Die meisten Menschen würden es als staubtrocken oder auch als Buch mit sieben Siegeln bezeichnen. Doch nicht Rita Schulze. Für die 48-Jährige ist das Rechnungswesen zu einer großen Leidenschaft geworden. Doch dass es einmal dazu kommen würde, daran hätte sie selbst am allerwenigsten geglaubt.
In Güstrow geboren, zog sie mit ihrer Familie schon bald nach Chemnitz, wo Rita Schulze seit ihrer Schulzeit heimisch ist. Nach erfolgreicher Ausbildung arbeitete sie fortan 10 Jahre als Grundschullehrerein im Heckert-Gebiet. Der Beruf war ihre große Leidenschaft. Sie liebte den Umgang mit Kindern, war mit vollem Einsatz und vor allem mit dem Herzen dabei. Damals hätte sie nie daran gedacht, dass sie irgendwann das Stück Kreide gegen die Tastatur eines PCs tauschen und hinter einem Schreibtisch sitzen würde. Doch dann bekam sie Probleme mit der Stimme, wurde arbeitsunfähig und musste als Konsequenz ihren Traumberuf aufgeben. Ihr Ehemann half ihr damals durch die schwere Zeit und machte ihr Mut. Durch die Aushilfe in der Rechtsanwaltskanzlei ihrer Mutter, kam sie erstmals mit einem ganz anderen Gebiet in Berührung. Ohne zu wissen, was auf sie zukommen würde, nahm sie an einer 3-jährigen Umschulung zur Steuerfachangestellten teil. Schnell fand sie Gefallen an ihrer neuen Tätigkeit und wurde nach fünfjähriger Arbeit in einem Steuerbüro von einer anderen Firma abgeworben, in der sie die gesamte Buchhaltung und den Zahlungsverkehr erledigte. Nachdem das Unternehmen 2005 Insolvenz anmelden musste, suchte Rita Schulze nach einer neuen Herausforderung und stieß dabei auf eine Anzeige, in der nach einem Leiter für den Bereich Rechnungswesen gesucht wurde. Wer sich hinter der Chiffre-Anzeige verbarg, wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht und war dann umso mehr erstaunt, als sie Antwort vom Chemnitzer Stadtverband der Volkssolidarität erhielt. Nie hätte sie gedacht, dass der Verein so viele Mitarbeiter beschäftigt und so umfangreich ist. Nach mehreren Gesprächen konnte Rita Schulze am 1. November 2005 als neue Leiterin der Abteilung Rechnungswesen begrüßt werden.
Allem voraus ging ein Umbruch im Rechnungswesen des Stadtverbandes. Von 2003 bis Ende 2005 wurde alles auf den Kopf gestellt und ein neues System eingeführt. In dieser Zeit wurde die Buchhaltung extern von einem Steuerberater geführt und komplett überarbeitet. Mit der Einstellung einer neuen Leiterin sollte diese wieder in den Aufgabenbereich des Stadtverbandes fallen und intern geführt werden.
Obwohl Rita Schulze mit Vereinsbuchhaltung bisher nur am Rande etwas zu tun hatte, hat sie sich nach einer sehr guten Einarbeitung durch den Steuerberater schnell zurechtgefunden.
In den fast sechs Jahren, in denen sie im Stadtverband tätig ist, hat sich viel verändert. Während es anfangs nur die Volkssolidarität und ihr Tochterunternehmen die EURO Plus Senioren-Betreuung GmbH gab, sind nach und nach weitere Standort-GmbHs in Plauen, Radebeul und Freiberg hinzugekommen. Durch die Firmenerweiterung sind inzwischen acht Mitarbeiter für das Rechnungswesen tätig. Der Bereich ist ein unerlässlicher Bestandteil eines jeden Unternehmens. Hierauf beruht das Finanzielle, die Zahlungsfähigkeit des Betriebes und die Gewinn- und Verlustrechnung. Die drei Bereiche Buchhaltung, Zahlungsverkehr und Controlling bilden dabei die Säulen des Rechnungswesens.
Dass dies nicht langweilig ist, erlebt Rita Schulze Tag für Tag. „Es sind nicht nur die Zahlen, um die es hier geht. Vor allem das, was dahinter steht, der soziale Gedanke, macht meine Arbeit so interessant. Täglich wird man mit neuen Dingen konfrontiert, muss sich einarbeiten und lernt dabei immer wieder neue Bereiche und ihre Besonderheiten kennen.“ Dabei ist das Aufgabengebiet der Abteilung sehr umfangreich. „Im Grunde kommt alles, was mit Rechnungen und Zahlungsverkehr zu tun hat, bei uns zusammen. So sind wir für die Mieteinnahmen des Betreuten Wohnens verantwortlich, ziehen Elternbeiträge der Kindertagesstätten ein, erledigen den Zahlungsverkehr der Pflegeabrechnungen der Seniorenpflegeheime und Sozialstationen und alle anderen anfallenden Abrechnungen der einzelnen Gebiete“, erzählt Rita Schulze. Einen weiteren großen Punkt nehmen Fördermittelanträge und dessen Abrechnungen ein, beispielsweise die der Begegnungsstätten und Kindertagesstätten. Jeder Förderantrag verläuft anders, eine Einheitlichkeit ist meist nicht gegeben. Dabei sind viele Vorgaben zu beachten, um nicht an den Förderkriterien vorbeizuarbeiten.
Über das gesamte Jahr verteilt werden der Stadtverband und seine Tochterunternehmen von den verschiedensten Behörden und Einrichtungen geprüft, um die Gemeinnützigkeit behalten zu können. Vor Kurzem wurde beispielsweise die große Betriebsprüfung vom Finanzamt durchgeführt, bei der der Zeitraum von 2004 bis 2007 rückwirkend für sämtliche steuerlich relevanten Sachverhalte ein halbes Jahr lang geprüft wurden. Der Prüfer verlangt dabei Einsicht in die unterschiedlichsten Akten, schaut sich Belege an, prüft Verträge etc. Separat fanden Lohnsteuerprüfungen für alle Firmen statt. Außerdem führt der Rentenversicherungsträger die Sozialversicherungsprüfung durch und prüft die Künstlersozialabgaben. Aber auch die GEMA und die GEZ fordern regelmäßig Einsicht in die Akten. Die Mitarbeiterinnen des Rechnungswesens sind dabei auf die Zuarbeiten aller Einrichtungen des Stadtverbandes und der Tochterunternehmen angewiesen. So müssen beispielsweise alle Belege und Rechnungen auf korrekte Ausstellung und auf inhaltliche Richtigkeit kontrolliert und in der Buchhaltung abgegeben werden, um ordnungsgemäß ins Buchungssystem eingegeben werden zu können. Die Begegnungsstätten müssen zudem Formulare für ihre Veranstaltungen ausfüllen, um auch in Zukunft von der Steuer befreit zu werden. Die Vorbereitungen und Betreuungen dieser Prüfungen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Doch der Aufwand lohnt sich für den Verein. Die Ergebnisse sind stets sehr gut ausgefallen und bestätigen ihm die Gemeinnützigkeit. Um diese zu behalten muss jedoch sehr viel beachtet werden. Bestimmte Gesetzlichkeiten, wie beispielsweise das selbstlose Handeln, nicht vorrangig an seinen Gewinn zu denken und Mittel des Vereines nur für satzungsmäßige Zwecke zu verwenden, müssen genauestens eingehalten werden, um die Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren. Würde dieser Fall eintreten, müssten für den Prüfzeitraum und für die darauffolgenden Jahre die gesparten Steuern nachgezahlt werden. Der Verein stände dann vor dem Ruin.
Die verschiedenen Gebühren, die der Stadtverband und die Tochterunternehmen zu entrichten haben, sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Nicht nur an GEMA, GEZ und Berufsgenossenschaft müssen hohe Beträge gezahlt werden, auch Abgaben für Filmlizenzen und das Kopieren von Musiknoten in den Kindertagesstätten müssen geleistet werden.
Die zeitaufwendigste Aufgabe derzeitig ist der Bundesregierung geschuldet. Das Bildungspaket 2011, welches Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringem Einkommen rückwirkend zum 1. Januar 2011 unterstützt und fördert, nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. Eltern von Kindern der Kindertagesstätten des Stadtverbandes benötigen jetzt rückwirkend unterschiedliche Rechnungen der Mittagessenversorgung für das Jobcenter, Sozialamt etc. Allein damit ist eine Mitarbeiterin der Abteilung seit Wochen beschäftigt. Aber auch die Sparmaßnahmen der Kommune machen sich stark im Stadtverband bemerkbar. Gerade bei den Begegnungsstätten muss stets darauf geachtet werden, dass wirtschaftlich gearbeitet wird, indem beispielsweise Angebote verglichen werden, Sammelbestellungen getätigt werden und nach Rabatten gefragt wird.
Das erste Halbjahr ist im Allgemeinen am zeitaufwendigsten. Der Jahresabschluss, Prüfungen, Abrechnungen und Antragstellungen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Die Mitarbeiter nehmen Rücksicht darauf und verlegen ihren Urlaub sogar meist in das zweite Halbjahr, in dem es etwas ruhiger zugeht. Aber auch hier steht zeitnah der Haushaltsplan für das kommende Jahr an, in dem der Fortbildungsplan aller Abteilungen sowie der Einnahme- und Ausgabeplan festgelegt werden. Aber auch monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen der einzelnen Firmen, die Kostenentwicklungen in den verschiedenen Bereichen, die Planung der Geldströme und Verhandlungen sowie die Pflege der Zusammenarbeit mit Banken, Kommune, Finanzämtern und dem Steuerberater gehören zum Alltag von Rita Schulze. Aufgrund der immer stärker zunehmenden Bürokratie, nehmen schon kleine Dinge sehr viel Zeit in Anspruch, denn jeder benötigt andere Formulare, verlangt noch dieses oder jenes.
Trotz der vielen Arbeit und des Stresses oder gerade deswegen liebt Rita Schulze ihren Beruf so sehr. Auch der Zusammenhalt in der Abteilung ist sehr gut und bei Problemen finden alle gemeinsam immer eine Lösung. Nur ihr Mann freut sich nicht immer, wenn sie mal wieder die Zeit vergessen hat und noch lange nach Dienstschluss im Büro sitzt. Aber so ist das eben, wenn Zahlen zur Leidenschaft geworden sind.