„Jetzt ziehen wir das Nachthemd an!“, bat einmal Claudia Kidszun eine ältere, liebenswürdige und an Demenz leidende Dame, als sie diese in den Abendstunden versorgte und das Bett bereitet hatte. „Was, du ziehst dir das Nachthemd an?“, fragte darauf die Seniorin. „Nein, mein Mann ist Zuhause“, entgegnete die Pflege- und Betreuungskraft der Sozialstation »Zwirnereigrund« in Mittweida. „Und du meinst, dass du da zum Schlafen kommst!“, kommentierte die Dame. Eine solch schlagfertige Antwort hätte Claudia Kidszun nicht erwartet und so war sie erst einmal baff.
Es sind genau diese Momente, die sie an ihrer Arbeit mag. Jeder der von ihr betreuten Menschen sei anders, ebenso jeder Tag und jede der vielen Herausforderungen, denen sie sich mitunter stellen müsse. Die betreuten Menschen sollten so akzeptiert und respektiert werden, wie sie sind. „Mein Job ist eben keine Fließbandarbeit“, sagt die 50-Jährige.
Die gebürtige Leipzigerin und spätere Chemnitzerin wollte ursprünglich den Beruf des Facharbeiters für Kunstlederherstellung erlernen. Die Ausbildung konnte sie jedoch nicht fertigstellen, die Wende kam dazwischen. Sie sei nicht traurig darüber gewesen, da die Aussichten in diesem Beruf schon bald ohnehin recht düster gewesen wären. Statt Trübsal zu blasen, ließ sie sich zum Pflegehelfer umschulen und wechselte damit in eine Branche, der sie bis heute die Treue hält. Die Arbeit führte sie in die Ferne. So war sie bspw. viele Jahre in einem niedersächsischen Pflegeheim beschäftigt. Die Liebe brachte sie dann wieder zurück nach Sachsen, in den Landkreis Mittweida. Hier kam sie im April 2015 zur Volkssolidarität.
Als Pflege- und Betreuungskraft der Sozialstation »Zwirnereigrund« fährt Claudia Kidszun nicht nur durch die Straßen von Mittweida und Altmittweida, um die von ihr betreuten Menschen zu besuchen. Oft muss sie nur einige Meter laufen, wenn sie einen Mieter der Wohnanlage besucht, in der sich die Sozialstation befindet. „Die Senioren fühlen sich sofort wohl, wenn Claudia Kidszun den Raum betritt“, berichtet Sandra Pinkert, die Leiterin der Einrichtung, „Sie schätzen ihren offenen und freundlichen Charakter. Sie ist eine Mitarbeiterin ohne Launen, die oft über den Tellerrand hinausschaut und unsere Pflegefachkräfte unterstützt, wo immer es geht.“ Das mache sie auch gerne, denn wo die Kollegen bei der Behandlungspflege oft auf die Uhr schauen müssen, um die von den Kassen vorgegebenen Zeiten einzuhalten, habe sie bspw. bei der Grundpflege mehr Zeit. Sie könne deshalb mehr mit den von ihr betreuten Menschen sprechen. Und so hilft sie ihnen je nach Bedarf beim Aufstehen und zu Bett gehen, unterstützt sie bei der Körperpflege, geht ihnen bei der Ernährung zur Hand und plauscht dabei gerne mit den Senioren. „Es ist wichtig, ein paar Worte zu wechseln“, berichtet Claudia Kidzun, „die meisten bekommen nicht allzu oft Besuch.“
Was eine Pflege- und Betreuungskraft bei ihren Besuchen in den Wohnungen der Patienten erledigt, muss dokumentiert werden. Noch geschieht das auf Papier, doch schon bald stellen sich die Sozialstationen der Volkssolidarität Chemnitz der Digitalisierung. „Die Mitarbeiter können dann digital vor Ort über vorformulierte Bausteine viel schneller und einfacher ihren Bericht bereits erfassen“, sagt Sandra Pinkert. „Zudem haben wir dann nur noch ein Medium für die Kommunikation, die jetzt noch über Übergabebuch, Berichtsblätter und mündlich geschieht.“ Auch Claudia Kidszun sieht die Vorteile des technischen Fortschritts: „Sicher, daran muss man sich erst herantasten. Für Neues bin ich jedoch gerne offen.“
Auch wenn es so klingen mag: Bei ihrer Arbeit ist sie keinesfalls eine Einzelkämpferin. Früh am Morgen, um 6 Uhr, trifft sich das Team in der Sozialstation. Der Tagesablauf werde besprochen, einzelne Besonderheiten und Änderungen abgestimmt. Zur Frühstückspause treffen sich die Kollegen wieder und tauschen sich über den einen oder anderen Patienten aus. „Alles geht Hand in Hand“, freut sich Claudia Kidzun, „Sowohl die Pflegefachkräfte als auch unsere Chefin haben stets ein offenes Ohr für uns. Wir sind nicht auf uns allein gestellt.“ Neben den täglichen Begegnungen findet gewöhnlich einmal im Monat eine Teamberatung statt. Sandra Pinkert gestaltet diese so gemütlich wie möglich, stellt Obst auf den Tisch und lädt damit zu einer offenen Gesprächsrunde ein. Aktuelle Informationen aus dem Verein, aus der Sozialstation oder dem Sozialen Zentrum »Zwirnereigrund« werden ausgetauscht. „Die Mitarbeiter bringen dabei viele Ideen ein. Diese sind für die Arbeitsprozesse wichtig und fehlen gerade“, berichtet die Einrichtungsleiterin, „Gegenwärtig können wir unsere Beratungen aufgrund der Corona-Pandemie nicht durchführen. Vieles kann daher vorerst leider nur schriftlich laufen.“ Die persönlichen Begegnungen, das gelebte Miteinander und Füreinander fehle den Kollegen. Ebenso wie ihre Chefin ist auch Claudia Kidszun dennoch zuversichtlich: „Das Team wird so bleiben, wie es ist, weil wir alle wie eine Familie sind.“