Mit unserer Nase den betörenden Geruch einer Rosenblüte zu erkunden, lässt alle Sinne zum Wohlgefühl vereinen. Es ist ein tiefes, inneres Bedürfnis, die „Königin“ der Blumen nicht nur in ihrer Schönheit zu betrachten, sondern vor allem ihren Duft auf sich wirken zu lassen. Ganz automatisch schnuppert man an den Blüten, wenn man einen Blumengruß erhält. Nicht selten wird man dabei allerdings enttäuscht, denn nicht alle Blumen-Königinnen sind – abgesehen vom Aussehen – vollkommen. Speziell für den Handel als billige Schnittblumen gezüchteten Sorten haben oft nur wenig Duftvolumen. Namhafte Edelrosen (wie „Gertude Jekyll“) zeichnen sich deutlich von der Massenware ab. Das Beste hält jedoch Mutter Natur für uns bereit, bspw. die Essig-Rose (Rosa gallica) oder die Kartoffelrose (Rosa rugosa), beides bei uns häufig anzutreffende Wildrosen, die besonders gut und kräftig riechen. Es gibt kaum etwas Herrlicheres, als den Hiddenseer Hochuferweg entlang zu schlendern, der zur Kliffseite dicht von invasiven Kartoffelrosen bewachsen ist. Die Meeresbrise trägt den stimmungsaufheiternden Duft wie eine Droge. Man könnte darin getrost ertrinken. (Da ich nicht nur als Reiseleiter der Insel verfallen bin und noch oft dort sein möchte, lasse ich das „er“ vor „trinken“ weg und begnüge ich mich mit Hiddenseer Rosenbowle, deren Original-Rezept ich allerdings nicht verraten darf.) Für die Zeit, die ich nicht auf der Insel verbringen kann, muss geistiger und kulinarischer Ersatz gefunden werden. Und auch Sie, liebe Leser, müssen deswegen nicht alle auf das kleine Eiland reisen, bekanntlich blühen überall auf der Welt Rosen.
Rosen stammen ursprünglich aus Persien, gelangten über Kleinasien in den Mittelmeerraum und wurden von den Römern nach Mitteleuropa gebracht. Bereits in der Antike wurden sie verehrt und man wusste, ihre Heilkräfte zu nutzen. So ist überliefert, dass Karl „Der Große“ die Landgüter zum Anbau von Rosen verpflichtete.
Um den Wohlgeruch einzufangen, gibt es einige Möglichkeiten. Die simpelste ist, am besten vormittags sorgsam einige Hände voll von frischen Blütenblättern zu pflücken und diese auf ein aufgespanntes Leinen- oder Baumwolltüchlein zum luftigen Trocknen an schattiger Stelle zu legen – und keinesfalls in den Ofen. Nach einigen Tagen lässt sich damit duftender „Rosen-Zucker“ herstellen. Auf 2/3 Zucker kommen 1/3 getrocknete Blütenblätter, welche mit einem Mörser gemeinsam mit dem Zucker fein zerstoßen werden. In schicke Gläser gefüllt und mit Rosenblättern dekoriert, lassen sich liebevolle Präsente herstellen. Der aromatische Zucker kann vielseitig für Getränke und Süßspeisen verwendet werden.
Getrocknete Blütenblätter von unseren Wildrosen sind vor allem als Tee eine Wohltat. Rosenblüten bezaubern also auch die Geschmacksnerven. Je nach Sorte variiert der Geschmack von süßlich mild zu leicht säuerlich, wie wir es auch von den Hagebutten kennen. Aber auch bitterliche Gerbstoffe können sich hervortun, besonders wenn die Blätter zu lange im heißen Wasser ziehen. Das kann ggf. zu Unbehagen im Magen führen. Pro Tasse einen gehäuften Teelöffel mit heißem Wasser übergießen und sofort abdecken, sonst verflüchtigen sich die wertvollen ätherischen Öle. Zwischen 5 und 8 Minuten Ziehzeit sind optimal. Der Tee duftet herrlich und vermag nicht nur die Stimmung zu heben, sondern stärkt als „Seelentröster“ Herz und Nerven, hat krampflösende Eigenschaften und ist entzündungshemmend (Magen, Halsschmerzen, Zahnfleisch usw.). Äußerlich lässt er auf einer Kompresse müde Augen wieder strahlen und ist als Zusatz für Aromabäder krampflösend bei Rückenschmerzen.
Im Prinzip ist jede duftende Rose geeignet, wenn diese frei von chemischen Hilfsmitteln wachsen und gedeihen konnte. Daher sollte man auf keinen Fall die Blumen vom Supermarkt oder Floristen entblättern. Am besten sind die Blüten aus freier Natur (wildwachsend), aus dem eigenen Garten oder kultiviert von einem „Bio-Freund“. Wer keinen Zugang zu solchen Exemplaren findet, kann in den Apotheken nachfragen oder sich über das Internet beste Ware bestellen. So gibt es bspw. Rosenöl, Rosenwein, Rosenlikör, Rosengelee u. v. m.
Hinweis: Manche Menschen können allergisch auf Anwendungen von Zubereitungen mit Rosenblüten reagieren. Vor allem der interessante Inhaltsstoff Geraniol, welcher übrigens wachstumshemmend auf Bakterien, Pilze und möglicherweise auch Tumoren wirken kann, hat in hoher Konzentration Allergiepotenzial und wird in der Parfümindustrie verwendet. Daher ist vorher ein kleiner Test auf der Haut nützlich, um die Produkte ohne Unbehagen verwenden zu können. Auch die Gerbstoffe, besonders bei dunkelroten Rosensorten, können pelzig unangenehm schmecken und zu Magenreizungen führen. Daher sind unsere heimischen Wildrosensorten zum Zwecke des Verzehrs zu bevorzugen.
Abschließend noch mein ganz persönlicher Favorit, für die einfache Herstellung eines erfrischenden Getränkes mit „Hiddenseer-Bowle-Charakter“: Die frisch geernteten Blütenblätter von fünf duftenden Wild-Rosen in Weiß- oder Roséwein (halbtrocken) geben. Zur Intensivierung kann noch Rosen-Sirup beigefügt werden. Einige Stunden (mind. einen halben Tag) ziehen lassen. Die Rosenblätter anschließend abseihen und in ein Bowle-Gefäß geben. Kurz vor dem Genießen mit sehr kaltem „halbtrockenen“ Sekt aufgießen und Eiswürfel hinzugeben. Zum Servieren einige Rosenblätter dekorativ in die Gläser legen. Dieses Rezept lässt sich vielseitig abwandeln. Ein Original-Hiddenseer würde allerdings noch etwas Klares bzw. „Hartes“ beifügen oder gleich auf den ganzen Rosen-Schmus ringsrum verzichten. „Na denn man Prost!“