Blick in die Vergangenheit Chemnitzer Apotheken

Die Erkältungskrankheiten führen zur Winterszeit die Menschen wieder einmal mehr in die Apotheken. Da ist es durchaus verständlich, dass wir den Blick auf deren Historie in unserer Stadt richten.
 Die zuverlässige Versorgung der Chemnitzer Bürger mit „Arzneimitteln“ – wider Quacksalber und Wunderheiler – ist urkundlich seit 1539 bezeugt. Die erste Chemnitzer Apotheke – die „Adler-Apotheke“ – hatte ihren Sitz ab 1673 in einem repräsentativen Bürgerhaus am Markt. Zwei Jahre zuvor hatte der Rat der Stadt die erste Apothekenordnung erlassen, die in 25 Artikeln auch noch heute gültige Grundsätze für die Führung einer Apotheke festschrieb. Das Kriegsjahr 1813 brachte das Erfordernis, zahlreiche verwundete und erkrankte Soldaten in der Stadt unterzubringen. Das war Anlass, dass der Feldapotheker J. Ch. Haase am 12. Juli 1813 das Pivilegium zur Errichtung einer zweiten Apotheke in Chemnitz erhielt. Es war die „Löwen-Apotheke“ in der Inneren Klosterstraße. Sie wurde ebenso wie die „Alder-Apotheke“ bei den Luftangriffen auf Chemnitz 1945 zerstört. Die drittälteste Apotheke, die „Kronen-Apotheke“, hingegen hat Bestand bis in unsere Tage. Ihre Eröffnung erfolgte am 8. August 1847 in der großen Lindenstraße 36 (Standort heute etwa Gebäude der IHK). Im harten Konkurrenzkampf eroberte sie sich eine stabile Position im städtischen Apotheken-Dienst in der Angervorstadt. So belieferte sie z. B. 1868 19.000 Rezepte. Sie überlebte als einzige Apotheke in der Innenstadt, inzwischen war ihr Standort das Eckhaus Königstraße 13/Gartenstraße 1, das Inferno der Luftangruffe von 1945. Mit der Neugestaltung der Magistrale Straße der Nationen bezog sie im Oktober 1960 einen Neubau in der Carolastraße 1, wo sie noch heute etabliert ist. Seit dem 3. Dezember 1868 sicherte der konzessionierte Apotheker Hermann Abigt in der damals noch selbstständigen Gemeinde Wittgensdorf mit ihren 3.450 Einwohnern und den umliegenden Ortschaften eine zuverlässige pharmazeutische Versorgung zu. Und dieses Credo hat bis heute Bestand.
 Zu den ältesten und noch erhaltenen Apotheken zählt auch die Schloß-Apotheke. Sie entstand noch vor der Eingemeindung von Schloßchemnitz. Sie eröffnete „vorschriftsmäßig auf das Vollständigste mit allen Arzneimitteln und Drogen ausgestattet“ am 2. Januar 1871 Ecke Leipziger/Matthesstraße. Die älteste Apotheke auf dem Sonnenberg ist die am 21. Januar 1892 vom Apotheker Max Theodor Senff eröffnete „Lessing-Apotheke“, die noch heute, wie vom Gründer formuliert, „durch gewissenhafte Ausübung des Berufes das Vertrauen der geehrten Kundschaft erwerben“ will.
 Unter Personalkonzession, d. h. Vergabe an eine Person auf Lebenszeit, eröffnete der Apotheker Fedor Häpe am 1. Oktober 1862 am Anfang der Zwickauer Straße die Nicolai-Apotheke. Ihr folgte auf Realkonzession – die erlaubte Vererbung und Verkauf – am 1. November 1866 der Apotheker Oscar Heinrich Muth die Engel-Apotheke in der Annenstraße 7.
 Weitere Traditions-Apotheken waren die Johannis-Apotheke, Sonnenstraße 11 (1872), die Schillerapotheke, Elisenstraße 33 (1875), die Schanen-Apotheke, Brühl 36 (1888), die Germania-Apotheke, Annaberger Straße 32 (1888), die Victoria-Apotheke, Annaberger Straße 357 (1895), die Fortuna-Apotheke, Zschopauer Straße 115 (1901), die Saxonia-Apotheke, Oststraße 73 (1901), die Kaßberg-Apotheke in dem attraktiven Eckhaus Weststraße/Barbarossa-Straße (1909), die Rosen-Apotheke am Bernsbachplatz (1913) und die Lucas-Apotheke (1913).
 Der erste Apotheken-Neubau nach dem 2. Weltkrieg erfolgte 1952 in der Annen-/Ecke Reitbahnstraße. Zu weiteren Apotheken-Standorten in den seinerzeitigen Neubaugebieten wurde 1964 die Agricola-Apotheke und 1983 die Hufeland-Apotheke.
 Zu Beginn des 2. Weltkrieges besaß Chemnitz 36 Apotheken. Heute hat sich ihre Zahl fast verdoppelt. Sie setzen unter den neuen Bedingungen die verpflichtende Tradition von weit über viereinhalb Jahrhunderte Chemnitzer Apothekenwesen erfolgreich fort.

aus VS Aktuell 4/2010, erschienen im  VS Aktuell 4/2010 Aus der Stadtgeschichte