Mitunter etwas Besonderes: Das Weihnachtsmenü für junge Menschen

Es ist schon zur guten Tradition geworden: Seit über 15 Jahren laden die Volkssolidarität Chemnitz und die Mobile Jugendarbeit (MJA) des Alternativen Jugendzentrums Chemnitz (AJZ) in der Vorweihnachtszeit junge Menschen zu einem Weihnachtsessen ein. Von Anfang an dabei sind Frank Rothe, Sozialarbeiter der MJA, und Andreas Wolf-Kather, Leiter der Mitgliederbetreuung bei der Volkssolidarität Chemnitz. VS Aktuell sprach mit ihnen über das gemeinsame Projekt.

VS Aktuell: 2005 luden beide Vereine zum ersten Mal junge Menschen zu einem Weihnachtsessen ein. Wie ist es dazu gekommen?

Andreas Wolf-Kather: Die Anregung dafür kam aus unseren Wohngruppen. Jedes Jahr sammeln unsere Mitglieder bei unserer Listensammlung Spenden für gute Zwecke. Oft kommen diese bspw. unseren Kindertagesstätten zugute. Da kam der Wunsch auf, einmal was für junge Menschen zu machen. Wir haben uns dann an die Mobile Jugendarbeit des Alternativen Jugendzentrums gewandt. Gemeinsam haben wir etwas gefunden, was für die von den Streetworkern betreuten Jugendlichen mitunter etwas Besonderes ist: ein Weihnachtsmenü an einer festlich gedeckten Tafel.

 

VS Aktuell: Warum ist das etwas Besonderes?

Frank Rothe: Nicht alle unserer Jugendlichen feiern Weihnachten zu Hause. Einige sind schon ausgezogen, haben manchmal auch Stress mit ihren Eltern und wollen sie nicht besuchen oder haben ganz mit ihnen gebrochen. Sie freuen sich dann, wenn sie gemeinsam mit ihren Freunden bei uns für ein paar Stunden Weihnachten feiern können. Manche wollen auch einfach einmal satt werden und ein Geschenk bekommen. Zum Weihnachtsessen kommen jedoch auch Jugendliche vorbei, die noch bei ihren Eltern wohnen und dort ebenso Weihnachten feiern wie bei uns mit ihren Freunden. Die Gründe, an unserer kleinen Weihnachtsfeier teilzunehmen, sind genauso vielfältig und individuell wie die von uns betreuten jungen Menschen.  

 

VS Aktuell: Wie können wir uns die Arbeit eines Streetworkers vorstellen?

Frank Rothe: Wir suchen junge Menschen auf, die sich draußen aufhalten und unterbreiten ihnen verschiedene Angebote. Wir sprechen mit ihnen, beraten sie und helfen ihnen bspw. dabei, Gelder zu beantragen oder eine Wohnung zu suchen. Wir sind jedoch auch bei uns im Kontaktbüro in der Dresdner Straße für sie da. Hier können sie zudem einen Computer, unsere Küche, die Waschmaschine und die Duschen für wohnungslose Jugendliche nutzen oder sie unterhalten sich mit uns oder ihren Freunden, spielen Kicker oder Karten. 

 

VS Aktuell: Hat die Corona-Pandemie auch Auswirkungen auf die Sozialarbeit?

Frank Rothe: In unserer Einrichtung gilt eine Obergrenze für die Anzahl von Menschen, die Maskenpflicht sowie eine Terminvergabe für Beratungen. Von vielen Maßnahmen sind wir jedoch ausgenommen, damit wir die von uns betreuten Menschen nicht im Regen stehen lassen müssen. Schmerzlich ist jedoch, dass unser Weihnachtsessen nun schon zum zweiten Mal nicht als kleine Feier stattfinden konnte. Wir haben eine Alternative gesucht und diese mit einem Schmunzeln „Gans to go“ genannt.  Wie all die Jahre zuvor gab es auch diesmal Gänsekeule, Rotkohl und Klöße sowie eine vegetarische Alternative, nur eben zum Mitnehmen. Und ein kleines Geschenk war auch wieder mit dabei. Voriges Jahr haben sich sogar einige Kinder extra umgezogen, um unerkannt nochmals ein Geschenk erhalten zu können.

Andreas Wolf-Kather:  Schade, dass die Feier erneut ausfallen musste und daher wieder kein Weihnachtsmann da war. Hoffentlich können wir nächstes Jahr wieder in größerer Runde feiern. Dann schlüpfe ich gerne wie gewohnt in die Rolle des Weihnachtsmanns. Ich erinnere mich noch, wie ich als damaliger Sonnenberger unter den Jugendlichen meine Nachbarn entdeckte. Diese hatten es schon das eine oder andere Mal geschafft, mir meine Feierabendruhe durch ihre Lautstärke zu vermiesen. Ich werde ihre verdutzten Gesichter nicht vergessen, als der Bärtige offenbar Hintergrundwissen hatte und sie eindringlich mahnte, mehr Rücksicht auf ihre Nachbarn zu nehmen.

 

VS Aktuell: Das Weihnachtsessen ist nicht das einzige gemeinsame Projekt. Zum 65. Jahrestag der Volkssolidarität gab es das Projekt „Annäherungen“. Was war das?

Andreas Wolf-Kather: Ältere Menschen haben jüngeren einen Einblick in ihr Leben gewährt, so kann das vielleicht gesagt werden. Die Jugendlichen haben mit einigen von unseren Mitgliedern gesprochen und sich dabei viel aus ihrem Leben erzählen lassen. Mit Anleitung eines Fotografen sind dabei beeindruckende Porträts bestehend aus Text und Fotos entstanden, die wir dann in einer Ausstellung und einer Broschüre präsentiert haben. Die porträtierten Mitglieder haben mir gesagt, dass das eine sehr schöne Erfahrung gewesen sei.

 

VS Aktuell: Wird es weitere gemeinsame Projekte geben?

Frank Rothe: Wir haben schon die eine oder andere Idee, müssen jedoch erst einmal abwarten, wie es nun mit Corona weitergeht. Aber ja, sehr gerne. Das Weihnachtsessen bleibt auf alle Fälle als festes Projekt bestehen. Sicherlich auch im Namen der Jugendlichen möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich für die Unterstützer von der Volkssolidarität bedanken. Die fantastische Vorbereitung, das leckere Essen, die Unterstützung von den Mitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volkssolidarität, das gigantische Ehrenamt, welches dabei immer wieder an den Tag gelegt wird, es ist einfach schön.

 

Ein herzlicher Dank für die finanzielle Unterstützung des Weihnachtsessens gilt den Wohngruppen 027, 028 und 030.

aus VS Aktuell 1/2022, erschienen im  VS Aktuell 1/2022 Aus dem Stadtverband