Ein Genuss von Natur und Kunst

Zur Historie des Naturtheaters Rabenstein

Sommerzeit - das ist wieder hohe Zeit für die Freilichtbühnen. Auch Chemnitz besaß einmal ein solches „Theater unter freiem Himmel“: Das Naturtheater Rabenstein. Es befand sich auf dem Areal der 1908 stillgelegten „calkgrube“ Rabenstein. Erstmals wurde es als Naturtheater genutzt, als hier während des Heimatfestes der Gemeinden Rottluff und Rabenstein am 28. Juni 1914 das Heimatspiel „Die Gründung Rabensteins“ zur Aufführung kam. Der 1. Weltkrieg unterbrach das hoffnungsvolle Beginnen. Doch unmittelbar nach seinem Ende wurde hier auf Initiative des Terrain-Eigentümers C. H. Reinhardt und der Chemnitzer Schauspieler Georg Braatz und Ludwig Holler das „Naturtheater Rabenstein“ ins Leben gerufen. Das Theater wurde in dem baumbestandenen Kalksteinbruch vor dem Hintergrund der 12 bis 15 Meter hohen Felswände terrassenförmig im Stil eines Amphitheaters mit 1.746 Sitzplätzen angelegt. Die Bühne war 15 Meter lang und 9 Meter tief. Zu ihren Seiten befanden sich Naturhöhlen. Das Theater besaß eine vorzügliche Akustik. Das Naturtheater Rabenstein wurde auf genossenschaftlicher Basis durch eine Künstlervereinigung von etwa 40 Schauspielern der Städtischen Theater in den Theaterferien bespielt. Das Unternehmen erfuhr Förderung durch den Städtischen Verkehrsausschuss. Die Eröffnung erfolgte am 1. Juni 1919 mit der dramatischen Dichtung von Friedrich Lienhard: „Wieland der Schmied“. Das im Ausflugsnahbereich der Stadt Chemnitz gelegene Naturtheater stieß bei den Chemnitzern auf große Resonanz. Bereits in der ersten Spielzeit vom 1. Juni bis 24. August 1919 verzeichnete es mit 89 Aufführungen eine Gesamtbesucherzahl von 90.000, darunter 25.000 Kinder. Das Repertoire des Theaters, mit künstlerischem Geschmack zusammengestellt, war von großer Vielfalt. Es kamen Werke von Goethe und Schiller, wie „Iphigenie“, „Die Räuber“ oder „Die Braut von Messina“ von Gerhart Hauptmann, Franz Grillparzer und William Shakespeare, wie „Die versunkene Glocke“, „Sappo“ und „Was ihr wollt“ sowie das Kolossalgemälde der Französischen Revolution „Dantons Tod“ von Georg Büchner zur Aufführung. Auch geeignete Opern - wie z.B. die romantische Oper „Das Nachtlager von Granada“ und „Das Glöckchen des Eremiten“ gelangten hier auf die Bühne. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Fastnachtsspiele von Hans Sachs. Auf dem Spielplan standen Bauernkomödien von Ludwig Anzengruber, „Das weiße Rössl“ von Ralph Benatzky, Possen und Schwänke zeitgenössischer Autoren und natürlich Märchenspiele, wie „Dornröschen“, „Der Froschkönig“, „Hänsel und Gretel“ und „Rübezahl“. 1924 gelangten sogar Passionsspiele zur Aufführung. Dabei geht die Legende, dass der Gekreuzigte vorher mit Alkohol „präpariert“ wurde, damit er die dreistündige Spieldauer überstehen konnte. Auf der Bühne des Naturtheaters gab es auch Gastspielauftritte. So gastierte hier z.B. das Ballettkorps des Sächsischen Staatstheaters Dresden und der Heldendarsteller des Stadttheaters zu Zürich Arthur Armand als „Wilhelm Tell“, der Donkosakenchor und das „Pawlowna-Ballett“ sowie auch die Nackttänzerin Andoré Villany. Oftmals schlossen sich an die Vorstellungen Kinder- und Volksfeste für die Besucher im Theatergarten an. Im Naturtheater fanden eindrucksvolle Sonnenwend-, Pfingst- und Verfassungsfeiern sowie großartige Konzerte von Chören und Orchestern statt. Es wurden auch Versuche mit Film-Freilichtvorführungen unternommen. Das Naturtheater Rabenstein erlag jedoch den wirtschaftlichen Zwängen und musste 1926, aller Beliebtheit zum Trotz, den Spielbetrieb einstellen. Ab 1934 unternahm die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ den Versuch einer Wiederbelebung, der aber nicht zum Tragen kam, da der Betrieb des Schaubergwerks „Rabensteiner unterirdische Felsendome“ ab 1936 Priorität hatte. Versuche nach der Wende schlugen ebenfalls fehl, so dass man davon ausgehen kann, dass die Epoche „Naturtheater Rabenstein“ in der Chemnitzer Theaterhistorie abgeschlossen ist.

aus VS Aktuell 2/2003, erschienen im  VS Aktuell 2/2003 Aus der Stadtgeschichte