Immer wieder hört man, dass junge Menschen unsere Stadt verlassen. Fragen Sie sich jetzt, was das mit Stadtgeschichte(n) zu tun hat? Das ist beabsichtigt.
Haben wir in unserem arbeitsreichen Leben nicht alles auch dafür getan, dass es sich lohnt, in dieser Stadt zu leben und waren und sind auch darauf stolz? Manche Studien sprechen zwischenzeitlich von einer regelrechten Landflucht aus der Stadt. Sogar befragte Eltern halten mehrheitlich das Aufwachsen ihrer Kinder idealerweise in einer Kleinstadt oder in einem Dorf für das Beste. Andere heben sogar das benachbarte Österreich als das sympathischste Land aller „Nestflüchter“ hervor. Bei älteren Menschen soll eine ländliche Gegend oder eine kleine Stadt ganz vorn in ihrer Gunst stehen.
Zu guter Letzt erwähne ich eine Liste der Länder, in denen die Menschen am glücklichsten leben. Es ist wohl Finnland – unter den folgenden neun Ländern des World Happiness Report 2023 internationaler Experten befindet sich Deutschland nicht. Es nimmt Platz 16 von insgesamt 156 ein.
Glück meint man an folgenden Kriterien messen zu können: Freiheit, Fürsorge, Großzügigkeit, Ehrlichkeit, Gesundheit, Einkommen, gute Regierungsführung. Ehrlich, man reist gern in ein solches Land, das man mit seinen geheimen Wünschen verbindet – aber was macht uns im Alltag wirklich zufrieden? Haben Sie dazu selbst schon die Erfahrung gemacht, dass junge und ältere Menschen daran verschiedene Ellen anlegen?
Was halten Sie davon, wenn man einmal herausfindet, wo wir uns – also Seniorinnen und Senioren – in der Stadt am liebsten gern aufhalten und was wir uns für die Zukunft wünschen? Danach wurden jedenfalls jetzt im April und Mai junge Menschen der Stadt gefragt. Es gibt sogar ein Netzwerk, das es tut: Um Chemnitz auch für Jugendliche attraktiv zu machen!
Die Stadt Chemnitz meint jedenfalls: Chemnitz schrumpft, Studierende, Berufsanfänger und junge Familien ziehen weg. Wir können die Wirtschaftsstrategie der Stadt, die wohl das Entscheidende sein soll, weder mitgestalten noch beeinflussen. Auch wollen wir, solange es geht, bei Kräften und Optimismus bleiben und gerechterweise weiter für einen vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt sorgen. Und wir könnten bei Begegnungen von Jung und Alt mal ausnahmsweise nicht nur ans Feiern denken, wie es das Team Generation der Kulturhauptstadtbewerbung 2025 gerade vorgibt, sondern herausfinden, welche Übereinstimmung es in unserem Blick auf unsere Stadt eint und trennt. Das Seniorenpolitische Netzwerk der Stadt könnte sich dem konkret annehmen. Wir sollten dort nachfragen.
Nehmen wir einmal die neu errichtete Universitätsbibliothek am Standort der alten Aktienspinnerei. Was löst die Existenz dieses nach fünf Jahren Bauzeit mit großem finanziellen und anderen Aufwand errichteten neuen Standorts der Universitätsbibliothek mit über 1,2 Mio. Büchern und Zeitschriften auf 12.3000 qm bei den jungen Menschen aus? Was für ein prachtvolles Gebäude für die Aufbewahrung wertvoller Bücher und was für ein Zentrum des Wissens mit großzügigen Lesesälen ist das geworden?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß sich der verstorbene Formgestalter und Designer Prof. Dietl im Rahmen der Stadtgestaltung und Entwicklung dafür starkgemacht hat, dass junge, studierende Leute die Innenstadt beleben – ermöglicht mit dem Bau der Uni-Bibliothek.
Ich benutze die großzügigen Ausleihmöglichkeiten ab und zu und entdeckte neulich an der Rezeption einen kleinen chronologischen Abriss zur Nutzung der alten Aktienspinnerei.
Es gab eine Zeit, da waren an diesem Standort zwangsweise arbeitende Menschen, ob als Kriegsgefangene oder ob als verschleppte ausländische Arbeitskräfte, interniert worden. Neulich konnte man bei ARTE eine Dokumentation unter dem Titel „Vergessen und verschwiegen“ sehen. Bis heute warten immer noch anspruchsberechtigte Opfer auf ihre Wiedergutmachungszahlungen aus einem seit 1999 von der Bundesregierung eingerichteten Fond.
Dagegen bewirbt sich der niedersächsiche Konzern „Rheinmetall“ aus Niedersachsen – einer der 15 größten Rüstungskonzerne und ehemals „Beschäftigungsort“ auch für Kriegsgefangene der Roten Armee und verschleppte ehemalige Zwangsarbeiter aus der damaligen UdSSR anstelle der eingezogenen deutschen Arbeitskräfte – um ein bisher für zivile Zwecke saniertes Gewerbegebiet in Sachsen für die militärische Produktion. Tatsächlich zählt dieser Konzern diese „dunkle Seite“ durchaus zu seiner Firmengeschichte und berichtet auf seiner Internetseite darüber. Der Freistaat Sachsen soll an den zu erwartenden Gewinnen dieses Konzerns beteiligt werden.
Im März 1945 starben auch in Chemnitz, z. B. im ehemaligen Standort der Gießerei Krautheim, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter im Bombenhagel eines zurückgekehrten Krieges, der später zur Erlösung des Leids der Überlebenden aus vielen Ländern stammenden „Arbeitssklaven“ führte. Damals halfen deutsche Rüstungsarbeiter widerständig, das Leid dieser Menschen zu lindern.
Es könnte also schon jetzt vorhersehbar sein, dass sich in Sachsen, z. B. in Großenhain in der Nähe von Dresden, ein erneutes Raketenziel befinden könnte.
Doch jetzt scheint es, als ob die Absichten des Rüstungskonzerns im „nationalen Sicherheitsinteresse“ stehen würden. Er produziert Waren, die nun zum „täglichen Gebrauch“ gehören sollen, so wie auch Luftmanöver der NATO im Juni im Luftraum Sachsens jetzt zur normalsten Sache der Welt geworden sind. Dabei wird u. a. geprobt, dass der „Nachbar“ Russland ein NATO-Mitgliedsland angegriffen hat.
Neulich wurde die 13. Informationsstele in der Stadt zur Stadtgeschichte eingeweiht, zur Erinnerung an die friedliche Nutzung des Luftraums. 1926 wurde der Chemnitzer Flughafen eröffnet und diente bis Anfang dem nationalen Luftverkehr.
1930 landeten hier mit der G 38 das damals größte Passagierflugzeug der Welt sowie das Luftschiff LZ 127 „Graf Zeppelin“. Von 1958 bis 1962 nutzten insgesamt 21.000 Passagiere diesen Flughafen. Als das Aus des Flugplatzes beschlossen wurde, begannen schon die Bauarbeiten für das Wohngebiet Fritz Heckert. Im einstigen Flughafengebäude wird dazu eine kleine Ausstellung angeboten.