Von den schweren Anfängen bis zum geplanten Wiederaufbau vergingen 25 Jahre.
Im Jahr 1968 werden vom Rat des Bezirkes und dem Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt die Weichen für die Gestaltung des Areals von der Ernst-Thälmann-Straße bis zur Gartenstraße gestellt. Das erste Gebäude, welches hier von 1969 bis 1974 aus der Erde wuchs, war das damalige Interhotel „Kongress“. Mit 97 Metern gehört es zu den höchsten Gebäuden der Stadt. Architekt Rudolf Weißer hat es im Stil des Brutalismus geplant und gebaut.
Das nächste große Vorhaben war die Ehrung von Karl Marx, dem großen deutschen Philosophen. Die Frage, wie das Denkmal aussehen sollte, entfachte einen Streit zwischen Walter Ulbricht auf der einen sowie Lew Kerbel und Erich Honecker auf der anderen Seite. Ulbricht wollte einen Ganzkörper von Marx, Kerbel vertrat die Meinung, ein großer Geist muss mit einem großen Kopf dargestellt werden und verbündete sich mit Honecker. Da die Sachsen allerdings einen großen Kopf als Nischel bezeichnen, hatte 1971 eingeweihte Denkmal schnell seinen Spitznamen weg.
Das Areal um den Roten Turm nahm mit der Zeit Gestalt an, das Café „Roter Turm“ wurde eröffnet und erfuhr bei der werktätigen Bevölkerung großen Zuspruch.
Hinsichtlich der Gestaltung des Stadtkerns geschah in den 80er Jahren nicht mehr viel. Nur im Neungeschosser an der Ernst-Thälmann-Straße wurden im Erdgeschoss Geschäfte eingerichtet, das „Café Oben“ eröffnete und der Brunnen „Jugend im Sozialismus“ von Ronald Paris plätscherte vor sich hin.
Als eines der letzten größeren Bauvorhaben im Stadtzentrum entstand Anfang der 80er Jahre das im Volksmund als „Parteifalte“ bezeichnete Gebäude der SED-Bezirksleitung.
1980 wurde der Brühl-Boulevard eingeweiht, was ein großer Gewinn für die Stadt war. Das Sanierungsgebiet erstreckte sich von der Georgstraße bis zur Zöllnerstraße. Die Mischung von sanierten Altbauten und Geschäften – von der Molkerei, dem Buchladen bis hin zur Eisdiele – lockte die Karl-Marx-Städter auf den Brühl. Auf dem vorderen Boulevard, zwischen Gartenstraße und Georgstraße, fielen alle Häuser bis auf das neben der ehemaligen Gaststätte „Zur Glocke“ den Abrissbaggern zum Opfer. Auf den Brachflächen wurden Plattenbauten errichtet. Sicher waren nicht alle Häuser sanierungswürdig, aber das ehemalige Hotel zur „Deutschen Eiche“ und einige andere hätten gerettet werden müssen. Die Häuser von der Zöllnerstraße bis zur Emilienstraße erfuhren keine Sanierung mehr, denn durch das Hauptstadtprogramm wurden die Bauarbeiter samt Material nach Berlin abgezogen. Dementsprechend sahen 1990 die Häuser aus. Zehn Jahre passierte am Nordbrühl nichts. Ich hatte die Befürchtung, dass dieses Viertel der Abrissbirne geopfert wird. Es kam anders: Ein Investor aus Hamburg kaufte einen Großteil der Häuser, sanierte sie und schuf ein Kleinod am Chemnitzufer.
In den 90er Jahren wurden im Osten die gleichen Fehler wie 30 Jahre zuvor im Westen gemacht, so auch in der Stadt Chemnitz, die sich seit 2007 als „Stadt der Moderne“ bezeichnet. Die Einkaufstempel wanderten auf die grüne Wiese, die Innenstadthändler verloren ihre Kundschaft an die Einkaufscenter. In Chemnitz verwaiste die Innenstadt, die Händler auf dem Brühl schlossen nach und nach ihre Geschäfte und im Chemnitz-Center in Röhrsdorf „tanzte der Bär“.
Leider passierte in puncto Neugestaltung in den ersten drei Jahren in der Chemnitzer Innenstadt nicht viel. Das lag an den ersten zwei Oberbürgermeistern, die keine Visionen für die Stadt hatten. Erst unter der Ära Peter Seifert als Oberbürgermeister und Ralf-Joachim Fischer als Baubürgermeister wurden die richtigen Weichen für die Innenstadtbebauung gestellt.
Glücklicherweise wurden nicht die Pläne der Sachsenbau für die Galerie Roter Turm und der Galeria Kaufhof umgesetzt. Fischer holte sich die namhaften Architekten Hans Kollhoff und Helmut Jahn. Kollhoff überarbeitete den Plan von Walter Bruhne, der die Galerie Roter Turm mit einem grünen Dach und roter Eternitvekleidung gestalten wollte, und ließ sich von Richard Möbius beeinflussen, der das Neue Rathaus geplant und gebaut hat: die schmalen Fenster, die Arkaden, die Brüstung vom Stadtverordnetensaal, die Verblendung des Gebäudes – bei Möbius aus Sandstein, bei Kollhoff aus Terrakotta. Möbius stellte auf seinen Rathausturm vier Zinnen an den Ecken auf, welche die früheren Stadttore symbolisieren. Kollhoff übernahm die Idee und gab drei Eingängen die Namen von den Stadttoren Klostertor, Nikolaitor, Johannistor. Das vierte Tor hatte man ihm gestrichen.
Helmut Jahn befand, dass vom alten Chemnitz leider nicht mehr viel da sei, und gestaltete mit seiner Glasfassade eine Spiegelung. Aufmerksame Beobachter haben es bestimmt schon gesehen: In der großen Fläche spiegelt sich alles wieder, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Dies ist ein gewollter Effekt. Ralf-Joachim Fischer hat darauf geachtet, dass sich die Kräfte ausbalancieren und hat zwei Gebäude aus Stein und zwei Gebäude aus Glas gegenüber gestellt.
Fazit: Es hat sich viel im Stadtkern verändert und die moderne Architektur ist prägend. Sehr gut kommt dies in der Inneren Klosterstraße mit der Mittelstandsmeile und am Anfang des Walls zum Ausdruck.
Wer es noch ausführlicher erklärt haben möchte, der kann mich gern zu einem Bildervortrag einladen. Da zeige ich das alte Chemnitz, das Nachkriegschemnitz und natürlich das moderne Chemnitz.
Ihr Gästeführer Udo Mayer