Der 21. Oktober 2021 war besonders stürmisch, auf den Fußwegen und Straßen lagen abgebrochene Äste, kurze Schauer peitschten mitunter kräftig ins Gesicht. Tief „Hendrik“ war sicherlich ein Grund, dass manch einer der „Dankeschön-Veranstaltung“ der Volkssolidarität Chemnitz fernblieb. Etwa 150 der 250 eingeladenen Mitglieder trotzten dem schlechten Wetter und erschienen pünktlich im Foyer des kleinen Saales der Stadthalle Chemnitz, der seit wenigen Monaten offiziell Carlowitz-Saal im Carlowitz Congresscenter genannt wird.
Aufgrund der Corona-Pandemie musste 2020 die jährlich stattfindende Auszeichnungsveranstaltung der Volkssolidarität Chemnitz ebenso wie die Dankeschön-Veranstaltung für die ehrenamtlichen Helfer der Wohn- und Interessengruppen ausfallen. Der Stadtverband verlegte daher 2021 die angedachte Veranstaltung in einen größeren Saal, um die Auszuzeichnenden 2020 und 2021 sowie die Ehrenamtlichen der Wohngruppen einzuladen, und bat das „Studio W. M.“ um die künstlerische Ausgestaltung des Nachmittags sowie Carsten am Kla4 um die musikalische Begleitung des Kaffeetrinkens.
Die Pandemie bestimmte dennoch geringfügig das Bild der Veranstaltung, die unter den geltenden 3G-Regelungen durchgeführt werden konnte. Wer nicht geimpft oder genesen war und kein negatives Testzertifikat dabei hatte, konnte sich vor Ort von der Volkssolidarität testen lassen. Am Platz angekommen, durften die Mitglieder ihre Masken abnehmen. Carsten am Kla4 spielte bereits auf ebendiesem und verkürzte musikalisch die Wartezeit bis zum Beginn der Veranstaltung, die nach einem Titel des „Studios W. M.“ von Andreas Lasseck eröffnet wurde.
Der Vorsitzende der Volkssolidarität Chemnitz ging auf die gegenwärtig „spezielle Zeit“ ein und erinnerte an den 70. Jahrestag der Volkssolidarität. Damals hätte man sich nicht vorstellen können, dass eine Pandemie einmal das öffentliche Leben derart einschränke. Wenn jemand gesagt hätte, dass die Mitglieder der Volkssolidarität sich zu ihrer 75-Jahrfeier 2020 zunächst gar nicht und erst ein Jahr später mit Maske und möglichst Impfausweis sehen können, hätte man ihm einfach nicht geglaubt. Umso mehr sei er den Mitgliedern dankbar, die sich füreinander und für ihre Mitmenschen und Nachbarn einsetzen: „Sie haben diesen Menschen und der Volkssolidarität die Treue gehalten.“ Der Dank gelte ihnen jedoch nicht nur für die vergangenen anderthalb Jahre. Viele leisten bereits viele Jahre und sogar über Jahrzehnte hinweg eine unverzichtbare und hoch anzuerkennende ehrenamtliche Arbeit. Mit viel Engagement würden sie anderen Menschen tagein, tagaus helfen und dazu beitragen, das Alleinstellungsmerkmal der Nachbarschaftshilfe unter den Wohlfahrtsverbänden zu bewahren. „Als Vorsitzender bin ich stolz auf die Arbeit eines jeden Einzelnen und darauf, dass Sie alle getreu nach dem Motto ‚Miteinander – Füreinander‘ diese besondere Gemeinschaft der Volkssolidarität bereichern“, resümierte Andreas Lasseck.
Geschäftsführerin Ulrike Ullrich tauchte nach dem Kaffeetrinken mit den Gästen in die langjährige Geschichte der Volkssolidarität in Chemnitz und in die einzelnen Jahrzehnte der runden Mitgliedschaften ein.
So ist 1952 aus der unbezahlten Nachbarschaftshilfe die Hauswirtschaftspflege als bezahlte Tätigkeit geworden. Als Anlaufstelle, Mittagsessenausgabe und Kommunikationsort eröffnete 1958 in der Limbacher Straße 138 der erste Klub der Volkssolidarität. Eine Veteranenakademie, damals ein Novum, wurde gegründet. Für Alleinstehende und betagte Menschen sind jedes Jahr Weihnachtsfeiern mit Kaffee und Kuchen, Abendessen und Kulturprogramm organisiert worden. Zu dieser Zeit kamen 1960 und 1961 diejenigen Mitglieder zur Volkssolidarität, die für nun ihre 60-jährige Mitgliedschaft geehrt wurden.
Ab 1969 gab das Sekretariat des Zentralausschusses monatlich Lehrbriefe zur Qualifizierung im Bereich soziale und pflegerische Betreuung heraus. Acht Jahre später wurden 22 Hauswirtschaftspflegerinnen als erste Brigade in Karl-Marx-Stadt mit dem Titel „Brigade für hervorragende Solidaritätsarbeit“ ausgezeichnet und erhielten neben einer materiellen Anerkennung die Wanderfahne der Volkssolidarität. Damals entwickelte sich die Timurbewegung, bei der sich Kinder und Jugendliche verpflichteten, insbesondere in der kalten Jahreszeit ältere Bürger beim Beheizen der Wohnungen zu unterstützen, für sie einzukaufen und Besorgungen zu erledigen. Zu dieser Zeit traten 1970 und 1971 diejenigen Mitglieder in die Volkssolidarität ein, die für ihre 50-jährige Mitgliedschaft geehrt wurden.
Vorwiegend für Pionier- und FDJ-Veranstaltungen wurde das 1979 im Klub Horst-Menzel-Straße eingerichtete Traditionszimmer genutzt. Im gleichen Jahr gründete die Klubleiterin den ersten – und heute noch bestehenden – Chor der Volkssolidarität. Dem Beispiel folgten bald weitere und bis Mitte der 80er gab es mehr als 30 Chöre und Singegruppen der Volkssolidarität im Bezirk Karl-Marx-Stadt. 1980 sowie 1981 stießen die Mitglieder zur Volkssolidarität, die für ihre 40-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet wurden.
Im Namen des Bundesverbandes der Volkssolidarität wurden die Mitglieder, die 2020 und 2021 auf ein 40-, 50- oder 60-jähriges Mitgliedschaftsjubiläum zurückblicken können, mit einer Mitgliedschaftsnadel ausgezeichnet, um ihnen für ihre jahrzehntelange Treue der Volkssolidarität gegenüber zu danken. Diese und die entsprechenden Urkunden wurden coronabedingt nicht übergeben, sondern konnten nach der Veranstaltung am Ausgang des Saals abgeholt werden.
Besonders engagierte Mitglieder wurden anschließend ausgezeichnet. Diejenigen, die eine Ehrenurkunde erhielten, fanden diese in einer Mappe an ihrem Platz vor. Die Solidaritätsnadeln in Silber und Bronze wurden nach dem Aufruf des Namens jeweils per Boten an den Platz gebracht. Nur Ursula Tautrim wurde als einziges Mitglied auf die Bühne gebeten, da sie aufgrund ihres jahrelangen Wirkens als Mitglied, Hauptkassiererin und dann Leiterin der Wohngruppe 071 mit einer Goldenen Ehrennadel ausgezeichnet wurde. Ihr Engagement gelte jedoch nicht nur ihrer Wohngruppe, so Ulrike Ullrich, sondern auch bedürftigen Kindern, Jugendlichen und Babys der Geburtenstation im Städtischen Klinikum, denen sie seit vielen Jahren teils filigrane Anziehsachen strickt.
Eine ganz besondere Gratulation erhielt an diesem Nachmittag das „Studio W. M.“, welches dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiern konnte. Ulrike Ullrich blickte zurück auf vergangene Auftritte für die Volkssolidarität Chemnitz und überreichte als Dank für die stets gute Zusammenarbeit dessen langjährigen Leiter Wieland Müller und den neuen Leiterinnen Susanne Müller-Kaden und Claudia Müller-Kretschmer jeweils einen Schutzengel der Volkssolidarität. Mit einem bunten und abwechslungsreichen Programm begeisterten die Sängerinnen und Sänger der Werkstatt für Theater und Musik das Publikum. Wieland Müller stellte die jungen Musical-Stars vor und führte durch den musikalischen Teil des Nachmittags.
Zum Abschluss ergriff der Vorsitzende noch einmal das Wort. Andreas Lasseck bedankte sich bei den Akteuren auf der Bühne sowie dem Leiter der Mitgliederbetreuung Andreas Wolf-Kather und seinen haupt- und ehrenamtlichen Helfern, die ihm bei der Vorbereitung und Durchführung zur Hand gegangen sind, für ihre „logistische Meisterleistung“.
Berührende Worte fanden einige Mitglieder nach der Veranstaltung. Sie gäbe ihnen wieder Lebenskraft, lasse sie nach der langen Zeit voller Einschränkungen durch die Corona-Pandemie wieder nach vorn schauen und stärker am öffentlichen Leben teilnehmen.