Am 2. März 2017 hat der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2017 vorgestellt. Unter dem Titel „Menschenwürde ist Menschenrecht“ wird Armut aus der Betroffenenperspektive dargestellt. Neben der Bemessung von materiellen Ressourcen werden die tatsächlichen Lebenslagen der Menschen in Deutschland entsprechend ihrer individuellen Verwirklichungschancen in den Blick gerückt. Denn die Frage, ob jemand arm ist, lässt sich nicht (nur) damit beantworten, ob seine materiellen Bedürfnisse gestillt sind, sondern ob ein Mensch die Chance zur echten Teilhabe am alltäglichen Leben hat. Wenn Kinder nicht mehr an Klassenfahrten teilnehmen können, wenn der Beitrag zum Kegelverein zu hoch ist, oder ältere Menschen sich keinen Cafébesuch leisten können, dann seien Menschen nicht nur „arm dran“, dann seien sie arm, erläuterte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, in seinem Pressestatement zum Erscheinen des Berichtes.
12,9 Millionen Menschen von Armut betroffen
Die Zahlen zur Armutsgefährdung in Deutschland sind alarmierend. Im Jahr 2015 stieg laut dem Bericht die Armutsquote erneut an. Mit 15,7 Prozent habe sie einen neuerlichen Höchststand im vereinten Deutschland erreicht. Konkret seien in Deutschland 12,9 Millionen Menschen von Armut betroffen.
Zur Lösung des Problems fordert Ulrich Schneider mehr Bildungschancen, mehr sozialen und öffentlichen Wohnungsbau, einen armutsfesten Mindestlohn, mehr Qualifizierung und öffentliche Beschäftigungsangebote sowie ein lebendiges und vielfältiges Angebot sozialer Dienste in den Kommunen. All diese Maßnahmen seien notwendig, um Armut in Deutschland nachhaltig zu bekämpfen. Das notwendige Geld sei in Deutschland, als einem der reichsten Länder der Welt, vorhanden. Es ginge deshalb vor allem auch um die Durchsetzung einer neuen solidarischen Steuer- und Finanzpolitik.
Armut im Alter
Als besondere Risikogruppe fallen im Bericht Rentnerinnen und Rentner ins Auge. Ihre Armutsrisikoquote ist zwischen 2005 und 2015 von 10,7 auf 15,9 Prozent und damit um 49 Prozent angestiegen.
Diesen Trend bestätigt auch Wolfram Friedersdorff, Präsident der Volkssolidarität, mit besonderem Blick auf die Lage in den neuen Bundesländern. Allein innerhalb eines Jahres sei hier die Armutsgefährdungsquote der Rentnerinnen und Rentner um 0,7 Prozentpunkte gestiegen und liege 2015 bereits bei 16 Prozent. Zum Vergleich: Erhielten Menschen, die 1995 in Rente gingen, noch 94,4 Prozent dessen, was damalige Bestandsrentner erhielten, liege dieser Anteil heute bei 86,6 Prozent. Jene, die heute in Ostdeutschland in Rente gehen, bekämen absehbar, so Wolfram Friedersdorff, immer häufiger niedrige bis sehr niedrige Renten. Dies liege unter anderem an der hohen Arbeitslosigkeit nach der Wende und der Ausweitung des Niedriglohnsektors. „Die Auswirkungen der Agenda 2010“, betonte der Präsident der Volkssolidarität in der Pressekonferenz, „werden bei den heutigen Rentnerinnen und Rentnern offensichtlich. Deshalb ist es auch die zentrale Forderung der Volkssolidarität an den Bund, die gesetzliche Rente zu stärken und sie wieder auf die Lebensstandartsicherung auszurichten.“