In der großen Küche bedient er die Spülmaschine. Am Nachmittag schenkt er im Klubraum Kaffee aus. Mitgliedsbeiträge kassiert er vierteljährlich im Büro der Leiterin. Jede und jeden kennt er. Mit allen macht er seinen Schwatz, lacht und schimpft auch mal, je nach Situation. Wenn er ein paar Tage nicht da ist, wird gefragt: Wo ist denn der Günter? Jeden Morgen, kurz vor 10.30 Uhr, betritt Günter Huber die Begegnungsstätte in der Limbacher Str. 71b. Die zehn/zwölf Minuten Weg von seiner Wohnung legt er stets zu Fuß zurück, ob es schneit, regnet oder die Sonne lacht. Herzlich fällt die Begrüßung mit der Leiterin Ines Bethge in deren Zimmer aus. Wer das sieht, könnte eine gute Vater-Tochter-Beziehung vermuten. Der 78-jährige mittelgroße Mann mit schon leicht kahlem Kopf liebt die Menschen, braucht sie, geht auf sie zu. Aufgewachsen ist er in einer großen Siegmarer Arbeiterfamilie. Sie waren sechs Geschwister. Bei der Firma Niles wurde er von 1941 bis 1944 zum Spitzendreher ausgebildet. Aus Gesundheitsgründen kam er nicht zur Wehrmacht. Nach dem Krieg hat er erst einmal eineinhalb Jahre beim Bauern gearbeitet. Dann wieder zurück zu Niles, und 1947 hat es ihn nach München gezogen, wohin die Schwester geheiratet hatte. Bei der Süddeutschen Bremsen AG war er bis 1958 beschäftigt. Im Oktober desselben Jahres ist er zurückgekommen, weil er in der bayrischen Hauptstadt für sich, seine Frau Anneliese und die Tochter Monika keinen Zuzug erhalten hat. Wohl haben auch die Bitten seiner Eltern zur Rückkehr beigetragen. Vom Dezember 1958 bis zur politischen Wende arbeitete Günter Huber dann im Stammbetrieb des Karl-Marx-Städter Fritz-Heckert-Kombinates als Dreher und später als Angestellter in der Abteilung Betriebsmittelbau. Engagiert hatte er sich bereits im Westen in der Gewerkschaft. So auch bei „Heckerts“. Lange Zeit übte er die Funktion des Hauptkassierers in der Abteilungsgewerkschaftsleitung aus. Die Freizeit gehörte der Familie, mit der er Wanderungen und Radtouren in die Umgebung der Stadt unternahm. Ab 1990 wurden Günter Huber und seine Frau, die im selben Kombinat Arbeit gefunden hatte, plötzlich nicht mehr im Betrieb gebraucht. Der wurde bekanntlich abgewickelt, und Hubers gehörten zum großen Heer der Vorruheständler. Hart traf ihn dann der Tod seiner Anneliese im September 1992. Zwar ist er nicht allein, denn die zwei Töchter, der Sohn und ihre Familien halten sehr zum Vater. Aber sie wohnen nicht in Chemnitz. Besuche haben jedoch immer Anfang und Ende. Und Günter muss einfach stets unter Leuten sein. „Was will ich allein zu Hause“, sagte er. Nachdem er von einer Nachbarin erfahren hat, dass in seiner Straße eine Begegnungsstätte der Volkssolidarität eingerichtet worden ist, begab er sich dorthin. Es war ein längeres Gespräch, das er im Oktober 1998 mit Ines Bethge führte. Offenbar fanden sich beide gleich sympathisch - der erfahrene Mann, der seine Hilfe anbot und die verständnisvolle Leiterin, deren Haus Geselligkeit garantiert. „Als ich ihr Büro verließ, hatte ich mein Mitgliedsbuch der Volkssolidarität in der Tasche“, erinnert sich Günter Huber lächelnd. Nach inzwischen mehr als sechs Jahren ist er aus der Begegnungsstätte nicht mehr wegzudenken, wie Ines bemerkt. Neben der Hauptkassierer- Funktion für die Wohngruppe 067 und der Küchenarbeit hat er seit 1999 stets im Klubrat mitgewirkt. Wenn die Leiterin nicht anwesend sein kann, ist er verantwortlich für Veranstaltungen wie „Quiz durch die Republik“, „Heimatkunde zu Chemnitz“ und andere. Dia-Vorträge hat er schon gehalten und Rollenspiele machen ihm ebenfalls Spaß. So führte er bei einer lustigen Bademodenschau im vergangenen Sommer das Modell „Sonnenaufgang“ vor und gab auch schon mal den Egon Olsen. Dabei will ihn Ines Bethge nicht als Mädchen für alles sehen, eher als den „guten Geist des Hauses“. Vielleicht gehört seine zu den „schönsten Geschichten und Gedichten“, die Ende März in der Begegnungsstätte erzählt werden.