Fliegern. Die bekamen dann im „Sternenstädtchen“ bei Moskau das Zeug zum Kosmonauten. Und der Auserwählte für den ersten Interkosmos-Flug war Vladimir Remek, Jahrgang 1948.
Über ČTK bekamen wir auch mit, dass die Prager Abendzeitung „Večerní Praha“ einen ersten ausführlichen Bericht gedruckt hatte. Das war am Donnerstag-Nachmittag. Schnell ergriff ich die Initiative, fuhr mit der Straßenbahn zum Wenzelsplatz und erstand dort für mich und meine Kollegen ein paar Exemplare der Zeitung. In großen Lettern titelte die Abendzeitung „UNSER KOSMONAUT IM WELTRAUM“. Das Blatt zeigte dabei auf Seite 1 ein großformatiges Foto von Remek und Gubarew in ihren Raumanzügen vor dem Start in Baikonur. So hatte ich eigentlich mein erstes Treffen mit den beiden.
Ungefähr ein Jahr nach der direkten Begegnung im Karolinum und im Altstädter Rathaus von Prag traf ich Vladimir und seine Frau Hana bei einem offiziellen Empfang. Sie hatten kürzlich geheiratet und freuten sich über meine herzlichen Glückwünsche zur Vermählung.
Nach seiner Mission im All übte Vladimir Remek verschiedene Tätigkeiten aus, die mit der Luft- und Raumfahrt zusammenhingen. Außerdem war er von 2014 bis 2018 Botschafter der Tschechischen Republik in Russland.
Meine Gedenkkarte mit den Autogrammen und das Sonderexemplar der Prager Abendzeitung habe ich der Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz übergeben, weil es dort besser aufgehoben ist.