Die kalte Jahreszeit bietet mit ihren Festtagen viele Gelegenheiten, an denen sich die meisten Menschen traditionelle „gehaltvolle“ Speisen gönnen. Unsere Verdauungsorgane werden dabei in vielerlei Hinsicht besonders herausgefordert. Zur Unterstützung und Abhilfe versucht der gute Koch, mit ausgewählten Kräutern die Gerichte entsprechend anzureichern. Durch Gewürze soll nicht nur der Geschmack verbessert werden. Sie sollen auch ihre heilsame und verdauungsfördernde Eigenschaften entfalten. So gibt es viele Möglichkeiten, mit Kräutern und Gewürzen maßgeblich Einfluss zu nehmen. Diese Wirkungen sollte man kennen und die entsprechenden pflanzlichen Mittel zur Hand haben.
Kommt hierzulande der Beifuß ins Gespräch, denkt man sicher sogleich an den Gänsebraten. Die bitterlich schmeckenden Blüten und Blätter auf kross gesottener (fetter) Gänsehaut regen sofort den Gaumenfluss an. Es läuft einem jedoch nicht nur wortwörtlich das „Wasser im Munde“ zusammen, sondern sämtliche innerliche „Saftproduzenten“ wie der Magen und die Gallenblase bekommen durch die Bitterstoffe eine anregende Botschaft. Fette Speisen wollen gut verdaut sein. Vielerorts wird nach einer guten Mahlzeit ein Verdauungsschnaps gereicht, der oft bittere Kräuter enthält und somit als Magenbitter zur Anwendung kommt. Der Alkohol im Schnaps ist dabei allerdings nicht sonderlich förderlich. Besser ist ein entsprechender Kräutertee. Besonders gut eignen sich hierfür der Beifuß (Artemisia vulgaris) oder sein wesentlich bitterer Verwandter, der Wermut (Artemisia absinthium).
Viele unserer typischen Kräuter und Heilpflanzen lassen sich problemlos im Garten kultivieren. Dafür müssen Boden und Lichtverhältnisse entsprechend geeignet sein oder aufbereitet werden. Damit Beifuß und Wermut ihre gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe aufbauen können, bedarf es allerdings keiner besonderen gärtnerischen Fürsorge. Sonnige, geschützte Stellen werden von den Pflanzen bevorzugt. Die ausdauernden Korbblütler (Asteraceae) kommen ja auch in freier Flur auf mageren Böden ganz gut zurecht. Der Beifuß wurde übrigens in alten Zeiten gegen müde Füße angewendet. Da er oftmals an den Wegesrändern steht, haben Wanderer oder marschierende Soldaten das Kraut unkompliziert nutzen können. Somit erschließt sich auch der althergebrachte Name, welcher allerdings je nach Gegend und Jahrhundert durch seine jeweilige Verwendung variiert.
Für die Germanen war Beifuß übrigens eine heilige Zauberpflanze, die Mutter aller Kräuter. Noch heute gehören die Stängel des Beifußes in rituelle Kräutersträuße. Überliefert ist auch, dass „Beifuß-Buschen“ zur Sommer-Sonnenwende in die Feuer (Johannisfeuer) geworfen wurden, nachdem diese mit Ritualen alle Krankheiten und Unheil des menschlichen Besitzers aufgenommen haben. Somit sollte das folgende Jahr ohne negative Beeinträchtigungen verlaufen.
Artemisia wirkt im menschlichen Organismus nicht nur verdauungsfördernd, sondern auch entspannend, krampflösend und schmerzmildernd. Die Pflanze kann daher als Bestandteil von Beruhigungstees eingesetzt werden. Weiterhin hat sie eine wärmende Wirkung. Diese Eigenschaften können sich Frauen nutzbar machen, wenn sie typische körperliche Reaktionen günstig beeinflussen wollen. Schwangere sollten Beifuß und Wermut allerdings meiden oder nur unter fachkundiger Aufsicht Artemisia-Zubereitungen zur Einleitung des Geburtsvorganges nutzen. Die Inhaltsstoffe wirken wehenfördernd. In der frühen Schwangerschaftsphase könnte sich das verständlicherweise durchaus fatal auswirken.
Wer sich einen Tee zubereiten möchte, lässt die Blätter (1 TL pro Tasse) rund 10 Minuten ziehen. Der Tee sollte ungesüßt getrunken werden. Wem das zu unangenehm erscheint, mischt bestenfalls einen Löffel guten Honig dazu. Zucker hilft nicht wirklich, Bitteres zu übertünchen, und hebt ohnehin die nützlichen Wirkungen des Getränkes auf. Der Trunk ist allerdings nicht als Alltagsgetränk geeignet, da Artemisia auch in größeren Mengen durch den Wirkstoff Thujon toxische Nebenwirkungen erzeugen kann. Vier bis sechs Wochen ein bis drei Tassen täglich sind als komplexer Behandlungszeitraum (z. B. bei Verdauungsproblemen) unbedenklich. Wenn man nicht ausgerechnet eine Allergie gegen Kreuzblütler hat oder sich Magengeschwüre gebildet haben, lässt sich ein festliches Essen durch eine Tasse appetitanregenden Tee im Sinne unserer Verdauung jederzeit aufwerten.
Als Gewürz oder Teeaufguss werden die noch nicht geöffneten Blüten von Beifuß und Wermut, welche mitsamt den krautigen Pflanzenspitzen geerntet werden, verwendet. Die Ernte erfolgt zwischen Juli und Oktober. Kommt die Pflanze zum Blühen, werden die Bitterstoffe in den jungen Blättern, welche ebenfalls genutzt werden, zu herb.
Wer keinen eigenen Garten oder Balkon zum Anbau der recht hoch wachsenden Pflanzen (über 1 m) hat, kann ohne große Mühe Beifuß und Wermut in freier Natur an geeigneten Stellen sammeln oder kauft sich diese als Gewürz bzw. Tee oder Tinktur.
Zum Wermut möchte ich noch anmerken, dass ja bekannterweise das Kultgetränk Absinth damit hergestellt wird. Doch dafür möchte ich hier nicht werben, denn der Wermut-Schnaps kann bei Missbrauch üble Folgen erzeugen. Es wurden deshalb in einigen Ländern Verbote für diese Spirituose erlassen. Wobei als volksmedizinische Variante oder unter dem Motto ein „Gläschen in Ehren …“ durchaus positive Wirkungen auf das Wohlbefinden erzeugt werden können.
Na dann wohl bekomm´s!