„Bärenöhrchen“-Aurikel

Einst beliebt, heute eine fast vergessene Primel-Art

Das Alpen-Aurikel (Primula auricula) erfreut den Blumenliebhaber von März bis Ende Mai mit seinen lieblichen, meist gelben, Blüten. Wie für viele andere Primel-Arten auch, weist die botanische Bezeichnung aus dem Wörtchen Primus auf das zeitige Blühen hin.

Die „Primel-Familie“ mit ihren vielfältigen Arten (rund 500), Kreuzungen und Züchtungen ist recht groß. Doch nur Primula auricula hat als Besonderheit fast sukkulentartige Blätter. Diese schützen mit ihrer wachsartigen Oberfläche die kleinen Pflanzen vor Verdunstung, denn am Ursprungsort im alpinen Gebirge herrscht eine starke Sonneneinstrahlung. Im Volksmund trägt das Alpenaurikel aufgrund seiner markanten Blätterform auch den liebevollen Kosenamen „Bärenöhrchen“.

Charakteristisch und sehr interessant anzuschauen ist es auch durch die weiße mehlige Substanz, welche sich auf den Blättern und Blütenstengeln befindet, als hätte man Puderzucker darüber gestreut. Primula auricula liebt am natürlichen Standort kalkhaltige Gesteinsnischen. Das sollte bei der Kultivierung im Garten nachempfunden werden. Die fleischigen Wurzeln (Rhizome) vertragen keine Staunässe. In einem lehmig feuchten Gartenboden faulen diese leider – vor allem im Winter – schnell. Eine gut drainierte Bodenstruktur bewahrt die Pflanze vor diesem Schicksaal. Daher ist eine erhöhte Position in einem Steinbeet eine gute Wahl. Für Balkon oder Fensterbrett eignen sich höhere Gefäße sowie tiefe Pflanztöpfe, in welchen bspw. eine Schicht Kies das Abfließen überschüssigen Wassers ermöglicht. Die Vermehrung erfolgt über Samen oder schneller über von der Mutterpflanze gebildete Ableger.

Frühjahrs-Tipp

Die kleinen immergrünen Blattrosetten, mit ihren lieblich anmutenden Blüten, können auch zur Bepflanzung alpiner Mini-Landschaften genutzt werden, ideal mit Edelweiß, Enzian und Polster-Glockenblumen, Steinrosen (Hauswurz = Sempervivum) und verschiedenen Steinbrecharten. 

Historisches

Die urtümliche Art hat einen leichten „Wohlgeruch“. Daher kommt auch der Brauch, dass Burschen die Blütenstengel aus den Bergen für ihre Liebsten pflückten. Damit zeigten sie, dass sie es ernst meinen, denn das „Bärenöhrchen“ kann im Gebirge oft nur unter mühsamen Aufstieg entdeckt werden. So kam die Pflanze zunächst in die Gärten der Bergbauern. Später entstanden aus dem ursprünglichen Gelb neue Kreuzungen („Bastard“-Aurikel), welche mit violetten, roten und bräunlichen Blüten und farblich abgesetzter Mitte (Auge) das Sammelfieber begeisterter Blumenfreunde ankurbelte. Ja, ganz ähnlich wie bei Tulpen und Rosen entstanden historisch belegbare Hochzeiten, welche kostbare Aurikel-Schätze im Wetteifer der Züchter vielgestaltige Blütenfarben und -formen entstehen ließen. Sie wurden als Sammelobjekte („Schauaurikel“) in speziellen Töpfen kultiviert und die Kollektionen in eigenen „Theatern“, zumeist in kunstvollen Holzvitrinen, ausgestellt. Manches kapitales Adels-Schloss schmückt sich noch heute im Außenbereich mit einer solchen, inzwischen sehr selten gewordenen, Vitrine.

Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war in der Volksheilkunde die Verwendung von Blüten und Rhizomen des Alpen-Aurikels weit verbreitet. Diese wurden u.a. gegen Schwindelanfälle und körperliche Schwäche eingesetzt. Das Alpen-Aurikel steht heute unter Naturschutz. 

Etwas Vorsicht sollte man beim Umgang mit Aurikeln jedoch walten lassen. Wie viele Primelarten auch, enthalten die Pflanzen „Primin“. Mancher reagiert auf diese Substanz allergisch, bspw. bei Berührung der Blätter mit einem Hautausschlag. Bei den Alpen-Aurikeln hält sich das Allergie-Potential zumeist gering, man sollte es einfach nur wissen. Genießen Sie den Frühling und lassen sich doch einmal Aurikeln schenken …

aus VS Aktuell 1/2021, erschienen im  VS Aktuell 1/2021 Blumen- und Gartentipps