Alt werden in den eigenen vier Wänden, das wünschen sich die meisten Menschen. Doch je älter man wird, desto schwerer fallen verschiedene Sachen: das Sortieren von verschiedenen Tabletten mit zittrigen, steifen Fingern oder das Spritzen von Insulin morgens und abends. Dazu kommt noch die Vergesslichkeit – hat man die wichtigen Herztabletten schon genommen? Auch alltägliche Dinge wie das Duschen werden plötzlich zur Barrierefalle. Doch all dies sind keine Gründe, das geliebte Zuhause zu verlassen. Hilfe leisten hier die Mitarbeiter der Sozialstationen der Volkssolidarität. Eine von ihnen ist Irina Demba. Seit zehn Jahren ist die 50-Jährige als Pflegefachkraft in der Sozialstation auf der Scheffelstraße tätig.
Die Aufgaben der aus Lettland stammenden Frau sind sehr abwechslungsreich. Zum einen beinhalten sie die Grundpflege von pflegebedürftigen Menschen, unter anderem mit Lagern und Betten sowie Hilfe bei der Nahrungsaufnahme und dem Einkaufen. Zum anderen gehört als zweiter großer Bereich die Behandlungspflege auf ärztliche Verordnung mit Medikamentengabe, Injektionen, Blutdruck- und Blutzuckerkontrollen und vielem mehr dazu. Im Durchschnitt besucht sie bis zu 15 Hilfebedürftige am Tag.
Dabei bleibt sie auch vor Notfällen nicht verschont. Gerade an heißen Tagen bekommen älteren Menschen oft Kreislaufprobleme, weil sie zu wenig trinken und essen. Auch bei Unter- und Überzuckerungen muss schnell gehandelt werden. Jeder Griff muss dann sitzen. Solche Situationen, die auch von ihren Kollegen gefürchtet sind, hat Irina Demba schon öfter erleben müssen. Ein mulmiges Gefühl begleitet sie häufig. So auch bei der älteren Dame, bei der sie zweimal täglich war und die eines Tages benommen und nicht ansprechbar auf dem Fußboden vor der Couch saß. Sofort hat Schwester Irina den Notruf alarmiert und die Vitalwerte wie Blutdruck und Puls überprüft. Mit Verdacht auf Herzinfarkt wurde die Dame ins Krankenhaus gefahren, wo sie wenig später verstarb. Solche Situationen gehen Irina Demba sehr nahe. Man müsse sich jedoch bewusst sein, dass man nicht 24 Stunden am Tag vor Ort sein könne und für solche Dinge nicht verantwortlich sei.
Schwierig sei auch, wenn vor allem Demenzkranke aggresiv werden. Schon während der Ausbildung habe sie gelernt, wie dann gehandelt werden soll: Selber ruhig bleiben und den Patient abgelenken. Noch genau könne sie sich daran erinnern, als ein Patient stur behauptete, dass in der Ecke Mäuse sitzen würden. Sie spielte mit, holte Schaufel und Besen und kehrte die imaginären Tiere einfach aus dem Zimmer.
Als Pflegefachkraft in einem ambulanten Pflegedienst hat sie nicht wie im stationären Bereich ihr Team unmittelbar an ihrer Seite. Ambulante Pflege sei Einzelarbeit. Man arbeite allein, müsse Symptome sofort erkennen können und selbst Entscheidungen treffen. Doch gerade dieses selbstständige Arbeiten gefällt Irina Demba besonders gut. Wenn sie etwas nicht allein bewerkstelligen kann, wenn bspw. ein Patient aus dem Bett gefallen ist, kommt eine freie Schwester sofort zur Hilfe. Auch in anderen unklaren Situationen werde sie nicht allein gelassen. Einrichtungsleiterin Marina Müller und Pflegedienstleiterin Karin Makai stehen allen Pflegekräften stets zur Seite.
Dass Berufe in der Pflege nicht nur interessant und abwechslungsreich sind, sondern auch ein großes Weiterbildungspotential bereithalten, ist bei Irina Demba zu sehen. Schon früh wurde ihr klar, dass sie mehr möchte. Sie suchte das Gespräch mit ihrer Chefin, die ihr vorschlug, sich im Bereich Wundmanagement weiterzubilden. In einer mehrmonatigen Schulung erhielt sie Kenntnisse zur modernen, phasengerechten Versorgung von chronischen und sekundär heilenden Wunden. Die moderne Wundtherapie geht weit über das übliche bloße Verbinden einer Wunde hinaus. Gemeinsam mit der Pflegedienstleiterin ist Irina Demba jetzt in der Sozialstation für das Wundmanagement verantwortlich. Und weil ihr das alles immer noch zu wenig war, bildete sie sich immer weiter. Seit einigen Jahren wird sie als Praxisanleiterin für die Betreuung und Anleitung von Schülern eingesetzt. Sie schafft eine Verbindung zwischen Schule und Einrichtung, zwischen Theorie und Praxis. Heute ist sie zusätzlich noch stellvertretende Pflegedienstleiterin und für das Hygienemanagement der Sozialstation zuständig.
Was sich Irina Demba für ihren Beruf in Zukunft noch wünsche: mehr Zeit! Denn die fehle oft, wenn sie bei den Patienten in der Wohnung ist. Für Körperpflege bspw. stehen laut Vorgabe der Pflegekassen nur wenige Minuten zur Verfügung. In dieser Zeit sei gerade einmal die Wanne mit Wasser vollgelaufen. Für viele sei der Besuch des Pflegedienstes zudem der einzige soziale Kontakt am Tag. Doch durch gutes Organisieren findet Irina Demba immer etwas Zeit, um mit den Patienten ein bisschen zu plaudern – ein offenes Ohr hat sie immer. Schön seien vor allem die Momente, in denen sie etwas zurückbekommt – ein Lächeln, einen Händedruck. Das zeige ihr, wie wichtig und notwendig ihr Beruf sei und dass sie im Ernstfall sogar Leben retten kann. Dann weiß Irina Demba einmal mehr, dass es damals die richtige Entscheidung war, in die ambulante Pflege zu gehen.