Als er seinen Gast begrüßt, hat Wolfgang Schich schon alles bereitgelegt. Die Blätter mit den aufgeklebten Belegen, das Kassenbuch und auch das entsprechende Formblatt für Abrechnungen sind auf dem Tisch im Wohnzimmer ausgebreitet. Es ist ein trüber Frühlingsnachmittag. Irene Engel trifft sich mit dem Hauptkassierer der Wohngruppe 15 im Ebersdorfer Stiftsweg zur vereinbarten Quartalsabrechnung.
Als Revisorin schätzt die kleine, schlanke Fünfzigerin die Gewissenhaftigkeit der Älteren. Alle „Schnipsel“ sind übersichtlich geordnet. Die Ausgaben entsprechen der Beitragsordnung und dem Statut der Volkssolidarität. Das ergibt ihre genaue Prüfung. So sind unter den rund 60 Belegen des Abrechnungszeitraumes etwa 30 bis 40 für Gratulationen zu hohen Geburtstagen oder anderen Jubiläen. Immerhin hat die Wohngruppe mehr als 160 Mitglieder. Ein weiterer Posten sind die Veranstaltungskosten, die aus den Rücklaufmitteln (50% der Beiträge) bezahlt wurden, so beim Sommerfest für einen Videovortrag über die Pyramiden und für die verzehrten Grillwürste. Auch über verschiedene musikalische Darbietungen gibt es Quittungen. Mit ihrer Unterschrift auf dem Formular bestätigt Irene, dass alles ordnungsgemäß notiert ist und seine Richtigkeit hat. Dann serviert Wolfgang Schicht noch einen Kaffee und das Gespräch wendet sich mehr persönlichen Dingen zu. Da geht es um das intensiv betriebene Hobby Garten ebenso wie um den zu Pfingsten geborenen Enkelsohn von Irene und Wolfgang Engel. Nach zwei Stunden verabschiedet sich die Besucherin.
Solche Zusammenkünfte dauern meist nicht so lange, sagt sie. Aber sie bemüht sich, dem Hauptkassierer so viel wie möglich zu helfen, da er die Funktion erst im Sommer vorigen Jahres übernommen hat. Zuvor oblagen ihr sechs Jahre lang selbst diese Aufgaben, bis sie die wegen unregelmäßiger Arbeitszeiten in ihrer befristeten Anstellung nicht mehr erfüllen konnte. Als Revisorin - seit 2002 - will sie natürlich ebenfalls mit ihren Kenntnissen dazu beitragen, dass die Finanzen der Wohngruppe geordnet sind. Sie hat nämlich eine „Ader dafür“, wie sie von sich sagt. Und darum hilft sie auch schon mal anderen Wohngruppen, die keine Revisoren haben, beim Prüfen, wenn es zeitlich klappt.
Ihre „Finanzader“ entdeckte die studierte Agraringenieurin, als sie sich im VdgB-Bezirksverband und nach der Wende im Sächsischen Landesbauernverband e.V. mit organisatorischen Aufgaben und mit Geld befassen musste. Schnell hatte sie sich in die kniffligen Probleme von Soll und Haben, Belegen und Bilanzen hineingefitzt, so wie sie sich in manches Komplizierte hineingefitzt hat - sei es als junges Mädel in verschiedene Handarbeitstechniken, sei es später in den Umgang mit Computern. Und welche Organisation kann schon ohne exakt funktionierendes Finanzwesen auskommen, auch wenn die meisten Mitglieder von der dazu notwendigen akribischen Kleinarbeit oft nichts merken. Während ihres ganzen bisherigen Wirkens in der Wohngruppe ab 1997 haben die Finanzen immer gestimmt, kann Irene Engel rückwirkend sagen. Wenngleich sie auch nervendes Suchen nach einer Differenz kennt, die sich am Ende glücklicherweise als Rechenoder Schreibfehler herausstellte. Darüber hinaus hat sie manchen alleinstehenden Mitgliedern nützliche Hinweise zu Rentenfragen und anderen finanziellen Problemen gegeben, ja auch Veranstaltungen zu solchen Themen angeregt und mitorganisiert. Den älteren Menschen solidarisch helfen, wo es nötig ist, dieses Credo der Volkssolidarität hat sie schon mit 31 Jahren bewegt, Mitglied im Verein zu werden.