Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse
„30 Jahre nach der Wiedervereinigung wurde durch große Anstrengungen in Ost und West viel erreicht, worauf wir gemeinsam mit Stolz zurückblicken können. Viele der zu lösenden Probleme, wie die Gewährleistung sozialen Zusammenhalts oder die Bekämpfung von sozialer Spaltung und Armut, können heute nicht mehr aus dem Blickwinkel des Ost-West-Vergleiches betrachtet werden. Dennoch gibt es weiter gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen Lage zwischen der alten Bundesrepublik und den sogenannten neuen Ländern. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse – eine Verpflichtung aus dem Einigungsvertrag – ist eine weiter ausstehende Aufgabe.
Es ist zum Teil nicht erklärbar, warum seit Jahren der Ausgleichsprozess stagniert, das betrifft Arbeitszeiten, Löhne, Gehälter und Renten. Hier fehlt der politische Wille, den Einigungsvertrag zügig und vollständig umzusetzen. Das Einkommen der Ostdeutschen an das Westniveau anzugleichen, ist auch nach drei Jahrzehnten nicht gelungen. Die ungleichen Lebensverhältnisse führen in vielen strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands, die zudem von einem hohen Niedriglohnbereich geprägt sind, zu einer geringeren Lebenserwartung und einer dramatischen Bevölkerungsentwicklung.
Wucht demografischer Veränderungen
Die Berichte zur Deutschen Einheit, die von der Bundesregierung regelmäßig vorgelegt werden, verkennen durchweg die Wucht der demografischen Veränderungen, die sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vollzogen haben. Durch fast zwei Millionen Abgewanderte und die geringe Geburtenrate in den Neunzigern ist der Anteil junger Menschen rasant gesunken. Die Auswirkungen für die Wirtschaftskraft, den Fachkräftebedarf und die Pflegekapazitäten sind im Osten besonders gravierend. Als Sozial- und Wohlfahrtsverband, der vor allem in Ostdeutschland aktiv ist, fordert die Volkssolidarität eine gezielte Strukturpolitik, um den ostdeutschen Regionen Entwicklungschancen zu geben und der zunehmenden sozialen Spaltung und dem demografischen Trend entgegenzuwirken.
Leistungen der Ostdeutschen anerkennen
Ostdeutsche sollen durchaus auch stolz sein dürfen, auf das, was sie in die Deutsche Einheit eingebracht haben. Es gab nicht nur marode Betriebe, die von der Treuhandanstalt verramscht wurden. Es gab ein international anerkanntes Bildungssystem, es gab Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Familienbild sowie die Familiengesetzgebung waren jahrzehntelang fortschrittlicher als in der alten Bundesrepublik. Für ostdeutsche Mütter war es meist selbstverständlich, berufstätig zu sein und die Kinder während der Arbeitszeit in Krippen und Kindergärten unterzubringen. Die Negierung von Leistungen von Menschen in der DDR ist eine Ursache demokratieskeptischer Tendenzen.
Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken
Über die Hälfte der Ostdeutschen fühlen sich als Bürger/-innen zweiter Klasse sowie in Politik, Wirtschaft und Kultur unterrepräsentiert. Gesellschaftliche Veränderungen und politische Antworten in den letzten Jahren sind auf soziale Lagen, Verunsicherungen und Sorgen getroffen. Resultate waren Politikverdrossenheit bis hin zu Ablehnung demokratischer Grundprinzipien, Fremdenfeindlichkeit und Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts. Die Politik, aber auch die Zivilgesellschaft, muss entschieden handeln, um diesen Tendenzen entgegenzuwirken.
Einheit sozial gestalten
Für die Menschen in Ostdeutschland ist die Einheit Deutschlands nach wie vor mit gleichwertigen Lebensverhältnissen verbunden. Wer die Einheit von Ost und West schaffen will, darf die in Ostdeutschland gewachsene soziale Spaltung nicht aus dem Auge verlieren. Die Gesellschaft steht mit Blick auf die Herstellung der inneren Einheit Deutschlands vor neuen Herausforderungen. Das gilt auch für die Volkssolidarität. Wir werden uns wie bisher dafür einsetzen die Einheit unseres Landes sozial zu gestalten, ganz nach dem Motto unseres Verbandes Miteinander – Füreinander.“