Angst vor Corona habe ich nicht. Mein Motto: wenn es mich treffen soll, dann trifft es mich, auch wenn ich noch so vorsichtig bin. Natürlich halte ich die Regeln so gut wie möglich ein. (1,50 Meter Abstand halten ist für uns Blinde dann nicht möglich, wenn wir geführt werden müssen.) Vielleicht war das der Grund für ein Problem, das ich weiter unten schildern werde.
Als blinde Rentnerin bin ich gern aktiv, wobei mir Inklusion sehr wichtig ist. Seit fast dreißig Jahren singe ich in Chören gemeinsam mit Sehenden, seit drei Jahren auch im Chor der Volkssolidarität, der zur Zeit auch nicht proben kann. Nun singe ich zu Hause, damit die Stimme nicht „rostet“. In den letzten Jahren war ich an zwei inklusiven Projekten beteiligt, von denen das eine, die Dauerausstellung im SMAC betreffend, wegen Corona erst einmal unterbrochen wurde. Durch diese Aktivitäten fand ich Freundinnen, die mich bei Unternehmungen und auch im Alltag bei Spaziergängen, Einkäufen, Arzt- und Behördenbesuchen
begleiten. Auch nutze ich gern den Begleitassistenzdienst der Diakonie. Dieser Dienst vermittelt zurzeit keine Begleitungen, bietet aber die Lieferung von Einkäufen vor die Wohnungstür an. Solche Angebote gibt es einige, viele übers Internet. Verhungern müssen wir
Älteren und Behinderten also nicht. Das finde ich gut. Allerdings haben sich auch meine älteren Freundinnen zurückgezogen, weil ihre Ehemänner wegen Vorerkrankungen gefährdet sind. Eine von ihnen bot mir an, die Einkäufe mit dem Auto zu bringen. Ihre Ängste kann ich verstehen und bin deshalb auch nicht böse. Traurig war ich aber doch, weil ich bei diesem schönen Wetter nicht in der Wohnung versauern wollte. Zwar habe ich einen Balkon und kann in der Wohnung Gymnastik machen, aber das ersetzt nicht die Bewegung an frischer Luft, die nicht verboten ist und in den Medien immer wieder empfohlen wird, weil sie das Immunsystem stärkt. Das brauchen wir heute mehr denn je. Aber wie soll das gehen, wenn man dafür Begleitung braucht? Mit diesem Problem war ich sicher nicht die einzige. Ein blinder Bekannter formulierte es noch drastischer: „Wir werden wie Aussätzige behandelt.“
Weil ich im wahrsten Sinn des Wortes nie das Licht der Welt erblickt habe, traue ich mich nicht allein mit dem Langstock raus, zumal es auf den Fußwegen durch Radfahrer, parkende Autos und andere Hindernisse für mich immer schwieriger wird. Wie sollte es also weitergehen?
Diese Schwierigkeit habe ich nun überwunden und bin sehr zufrieden. Eine junge Frau, die ich vom Projekt her kenne und die zur Zeit kaum Arbeitsaufträge hat, erklärte sich sofort bereit, mich zu begleiten, was sie früher auch schon tat, wenn es ihre Zeit erlaubte. Um sie nicht zu überlasten, wendete ich mich an das Freiwilligenzentrum der Caritas. Normalerweise durfte man mir auch dort keine direkten Kontakte vermitteln, aber Frau Förster und ihre Mitarbeiterin zeigten viel Verständnis für mein Anliegen. Natürlich wurde ich auf die derzeit geltenden Regeln hingewiesen. Schon am nächsten Tag meldete sich eine Studentin, die in meiner Nähe wohnt und somit nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Sie begleitet mich nun regelmäßig und wir kommen menschlich gut miteinander aus.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Frau Förster für ihre unbürokratische Hilfe. Auch das ist Inklusion.
Sehr zufrieden bin ich nach wie vor mit der Belieferung von Mittagessen und dessen Qualität von der Zentralküche der Volkssolidarität trotz Corona.
Für die Einschränkungen des öffentlichen Lebens habe ich Verständnis und kann nur hoffen, dass sie die gewünschte Wirkung zeigen, um das Virus zu bannen.