Am 4. November 2010 bin ich bereits zum dritten Mal als fraktionsloser Stadtrat der Wählervereinigung Volkssolidarität Chemnitz (VOSI) in den Sozialausschuss der Stadt Chemnitz gewählt worden. Ursache für die erneute Wahl ist ein vorläufiger Beschluss des 4. Senats des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes gewesen, welches am 14. September darin feststellte, dass die Besetzung in sechs von neun Chemnitzer Stadtratsausschüssen rechtswidrig ist. Das Kräfteverhältnis der Parteien würde sich in diesen nicht widerspiegeln, daher wäre eine Neuwahl erforderlich. Für mich als Stadtrat der Wählervereinigung Volkssolidarität Chemnitz (VOSI) bedeutet dies, dass ich meinen Sitz im Sozialausschuss offensichtlich verlieren soll.
Dabei ist die Mitarbeit in Ausschüssen enorm wichtig, denn diese erarbeiten Entscheidungsvorlagen für den Stadtrat. Hier bringen die Ausschussmitglieder auch die Vorstellungen ihrer Fraktionen ein. Ist ein zufriedenstellendes Ergebnis im Ausschuss gefunden worden, wird im Stadtrat meist nur noch abgestimmt. Als fraktionsloses Ratsmitglied kann ich dann zwar noch dafür oder dagegen stimmen, eine tatsächliche inhaltliche Mitwirkung ist mir jedoch versagt. Darauf kommt es uns aber schließlich an!
Auch als fraktionsloser Stadtrat kann ich mich noch zur Wahl in die Ausschüsse aufstellen. Das ist sogar in einer E-Mail der Verwaltung an die Stadträte bestätigt worden. Gleichzeitig wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Wahl eines fraktionslosen Mitgliedes zur Unterrepräsentation einer Fraktion führen würde und dies nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes wiederum rechtswidrig wäre. Ich darf also zur Wahl antreten, bin aber eigentlich unwählbar, denn insofern ich gewählt werde, ist die Wahl ungültig! Was ist das für eine Rechtsauslegung? Eine Chance, in einen Ausschuss zu gelangen, hätte ich dennoch. In besagter E-Mail der Verwaltung war auch zu lesen, dass sich der Stadtrat über die Zusammensetzung eines Ausschusses einigen könne, so dass eine Wahl entbehrlich sei. Diese Einigung könne im Nachhinein nicht mehr angefochten werden, so dass Abweichungen vom Prinzip der Spiegelbildlichkeit denkbar wären. Dadurch könnte nicht nur das aufwendige Wahlverfahren eingespart werden, sondern es besteht auch die Möglichkeit, dass die Wählervereinigung Volkssolidarität Chemnitz (Vosi) in Ausschüssen weiterhin vertreten sein könnte.
Leider konnten sich die Fraktionen bisher nicht zu einer solchen Einigung durchringen. Das ist vor dem Hintergrund eines einfachen Rechenbeispiels erstauntlich: Chemnitz hat genau 60 Stadträte und neun verschiedene Ausschüsse mit je 13 Plätzen, so dass insgesamt 117 Sitze in den Ausschüssen zu vergeben wären. Theoretisch könnte also fast jeder Stadtrat in zwei Ausschüssen wirksam werden. Wenigstens einen Sitz, nämlich den im Sozialausschuss, sollten uns die großen Fraktionen zur Verfügung stellen. Da gehört die Volkssolidarität mit ihrer sozialen Kompetenz als Vertreter der Bürger und der Wohlfahrtsverbände auch hin.
Nun soll die Wahl nach dem Willen der Verwaltung und der Fraktionsvorsitzenden so lange wiederholt werden, bis der Druck auf die Unterstützer des fraktionslosen Stadtrates Andreas Wolf so groß ist, dass ich letztendlich nicht mehr gewählt werde. Der nächste Termin dafür ist für den 24. November 2010 angesetzt.
Einige Stadtratskollegen wiesen mich auf eine andere Möglichkeit, wie ich in Ausschüsse gelangen könnte, hin. Die einzige Chance bestände ihrer Meinung nach darin, sich einer anderen Fraktion anzuschließen. Das dies nicht in Frage kommt, versteht sich von selbst.
Zum Amtsantritt als Stadtrat habe ich denselben Eid wie die anderen Räte geschworen. Ich habe die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte, nur weil ich mich nicht an eine parteiabhängige Fraktion binden möchte. Ein effektives Arbeiten im Sinne der Wähler ist für mich als unabhängiges und fraktionsloses Stadtratsmitglied sehr schwierig. Viele Regelungen und gesetzliche Gegebenheiten spielen nur den großen Fraktionen in die Hände. Unter solchen Bedingungen kann man sich nur schwer entwickeln und stärker werden. Letztendlich fühle ich mich als Stadtrat „zweiter Klasse“ und stelle provozierend die Frage: Sind all die Menschen, welche die Wählervereinigung Volkssolidarität Chemnitz (Vosi) in den Stadtrat gewählt haben, nur Bürger zweiter Klasse, die nicht das Recht haben, von ihrem Kandidaten auch in einem Ausschuss vertreten zu werden?
Das Interesse vieler Bürger an meiner Arbeit und ihr Zuspruch lassen mich jedoch nicht verzagen. Auch aus den Reihen des Startparlamentes wird mir ab und an der Rücken gestärkt. Die gute Zusammenarbeit in Sachfragen mit einzelnen Stadträten verschiedener Fraktionen stimmt optimistisch. Das muss doch ausbaufähig sein!
Bei einer Zusammenkunft der Wählervereinigung am 11. November 2010 wurde darüber diskutiert, ob die Ungleichbehandlung von fraktionslosen Stadträten bei der Besetzung von Ausschüssen tatsächlich aus dem vorläufigen Urteil des OVG so hervorgegangen sein kann. Die Auslegung des Urteils von der Rathausspitze scheint in sich widersprüchlich und undemokratisch. Die Unterstützer der Wählervereinigung sind sich einig, dass dagegen schnellstens etwas unternommen werden muss, denn aus einem Schreiben der Oberbürgermeisterin vom 8. November 2010 an alle Stadträte geht hervor, dass die Wahl erneut, nun zum vierten Mal, in de folgenden Stadtratssitzung durchgeführt werden soll. Alle anwesenden Vertreter der Wählervereinigung positionierten sich mit Empörung gegen diese angekündigte Maßnahme. „Was ist das für eine Wahl, wenn die Verwaltung ein Ergebnis vorgibt und gar nicht frei gewählt werden darf?“ fragen sie sich immer wieder. Den Stadträten, die die Volkssolidarität gern im Sozialausschuss wissen möchten, wird mit dieser Anfechtung regelrecht die Freiheit auf ihr Wahlrecht genommen. Das kann unmöglich der Wille des Oberverwaltungsgerichtes sein!
Wie die FDP und auch andere Fraktionen zuvor wandte ich mich an das Verwaltungsgericht Chemnitz und stellte mit Unterstützung des Anwaltes Klaus Bartl einen Antrag auf den Erlass auf eine einstweilige Anordnung. Das Gericht verwies jedoch darauf, dass es erst nach der Abberufung des gewählten Ausschusses Rechtschutz gewähren kann. Diese wurde mit weniger Stadträten als zuvor planmäßig durchgeführt. Infolgedessen bekam ich nicht genug Unterstützung für eine Wahl in den Sozialausschuss. Nun bleibt mir nur der Rechtsweg ...