Unsensible Meldungen zu fehlenden Finanzen für den sozio-kulturellen Bereich sorgten einige Wochen immer wieder für negative Schlagzeilen in Chemnitz. Ausgangspunkt waren im November 2022 Informationen der Stadt an einige Träger von Angeboten der Kinder-, Jugend- und Integrationsarbeit, dass deren Förderung zum Jahreswechsel ausläuft.
Hintergrund dafür ist die Aufstellung des Haushaltsplanentwurfes durch die Stadtspitze, denn der Stadtrat hat im März über den Doppelhaushalt 2022/23 zu entscheiden. Dass die kommunale Finanz-Situation durch die derzeitige wirtschaftliche Lage (Energie-Krise, Ukraine-Krieg, enorme Flüchtlingsaufnahme) allgemein angespannt ist, bedarf keinem weiteren Kommentar. Aufgrund der Annahme, dass die Einnahmen der Stadt rund 50 Millionen weniger sein werden, sind die Bürgermeister aller Amts-Bereiche vom Kämmerer angehalten, mögliche „Ressourcen“ in ihren Bereichen ausfindig zu machen und folglich finanziell reduziert bei der Haushaltsplanung zu untersetzen. Dabei spielt auch eine Rolle, welche der zu finanzierenden Ausgaben eine Pflichtaufgabe oder eine „freiwillige“ Aufgabe der Kommune ist. Im sozialen Bereich ist eine freiwillige Aufgabe bspw. die breite Förderung von wohnortnahen Senioren-Treffs in allen Stadtteilen. Eine Pflicht dagegen ist auf das gesellschaftlich „Notwendigste“ reduziert, wie bspw. eine Begegnungsmöglichkeit im Stadtkern. Freiwillige Aufgaben werden auch durch die Stadträte in ihrer Zielsetzung für die Stadtgesellschaft bestimmt. Sie ergänzen die Pflichtaufgaben, fördern das Wohlfühlen der Bürger und ihre Teilhabe in einer Stadt.
Die Träger bangen ständig um das Fortbestehen der gesicherten Finanzierung der von ihnen übernommenen sozio-kulturellen Angebote. Wenn die Stadt verlauten lässt, dass sie nur vorläufig bis Ende April 2023, also bis zum Haushaltsbeschluss, jene Leistungen finanzieren kann, ist dies für die betreffenden Leistungserbringer ein nicht zumutbares Desaster. Planungen für die Weiterführung von Arbeits- oder Mietverträgen werden dadurch kaum möglich. Zudem tragen Schlagzeilen über Einsparpläne zu Unsicherheiten bei den Trägern bei, führen zu Existenz-Ängsten des Personals und schüren die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Entsprechend groß war der Protest aus den Reihen der Betroffenen sowie von engagierten Stadträten. Im Dezember 2022 folgten viele Akteure und Unterstützer einem Demonstrations-Aufruf.
Letztlich können und sollten die Mitglieder des Stadtrates ihre Mitgestaltungshoheit beanspruchen, denn diese müssen in solchen Situationen oftmals in letzter Minute im Haushalt noch finanzielle Deckungsmöglichkeiten finden. Für die ehrenamtlich tätigen Stadträte bedeutet dies jedoch eine kaum zu bewältigende Herausforderung, wenn sie mit Bedacht und Sorgfalt eine Lösung finden wollen. Hinzu kommt, dass sie oftmals nur nebenher oder recht spät von derartig einschneidenden Planungen erfahren. Meist fehlen eine frühzeitige Thematisierung und die Einbindung der Fachausschüsse. Dabei sind die Vorarbeiten für die Haushaltsplanung mit verschiedenen Varianten eigentlich eine Aufgabe des Bürgermeisteramts mit seinem hauptamtlich arbeitenden Personal.
Auch gute Nachrichten ereilten die Chemnitzer, gewissermaßen in letzter Minute: Der Freistaat Sachsen erhöhte die Zuwendungen an die Stadt aus dem Landeshaushalt (drei Millionen zusätzlich für Kindertagesstätten). Diese finanziellen Mittel werden für etwas Entspannung in der Gesamtsituation des Chemnitzer Haushaltes sorgen. Nun wird sich den anstehenden Ratsversammlungen zeigen, ob dadurch der „Rotstift“ der Verwaltung weniger streicht, als befürchtet.
Generell kann festgehalten werden: Werden finanzielle Kürzungen im Kinder-, Jugend-, Senioren- und auch im Integrationsbereich ins Auge gefasst, werden negative Entwicklungen zu leicht in Kauf genommen, vor allem, da sich die Lage der betreuten Menschen durch die Pandemie erwiesenermaßen verschärft hat. Es reicht nicht, sich mit dem erhöhten Bedarf an entsprechenden Angeboten zu befassen. Diese müssen auch angesichts aktueller Preis- und Lohnentwicklungen ausreichend finanziert werden, um qualifiziertes Personal gewinnen und halten zu können. Alles, was in diesem wichtigen Bereich wegfällt oder klein gehalten wird, wird künftige Mehrausgaben zur Folge haben – und das soziale Miteinander in der angehenden Kulturhauptstadt Europas 2025 schwächen!