Wie können wir gemeinsam Armut beseitigen? Diese Frage wurde in zahlreichen Impulsen, Debatten und Workshops beim Digitalen Aktionskongress vom 10.-12. Juni 2021 unter dem Motto „Armut? Abschaffen!“ mit über 500 angemeldeten Teilnehmenden, darunter auch von der Volkssolidarität, diskutiert.
Erstmals war der Fokus klar auf zivilgesellschaftliche Vernetzung und konkrete Aktionen im Kampf gegen Armut – unter Mitwirkung zahlreicher Aktivist*innen, Initiativen und Organisationen aus der Sozialen Arbeit und von Armut Betroffenen gerichtet. Damit setzte der Paritätische Gesamtverband ein starkes Signal in Richtung Bundestagswahl. „Der Kampf gegen Armut gehört ganz oben auf die Agenda des Bundestagswahlkampfes und ist für alle im sozialen Bereich Tätigen sowie für Betroffene von großer Bedeutung“, so die Organisatoren, die mit dem Kongress einen Beitrag zur selbstbestimmten Vernetzung von Menschen, „die Armut in diesem reichen Land leid sind und nicht bereit sind, diese weiter hinzunehmen“ leisteten. Ziel des Kongresses war es öffentlichen Druck auf gesellschaftliche Veränderungen auszuüben und durch Engagement den politischen Druck zu erhöhen.
Nach der offiziellen Eröffnung des Kongresses durch den Vorsitzenden des Paritätischen Gesamtverbandes Prof. Dr. Rolf Rosenbrock am Donnerstagabend hielt Autorin Anna Mayr ein Plädoyer für ein sozialpolitisches Neudenken und erklärte warum es sich für alle lohnt die Gesellschaft gerechter zu machen.
„Wir wissen langsam genug über Armut, es wird geforscht, analysiert, bedauert, aber die Armut wächst und wächst!“, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes in seinem Input zu Beginn des zweiten Tages des Aktionskongresses. Er betonte, dass seit 2001 die Seitenanzahl der Armutsberichte der Bundesregierung immer mehr zunahmen und die Armutsquote von 12, 4 Prozent auf aktuell 16 Prozent stieg. Das heißt etwa 13 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut betroffen. „Wir wollen Armut nicht bekämpfen, wir wollen sie beseitigen! Wenn wir ehrlich sind, es funktioniert nur, wenn die, die viel haben, etwas abgeben. Wir werden Veränderungen erstreiten müssen.“
Ein Schwerpunkt des Kongresses waren Strategien gegen Armut vor Ort. In Praxisbeispielen der sozialen Arbeit mit und für einkommensarme Menschen und Impulsen aus der Praxis zu den Themen Wohnungslosigkeit, Altersarmut, Armut von Migrant*innen, Arbeitslosigkeit und aus der Kinder- Jugendhilfe berichteten die Referent*innen über ihre Arbeit und Initiativen gegen Armut.
Dieser Aktionskongress bot erstmals Menschen eine Bühne, die selbst Armutserfahrungen gemacht haben oder einkommensarm sind. Mutig, ehrlich und eindrucksvoll schilderten sie ihre Erfahrungen und Geschichten und ermutigten andere Betroffene. Ein besonders kämpferisches Statement gab Sarah-Lee Heinrich in ihrer motivierenden Rede Kämpfe? Gewinnen! ab. „Nichts habe ich mir mehr gewünscht, als aus der Armut rauszukommen, diese Ungerechtigkeitserfahrung hat mich politisiert,“ erklärt die Aktivistin, die selbst Armutserfahrungen gemacht hat und heute gegen soziale Ungerechtigkeit kämpft. Sie stellt wie viele der Akteur*innen klar, dass die soziale Spaltung aktuell so groß ist wie nie zuvor und die Corona-Krise die soziale Spaltung verschärft hat. „Betroffene brauchen keine Tipps, wie mit den Hartz-IV-Bezügen zurechtzukommen ist, es reicht einfach nicht! Die Barrieren sind in jeglicher Hinsicht zu hoch.“
Am Ende der drei sehr spannenden, bewegenden und beeindruckenden Kongresstage und des respektvollen und wertschätzenden Umgangs miteinander war klar: Wir alle wollen Armut abschaffen! Was hilft gegen Armut: Geld für ein menschenwürdiges Existenzminimum, keine Sachleistungen, keine Bildungs- oder Teilhabepakete. Armut braucht eine Lobby!
Eine ausführliche Dokumentation des Aktionskongresses gegen Armut mit Aktionskongress-Filmen von und mit Armutsbetroffenen und Veranstaltungsmitschnitten des Paritätischen Gesamtverbandes ist unter www.aktionskongress.de zu finden.