Gisela Bretschneider

„So Mädels, seid Ihr soweit? Zuerst erwärmen wir uns ein bisschen. Und los, hoch die Beine!“ Die „Mädels“, das sind fünfzehn Seniorinnen der Gymnastikgruppe in der Begegnungsstätte Regensburger Straße - die jüngste 65, die älteste 84 Jahre. Und die da montags von 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr vorgibt, wie und wo es langgeht, ist auch schon seit ein paar Jahren im Rentenalter - Gisela Bretschneider aus der Fürstenstraße. Konzentriert machen die Frauen in Leggins und Shirts mit, befolgen alle Anweisungen. Da kommt der ganze Körper in Bewegung, werden Arme und Beine geschwungen, Hals und Kopf gedreht, Finger und Zehen gedrückt. Die Teilnehmerinnen heben und senken die Schultern, machen sich locker. Dabei scherzen sie auch. Beim Hüftschwung nach links und rechts wirft die Übungsleiterin ein: „Vielleicht können wir noch als Bauchtanzgruppe auftreten“. Die Frauen quittieren das mit herzlichem Lachen. Am Ende der Stunde sind die meisten sogar ein bisschen geschafft. Aber auf die Frage, warum sie mitmachen antworten sie: „Um fit zu bleiben. Wegen der Gesundheit. Es macht uns Spaß in der Gemeinschaft. Wir halten gut zusammen.“ Dieses schöne Wir-Gefühl wird noch gefordert, indem die eine oder andere anlässlich ihres Geburtstages Kaffee und Kuchen ausgibt oder dadurch, dass man gemeinsam Advent feiert und auch andere Veranstaltungen im Hause besucht. „Unser Verhältnis zu einander ist sehr gut“, sagt Christa Görner, die gleich in der Regensburger wohnt. Sie bringt auch zum Ausdruck, dass die Alterssportlerinnen nichts auf ihre Übungsleiterin kommen lassen. „Frau Bretschneider macht das einwandfrei.“ Dabei hatte die das gar nicht vorgehabt. Sie hat sich aber auch nicht verweigert, als die Leiterin ihrer ursprünglichen Gymnastikgruppe aus gesundheitlichen Gründen ausschied und alle anderen sie baten, das Ehrenamt zu übernehmen. Schließlich hatte sie schon Erfahrungen aus einer physiotherapeutischen Gruppe, in der sie seit 1991 jeden Mittwochvormittag mitturnt. Seit vier bis fünf Jahren treffen sich nun die Seniorinnen in der Begegnungsstätte Regensburger Straße, weil ihr vorheriger Übungsort, eine Turnhalle, wegen Umbau und Rekonstruktion abgerissen worden ist. Eine Teilnehmerin hatte bei Sylvia Oschätzchen gefragt, und die bot den Frauen ihren Gymnastikraum an - ein Glücksumstand. Als Hauptgrund für ihre Aktivitäten - sie geht noch mehrmals im Monat schwimmen - nennt Gisela Bretschneider die Notwendigkeit, etwas für das körperliche Wohlbefinden zu tun. Sport helfe mehr als alle Pillen und Tropfen. Das vermittelt sie offensichtlich erfolgreich ihren Frauen. „Es ist mir wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, dass Bewegung in unserem Alter das A und das O aller Gesundheitsbemühungen ist. Mich freut, dass sie das begriffen haben. Wenn eine mal nicht teilnehmen kann, fehlt ihr etwas.“ Allerdings sei sie während ihrer Schulzeit und ebenso während des Journalistikstudiums in Leipzig (1954 bis 1958) keine besondere Sportskanone gewesen, gesteht Gisela. In der Messestadt wählte die gebürtige Berlinerin als obligatorischen Sport der Studienzeit das Rudern, einfach weil ihr das am meisten Spaß gemacht habe. Danach beim Jugendfunk in Berlin, bei der Betriebszeitung „Filmfunken“ von ORWO Wolfen, als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Rat des Stadtbezirkes Karl- Marx-Stadt/West und nach der Wende im Chemnitzer Ordnungsamt habe sie stets ausreichend Bewegung gehabt. Außerdem hätten sie in jüngeren Jahren drei Söhne und eine Tochter ständig auf Trab gehalten. Stolz ist sie heute natürlich auf ihre siebenjährige Enkelin Elisa, die Anfang Oktober in ihrer Altersklasse den Sächsischen Turnwettbewerb gewonnen hat. Dazu gehörten unter anderem Bodenturnen, Übungen am Balken und am Barren. Und ein bisschen stolz ist sie auch auf sich, dass sie im Jahre 2004 noch die Fahrprüfung geschafft hat. Ein Jahr zuvor war ihr Ehemann Heinz plötzlich verstorben. Aber das Netz der vielen guten Beziehungen - in der Familie, bei guten Bekannten und auch bei den Gymnastikfreundinnen - half ihr, sich wieder zu fangen. Gisela Bretschneider sagt von sich, dass sie kein Zuhausesitztyp ist. Sie reist gern, zum Beispiel im zurückliegenden Jahr mit der Familie des jüngsten Sohnes nach Mallorca. Dann seien auch mal Haus und Gaststätte der Tochter bei Berlin zu hüten, und immer wieder kümmert sie sich um die regelmäßige Bewegung ihrer Frauengruppe.

aus VS Aktuell 4/2007, erschienen im  VS Aktuell 4/2007 Im Ehrenamt vorgestellt