Der spröden Schönen

Einst Aschenputtel, 
rußgeschwärzt, brandgeschatzt, fast tot gebombt. 
In einen Glassarg wurdest du nicht gebettet. 
Stattdessen Massengräber hundertfach. 
Ins Koma gefallen der Rest. 
Die dich erweckten, trugen keine Prinzengewänder. 
In einer Kette stehend 
reichten sie Ziegel von Hand zu Hand. 
So schufen sie dich neu 
aus zwiefach gebranntem Stein. 
Und die Sonne spiegelte sich bald 
in den blanken Fenstern noch unverputzter Häuser. 

Du spröde Schöne 
geprägt von Leistung und Fleiß, 
umgabst und umgibst dich mit 
Malern, Mimen, Formgestaltern, 
Literaten, Komponisten, 
Forschern, Tüftlern und Träumern auch.

Ich hab dich von oben gesehen, 
aus dem Korb eines Heißluftballons. 
Wälder, Parks und Gärten 
bis zum Horizont 
und mittendrin ein großer Teich 
und Hügelketten als lieblicher Saum. 

Dir ist der Ruß aus dem Antlitz gewaschen. 
Den goldenen Schuh hast du gemieden. 

aus VS Aktuell 2/2022, erschienen im  Meine Stadt   VS Aktuell 2/2022