Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist. Mit den „Stolpersteinen“, ein europaweites Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig, soll an das Schicksal von Menschen erinnert werden, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet worden sind. „Hier wohnte ...“ steht auf den Steinen, die vor den Häusern, in denen die Opfer gewohnt haben, in den Gehweg eingelassen werden.
Im November 2005 wandte sich der Stadtverband des Vereins der VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) mit einer Initiative an den Chemnitzer Oberbürgermeister. Die Wohngruppe 003 (Stadtzentrum) schloss sich dieser Bewegung anlässlich des Internationalen Antirassismustages 2007 in unserer Stadt an, „erwarb“ einen Stolperstein und übernahm zugleich die Patenschaft dafür.
Die Inschrift des Steines ist dem Genossen Arnold Winter gewidmet. Er wurde am 11. April 1906 in Chemnitz geboren und wohnte in der Sonnenstraße 16. Arnold Winter wurde am 2. Dezember 1943 zum Tode durch Erschießen verurteilt. Der Verurteilte reichte ein Gnadengesuch ein, welches durch den Militärbefehlshaber in Frankreich abgelehnt wurde. Das Urteil wurde am 11. Dezember 1943 vollstreckt.
Am 6. Juli 2007 wurden die ersten „Stolpersteine“ in Chemnitz in Anwesenheit von Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig von Gunter Demnig verlegt. Das Projekt wird unterstützt von der Jüdischen Gemeinde Chemnitz, von der Chemnitzer Körperbehindertenschule, vom VVN/BdA, vom Soziokulturellen Zentrum „Querbeet“ sowie von Justin Sonder, der zu den wenigen Überlebenden des KZ Auschwitz gehört.
Am 15. Oktober 2008 war es für die Wohngruppe 003 so weit. Endlich konnte der „Stolperstein“ für den Genossen Arnold Winter den Bürgerinnen und Bürgern im Bürgerhaus am Getreidemarkt der Stadt zugänglich gemacht werden. Besonderer Dank gilt dem Organisator dieser Aktion, unserem Freund Hein Spitzner, der mit viel persönlichem Einsatz dafür sorgte, dass der Stein im Rahmen einer Spendenaktion erworben werden konnte.
Alle Anwesenden standen vor der verhüllten Vitrine, die von der Wohngruppe 003 bereitgestellt und von den Mitarbeitern des Bürgerhauses hergerichtet wurde.
Birgit Leibner, die Leiterin des Bürgerhauses, begann mit einer Rezitation. Nachdem die Musik vom „Gefangenchor“ verklungen war, trat Eberhard Hübsch, Mitglied des VVN/BdA, in die Mitte der Versammelten und begann mit der Würdigung des Genossen Winter. Er brachte unter anderem zum Ausdruck, dass Arnold Winter ein standhafter Patriot gewesen ist und seine Ziele bis zu seinem Tode verfolgte.
Nach seiner Rede enthüllte Eberhard Hübsch die Vitrine. Der Stein war auf blauen Samt abgelegt, die Inschrift, eingearbeitet in einer Bronzeplatte, erstrahlte im Licht und eine weiße Rose zierte die Vitrine.
Im Hintergrund konnte man aus dem letzten Schreiben Arnold Winters an seine Familie lesen. Er schrieb unter anderem: „Meine lieben Else und Kinder, wenn du diese Zeilen erhältst, bin ich nicht mehr unter den Lebenden, denn in 2 Stunden werde ich erschossen. Das Urteil lautet: ‚Als alter Kommunist wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt.’ So rufe ich Euch, meinen Lieben, das letzte Lebewohl zu. [...] erziehe die Kinder in meinem Sinne so, dass sie immer gut an ihren Papa denken“. Der abschließende Satz durch den Heeresjustizinspektor in Frankreich an die Witwe war „Es ist nicht zugelassen, eine Todesanzeige in der Tageszeitung zu veröffentlichen!“
Bevor unser Freund Hein Spitzner allen Anwesenden für ihr Erscheinen dankte, wurde noch ein Musikstück vom Chor der Technischen Universität eingespielt.
Damit ist der 14. Stolperstein der Stadt Chemnitz und der 1. Stolperstein der Chemnitzer Volkssolidarität der Öffentlichkeit zugänglich. Da das Gebäude in der Sonnenstraße nicht mehr vorhanden ist, wird im nächsten Jahr beraten werden, an welcher Stelle der Stein an Arnold Winter weiterhin erinnern soll.
Ein Stein, Ein Name, Ein Mensch!!
aus VS Aktuell 4/2008, erschienen im VS Aktuell 4/2008 Aus dem Verein