Der 29. März ist in Chemnitz ein schöner Frühlingssonnabend. Einwohner der Max-Türpe-Straße im Heckert-Gebiet beobachten nach 8.00 Uhr an der Kindertagesstätte der Volkssolidarität emsiges Treiben. Möbel und Kisten, Matratzen und Spielzeug werden von gut dreißig Frauen und Männern - junge und mittlere Jahrgänge - herausgetragen. In Kleintransportern und Pkw’s bekommt alles seinen Platz. Keine Umzugsfirma ist auszumachen und doch ist es ein Umzug. „Glückskäfer“ kehrt nach acht Monaten Gastaufenthalt in sein voll saniertes und erweitertes Haus am Küchwaldring zurück. Die fleißig Zupackenden sind Eltern, Erzieherinnen und weitere Helfer. Mittendrin Sven-Torsten Wegerdt, der Elternratsvorsitzende. Er war der erste Vater, den Kita-Leiterin Ursula Hennig am Einsatzmorgen begrüßte. Mit dem einen trägt der große, schlanke Diplomlehrer für Mathematik und Geografie ein Regal ins Freie, mit dem anderen einen Schrank. Jetzt hat er etwas abzuschrauben. Dann packt er Kindermöbel und Spielzeuge in seinen „Laguna-Kombi“. Zu einem Elternpaar gewandt, das gerade einige Gitarren im Auto verstaut, scherzt er: „Bei Ihnen gibt’s wohl jetzt Musik unterwegs?“ Im Küchwald geht dann alles anders herum, von den Wagen in das strahlend schön gewordene Kinderhaus. Nach zwei folgenden Touren und fast neun Stunden ist der erste Umzugstag beendet. Zum Einordnen und Saubermachen am Sonntag wollen etwa 20 Mütter kommen. „Diese freiwillige, ehrenamtliche Arbeit hat uns mehrere tausend Euro gespart, die wir mit in die Sanierung stecken konnten“, sagt Frau Hennig. Dabei meint sie den Transport vom Küchwald in die Max-Türpe-Straße 40/42, Ende Juli 2002, gleich mit. Sie ist allen Beteiligten dankbar, besonders aber dem Elternrat und seinem Vorsitzenden. Der 40-Jährige könne im Gespräch gut auf den Partner eingehen, ihn für etwas gewinnen. So habe seine Überzeugungskraft wesentlich dazu beigetragen, dass die meisten Eltern mit ihren Sprösslingen der Volkssolidarität während der Sanierung die Treue hielten, den längeren Weg von einem bis zum anderen Ende der Stadt in Kauf nahmen und dass sich unter ihnen viele Umzugshelfer fanden. Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Optimismus seien überhaupt Wegerdts Stärken, meinen die Erzieherinnen vom „Glückskäfer“. So hat er für die Kindertagesstätte einen Computer zum Funktionieren gebracht und der Leiterin bereits mit vielen Tipps beim Bedienen geholfen. Für den auch in Informatik Ausgebildeten kein Problem. Beim Frühjahrs- und Herbstputz greift er mitsamt dem Elternrat zu. Auch beim Organisieren von Festen werden die Erzieherinnen entlastet, wo es möglich ist. Da steht Sven-Torsten am Grill. Mütter bereiten auf Anregung seines Gremiums deftige Salate zu. Väter helfen beim Lagerfeuer. Gemeinsam mit den Kindern basteln alle Lampions und anderes mehr. Wirklich kompetent finden die fünf Elternvertreter ihren Vorsitzenden. Ute Weinhold, die dem Rat seit etwa drei Jahren angehört, urteilt: „Er vertritt die Eltern gut, hat Einfühlungsvermögen und ist ein netter Mensch.“ Gewonnen hat die „Glückskäfer-Chefin“ Sven-Torsten Wegerdt für den Rat bei Gesprächen zu Erziehungsfragen. Das war 1997/1998 als er und seine Frau Ina ihr Töchterchen Pauline (heute sechs Jahre) in die Tagesstätte brachten. Ein Jahr später, nach Ausscheiden des Vorsitzenden wurde er in dessen Funktion gewählt. Inzwischen bringt er auch den dreijährigen Peer in das Küchwald- Haus. Als Klassenlehrer einer Fünften in der Josephinenschule weiß er, dass man für eine rundum gute Erziehung Elternvertreter braucht, als Bindeglied zur Elternschaft. So ergänzen sich bei ihm berufliche und ehrenamtliche Aufgabe, fördern das Verständnis für Kinder und Eltern. Zwar nennt er sich einen rationalen Menschen, seine Vorliebe für Zahlen, die er seit der Kindheit hegt, hat ihn jedoch nicht zum trockenen Pauker gemacht. Hinter den Zahlen sieht er stets ganz Konkretes - Gegenstände des Alltags und vor allem Leute. „Das ganze Leben funktioniert in Zahlen“, ist seine Maxime. Und damit bemüht er sich um Praxisverbundenheit, ob bei seinen Schülern, in der Kindertagesstätte oder bei der 4. Billard-Mannschaft vom SV Leukersdorf, die er leitet und immer wieder mit Zahlen motiviert. Er selbst findet beim Zahlenspiel mit Queue und Kugeln die für seinen anstrengenden Beruf notwendige Entspannung. Und darum steht ein grüner Tisch im Keller seines Reihenhauses unweit vom Küchwald.