Wohngruppe mit klingender Leidenschaft

Der Seniorenchor der Volkssolidarität Chemnitz vorgestellt von Stephan Ullrich

Wenn montags am frühen Nachmittag auf dem Gehweg an der Clausstraße gehende Passanten wohlklingende Stimmen vernehmen, dann pflegen im großen Saal des Stadtteiltreffs die Mitglieder des Seniorenchors der Volkssolidarität Chemnitz ihr vielfältiges Repertoire oder studieren ein neues Lied ein.

Präzise im richtigen Moment ertönt unter ihnen der Tenor von Eberhard Helbig. Seit 2018, seitdem er von Berlin nach Chemnitz gezogen ist, singt der Senior mit. „Der Seniorenchor mit seinem abwechslungsreichen und anspruchsvollen Programm ist ein Grund, aus dem Haus zu gehen. Für viele von uns sind die Proben ein besonderes Erlebnis“, berichtet der Senior. Bereits in Berlin hat er in einem Chor gesungen. In Chemnitz singt er nicht nur im Seniorenchor, sondern auch bei Cantico Chemnitz mit. So wie er können viele Mitglieder des Seniorenchors auf Chorerfahrung verweisen. Das sei jedoch keineswegs eine Voraussetzung und eine Altersbegrenzung gäbe es ebenso nicht. „Immerhin erweisen sich auch 80-Jährige als hervorragende Sängerinnen und Sänger“, erklärt Gudrun Dorschner, die seit 2004 den Chor leitet und im vergangenen Jahr zu ihrem runden Geburtstag nicht nur ein Ständchen, sondern gleich ein kleines Chorkonzert erhalten hat. „Trotz vieler erfahrener Sängerinnen und Sänger sind wir zwar kein Spitzenchor, wir haben jedoch viele anspruchsvolle Lieder im Programm“, sagt die Chorleiterin und berichtet: „Wir haben sogar im Leipziger Gewandhaus gesungen und uns im Vergleich zu anderen Chören keineswegs blamiert.“

Weil viele ältere Menschen am späten Abend ungern unterwegs sind, finden die Proben am Nachmittag statt. Das sei ein Vorteil gegenüber anderen Chören, die aufgrund der Berufstätigkeit ihrer Mitglieder erst später mit den Proben beginnen können, erklärt Gisela Hohlfeld. Die leidenschaftliche Mitsängerin, stellvertretende Chorleiterin und Leiterin der Wohngruppe, die der Seniorenchor unter dem Dach der Volkssolidarität Chemnitz ist, schildert den Ablauf der Proben: „Am Beginn einer Probe steht nach einer freundlichen Begrüßung durch unsere Chorleiterin das Einsingen. Dazu gehören Übungen zur Lockerung des Körpers und der Stimmorgane, zur Tonbildung und zum harmonischen Hören sowie die Schulung der Atemtechnik. Ziel dieser Übungen sind eine gesunde Stimme und damit ein schöner, einheitlicher Chorklang. Abgerundet wird das Einsingen durch einen mehrstimmigen Kanon. Den Hauptteil der Probe nimmt die Arbeit am Liedgut ein. Der Chor singt drei- und vierstimmige Chorsätze in den Stimmlagen Sopran, Alt, Tenor und Bass. Neue Lieder werden zunächst abschnittsweise geprobt. Jede Stimmgruppe übt die jeweilige Stimme einzeln, bevor nach und nach die Stimmgruppen und Abschnitte des Liedes zusammengefügt werden. Ebenso wie die Chorerfahrung sind dabei Notenkenntnisse keine Bedingung, jedoch für das Lernen neuer Lieder von Vorteil.“

Mit Begeisterung würde der Chor gegenwärtig „An jenem Tag, mein Freund“ proben, eine Bearbeitung des bekannten Schlagers aus den 70ern, speziell für den Seniorenchor der Volkssolidarität Chemnitz. Ebenso intensiv werden Lieder geübt, die schon länger bekannt sind, bspw. das beschwingte „Wochenend und Sonnenschein“ und viele traditionelle Frühlingslieder. Aber auch Lieder, die schon lange gut eingeübt sind, könnten immer noch verbessert werden. Wichtig seien hier die Arbeit an der Artikulation, am Tempo und an der Dynamik, vor allem auch das Reagieren auf die Vorgaben der Dirigentin.

„Erst wenn das Lied gut klingt und der Text zu verstehen ist, bereitet es den Zuhörern Freude“, weiß Gisela Hohlfeld. Die lange Probenpause während der Coronapandemie und neue Mitglieder im Chor würden eine erneute Beschäftigung mit den Details erfordern, führt sie weiterhin aus. Einige stimmsichere Sängerinnen und Sänger sind verstorben oder verließen den Chor aus gesundheitlichen Gründen. Sie würden jetzt sehr fehlen. Durch häufige Wiederholung und Übung werde die Sicherheit und Lockerheit beim Singen jedoch allmählich wieder erreicht.

Die Höhepunkte der Chorarbeit sind die öffentlichen Auftritte. In den Proben zuvor wird das Programm immer wieder durchgegangen. Schwierige Stellen werden nochmals geübt, wesentliche Teile des Liedes auswendig gesungen. Noten und Texte sind nur zur Sicherheit da, schließlich sollen die Augen beim Vortrag auf die Chorleiterin und zum Publikum gerichtet sein.

Im kommenden Jahr wird der Seniorenchor sein 45. Jubiläum begehen. „Wir denken bereits über das Programm für unser Jubiläumskonzert nach, welches wir in den Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 stellen möchten“, berichtet Gudrun Dorschner. „Es soll ein buntes Programm werden, das unser Interesse an der Vielfältigkeit unseres Repertoires abbildet. So wollen wir zum Beispiel mit Telemanns ‚Friede, sei willkommen‘ das musikalische Erbe bedienen, jedoch mit Liedern wie ‚Wochenend und Sonnenschein‘ auch dem neuzeitlichen Schaffen offen gegenüberstehen. Gerne singen wir auch passende Lieder aus Operetten und selbstverständlich auch Volkslieder.“

Das Singen im Chor halte geistig und körperlich fit, schaffe und erhalte soziale Kontakte und gäbe die tiefe innere Befriedigung, gemeinsam mit anderen etwas Wertvolles zu leisten, wirbt Gisela Hohlfeld für den Seniorenchor. Die Wohngruppenleiterin ist der Volkssolidarität Chemnitz und den Mitarbeiterinnen des Stadtteiltreffs Clausstraße dankbar für die große Unterstützung. „Der Seniorenchor ist eine Besonderheit unter den Wohngruppen der Volkssolidarität Chemnitz“, erklärt Andreas Wolf-Kather, Leiter Mitgliederbetreuung. „Zum einen gehen die Mitglieder gemeinsam wie bei einer Interessengruppe einer Leidenschaft, dem Singen, nach. Sie sind jedoch auch eine Gemeinschaft, unternehmen gemeinsame Aktivitäten wie Feiern und Ausflüge und helfen einander – so, wie es bei den Wohngruppen üblich ist.“ 

Wie Gisela Hohlfeld bringt sich auch Elfriede Drechsler in die Leitung der Wohngruppe ein. Seit Oktober 2005 singt sie im Seniorenchor mit. „Chor sucht Sängerin“ stand damals in einer Annonce der lokalen Tageszeitung „Freie Presse“. Als sie dazustieß, war der Chor noch größer. Sie schätze die Vielfalt an dem, was gesungen werde, insbesondere den vierstimmigen Gesang. „Wenn Männer mitsingen, haben unsere Lieder einfach einen schöneren Klang“, sagt Elfriede Drechsler. Genau die sind wie in vielen anderen Chören immer recht knapp. Doch ganz unabhängig vom Geschlecht gilt: Menschen, die die Begeisterung für die Musik teilen und an der Chorgemeinschaft teilhaben möchten, sind beim Seniorenchor der Volkssolidarität Chemnitz herzlich willkommen. Die Proben finden montags 13.30 Uhr bis 15.15 Uhr im Stadtteiltreff Clausstraße statt. Interessenten können gerne die Probe erst einmal nur beobachten oder – noch besser – einfach gleich mitmachen.

 

Informationen zum Seniorenchor der Volkssolidarität Chemnitz gibt es im Internet unter www.vs-chemnitz.de/seniorenchor

aus VS Aktuell 2/2023, erschienen im  VS Aktuell 2/2023 Aus dem Mitgliederleben   Seniorenchor