„Den Jahren Leben geben, nicht dem Leben Jahre!“ – so könnte das Motto heißen, nachdem Anja Pastor tagtäglich ihrer Arbeit als Wohnbereichsleiterin im Seniorenpflegeheim „An der Mozartstraße“ nachgeht.
Schon während ihrer Schulzeit wurde der heute 39-Jährigen klar, dass sie einen Pflegeberuf erlernen möchte. Bei Ferienjobs in Pflegeheimen merkte sie schnell, dass ihr der Umgang mit älteren Menschen Spaß macht. Eine Ausbildung zur Krankenschwester folgte und wurde mit einem Praktikum im damals noch städtischen Altenpflegeheim auf der Mozartstraße im Chemnitzer Stadtteil Kappel abgeschlossen. 1991 wurde sie dort als Pflegefachkraft eingestellt. 1994 übernahm die Volkssolidarität das Heim. 2000 konnten ca. 50 Bewohner in das neue Gebäude ziehen, welches auf dem Gelände gebaut wurde und in dem heute 90 Bewohner auf drei Wohnbereichen leben. Nachdem Anja Pastor 2009 eine Weiterbildung zur Wohnbereichs- und Pflegeleitung absolvierte, ist sie seit 2010 eine von drei Wohnbereichsleitern im Haus.
Seitdem hat sich ihr Aufgabengebiet stark verändert. Für die Pflege der Bewohner hat sie heute kaum noch Zeit. Die Planung des Personaleinsatzes, die Gestaltung der Arbeitsabläufe und die Zufriedenheit des Teams stehen nun im Vordergrund. Sie leitet Pflegekräfte an, überprüft ihre Arbeit und greift wenn notwendig korrigierend ein. Medikamente müssen bestellt, Arztvisiten vorbereitet und die Zuarbeiten an Ärzte zusammengestellt werden. Zudem muss das Geschehen im Wohnbereich innerhalb des Hauses, beispielsweise mit Therapieangeboten, koordiniert werden.
Die viele Bürokratie nehme ihr oftmals die Zeit für die Pflege. Trotzdem versuche sie täglich, an der Grundpflege teilzunehmen. Deswegen habe sie damals den Pflegeberuf gewählt. „Den alten Menschen etwas Gutes zu tun, ihr Leben schön zu gestalten, das sind die Dinge, die mir sehr wichtig sind“, schwärmt Anja Pastor. Auch die Pflege der Beziehungen zwischen Bewohnern, persönlichen Bezugspersonen und Mitarbeitern zählt zu ihren Aufgaben. Die Angehörigenarbeit spielt dabei eine große Rolle. Nur durch eine gute Zusammenarbeit kann auf die Bewohner gezielt eingegangen werden. Die Verwandten werden regelmäßig über den Zustand ihrer Angehörigen informiert, bei Problemen kontaktiert und in das Leben im Seniorenpflegeheim einbezogen.
„Als ich 1991 meine Tätigkeit aufgenommen habe, gab es noch Feierabendheime. Schon früh sind die Pflegebedürftigen zu uns gekommen. Heute werden viele sehr lange zu Hause von den Angehörigen gepflegt“, erzählt Anja Pastor. Oft sind Alter und Krankheit beim Einzug schon stark vorangeschritten.
Die viele Arbeit ist nur zu bewältigen, weil hinter der Wohnbereichsleiterin ein zuverlässiges Team steht. Fünf Pflegefachkräfte, vier Pflegehilfskräfte und zwei Hauswirtschafterinnen kümmern sich in drei Schichten um die 30 Bewohner des Wohnbereiches 3.
Der Tag beginnt im Grunde immer gleich. Am frühen Morgen löst der Frühdienst die Dauernachtwache ab. Im Anschluss werden Medikamente vorbereitet und schließlich erfolgt die Grundpflege mit Duschen, Toilettengang und Anziehen. Danach erhalten die Bewohner ihr Frühstück. Anja Pastor geht jetzt in das Büro. Es folgen unter anderem Dokumentationen, Medikamentenbestellungen und Dienstplangestaltungen. Währenddessen stehen den Bewohnern verschiedene Beschäftigungsangebote zur Verfügung. In Gruppentherapien auf dem Wohnbereich wird Musik gehört, Zeitung gelesen, Wäsche gelegt, gebastelt, gekocht und vieles mehr. Wer möchte, kann zur Ergotherapie in das Erdgeschoss gehen. Für die Bettlägerigen kommt eine Therapeutin ans Bett, um Bewegung und geistige Fähigkeiten zu fördern. „Es ist schön zu sehen, wenn unsere Bewohner Fortschritte machen“, sagt die Wohnbereichsleiterin. „Manche kommen beispielsweise als Lieger und können nach einiger Zeit durch unsere Therapiemaßnahmen wieder laufen.“
Oft würde sich eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes einstellen, so Anja Pastor. Dennoch werden die Mitarbeiter tagtäglich mit dem Tod konfrontiert. Es sei nicht leicht, damit umzugehen, gehöre aber zum Lauf des Lebens dazu. Das Wissen, jedem Einzelnen seinen Lebensabend so schön wie möglich zu gestalten, helfe dabei. Schlimm sei es aber vor allem, wenn jemand leiden müsse. Weiterbildungen zum Thema Tod und Sterbebegleitung helfen, damit besser umgehen zu können.
Aber auch Schulungen zu Demenz, Wundversorgung, Dekubitus und vielem anderen mehr stehen monatlich auf dem Dienstplan aller Pflegekräfte. Nur so können aktuelle Vorschriften und Standards erfüllt werden und die Bewohner die Pflege erhalten, mit der sie sich rundum wohlfühlen.
Auch auf Notfälle müsse man vorbereitet sein. „Gerade bei Epidemien wie Novo-Viren, Vogel- oder Schweinegrippe heißt es: Schnell handeln!“ Alles müsse in kurzen Abständen immer wieder desinfiziert, Angehörige informiert und betroffene von gesunden Bewohnern ferngehalten werden. „Da alte Menschen meist ein geschwächtes Immunsystem haben, sind sie sehr anfällig für solche Krankheiten. Deswegen sind wir eigentlich immer betroffen, wenn eine solche Welle rumgeht. Und wenn dann noch Mitarbeiter erkranken, heißt es doppelt anpacken.“
„Es ist, vor allem für die Pflegekräfte, ein körperlich sehr anstrengender Job. Aber auch psychisch stößt man oft an seine Grenzen. Doch wenn man das dankbare Lächeln in den Gesichtern sieht und die Bewohner sich freuen, wenn man aus dem Urlaub zurück ist, vergisst man all die Anstrengungen. Für viele sind wir zum Familienersatz geworden“, erzählt Anja Pastor mit einem Lächeln im Gesicht.