Das „Bündnis für gute Pflege“ hatte am 2. April 2014 nach Berlin eingeladen, um unter dem Motto „100 Tage nach der Wahl – Zeit für den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff“ die überfälligen Schritte in der Pflegepolitik zu diskutieren. Fast 200 Teilnehmer folgten der Einladung.
„Seit seiner Gründung vor zwei Jahren kann das ‚Bündnis für gute Pflege’ auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken“, betonte Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (AWO). Sie begrüßte gemeinsam mit Sylvia Bühler, vom Vorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die Teilnehmer. „Das Besondere an diesem Zusammenschluss ist seine Vielfalt“, so Brigitte Döcker. „Bundesweit fordern rund 30 aktive Organisationen und regionale Unterstützer, darunter Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Interessensvertretungen, gemeinsam Perspektiven für eine bessere Pflege in Deutschland.“
Dass die Forderungen des Bündnisses auch bei der Politik angekommen sind, machte die prominente Gästeliste deutlich: Neben dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, waren pflegepolitische Sprecher aller Parteien unter den Gästen. Darunter Mechthild Rawert für die SPD, Erwin Rüddel für die CDU, Elisabeth Scharfenberg für Bündnis 90/Die Grünen und Pia Zimmermann für Die Linke.
Staatssekretär Karl-Josef Laumann sprach sich in seiner Rede „ohne Wenn und Aber“ für die Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs in zwei Stufen aus. „Ab 2015 soll für Menschen mit Demenz eine Dynamisierung der Leistungen bezogen auf die häusliche und stationäre Pflege und Betreuung erfolgen. Im zweiten Schritt soll 2017 der Pflegebedürftigkeitsbegriff umgesetzt werden. Die Einführung und Umsetzung braucht jedoch Zeit. Sofort und jetzt geht nicht“, sagte Laumann.
Außerdem sprach er sich für die gebührenfreie Altenpflegeausbildung und die Einführung einer generalisierten Ausbildung und somit für die gemeinsame Grundausbildung aller Pflegeberufe aus.
Nach jeweils eindrücklichen Filmausschnitten zum Thema Pflege in Deutschland machten Vertreter des Bündnisses in Gesprächsrunden deutlich, welche dringenden Probleme in der Pflege aus Sicht der Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und Beschäftigten in der Pflege vorhanden sind. Hierbei wurde veranschaulicht, die Versorgung und Betreuung demenzkranker Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ebenso muss die Entbürokratisierung weiter voran getrieben werden und mehr Unterstützung und Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige etabliert werden. Professionell Pflegende benötigen bessere Rahmenbedingungen, wie attraktivere Bezahlung und Gesundheitsförderung.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine spannende Diskussion aller politischen Vertreter und Vertreterinnen mit zahlreichen, häufig kritischen Nachfragen aus dem Publikum. Dabei ging es neben der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auch um die Leistungsdynamisierung und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige sowie um bessere Bezahlung für Beschäftigte in der Pflege.
Die Politiker und Politikerinnen waren sich einig, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff muss zeitnah umgesetzt werden. Was die unterschiedlichen Parteien dabei jedoch unter „zeitnah“ verstehen, wurde heftig diskutiert.
Ob und wie eine private Vorsorge für die Pflege im Alter sinnvoll sei, wurde ebenso wie die Einführung der Pflegevollversicherung debattiert. „Pflege kann nicht nur vom Geldbeutel abhängen“, betonte Pia Zimmermann zur Einführung des „Pflege-Bahr“. „Wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung.“ Ebenso setzte sich Elisabeth Scharfenberg für die Einführung der Bürgerversicherung als zukünftiges Modell ein und übte Kritik an der Idee eines Vorsorgefonds. „Ein Vorsorgefonds hält nicht, was er verspricht. Prof. Rothgang vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen hatte dies in einem Gutachten für die Grünen zur Einführung einer Demografie-Reserve analysiert. Der Vorschlag ist analog zum Vorsorgefonds zu betrachten. Das Geld wird heute in der Pflege gebraucht“, so Scharfenberg.
Einigkeit herrschte am Ende der Diskussion zumindest darüber, die bisherigen Entlastungsangebote für pflegende Angehörige können nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein und weitere Angebote müssen folgen.
Zum Schluss forderten die Politiker das „Bündnis für gute Pflege“ auf, weiter zu machen und verdeutlichten damit, dass sie Unterstützung und Druck von Organisationen und Verbänden dringend benötigen.