Am 26. Mai 2019 wird das Europäische Parlament gewählt. Diese Wahl wird stärker als frühere Wahlen über die weitere Entwicklung der Europäischen Union entscheiden. Die Volkssolidarität als Sozial- und Wohlfahrtsverband, der nach seinen Selbstverständnis Interessen seiner Mitglieder, Mitarbeiter/-innen, der von ihm Betreuten und von Menschen mit Hilfebedarf vertritt, ist diese Entwicklung nicht gleichgültig.
- Kann die Europäische Union das Friedensprojekt ihrer Gründung neu beleben und in den internationalen Konflikten eine friedenssichernde Rolle auf der Grundlage des Völkerrechtes übernehmen oder wird sie selbst zum militärischen Akteur in diesen Konflikten?
- Wird die Europäische Union an gemeinsamen europäischen Lösungen für die anstehenden Probleme arbeiten, die auf demokratischen, solidarischen und rechtsstaatlichen Prinzipien basieren oder werden nationale und Partikularinteressen die Entscheidungen im Europäischen Parlament und die Entwicklung der Europäischen Union prägen?
- Wird es der Europäischen Union gelingen, eine Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zu entwickeln, die auf umfassende Teilhabe ihrer Bürger/-innen an der Gesellschaft und ein Leben ohne Armut und Existenzangst gerichtet sind oder wird weiter an Dogmen marktradikaler Regulierung festgehalten?
Die Volkssolidarität orientiert sich in ihrer Tätigkeit an Werten. Sie setzt sich für Frieden und Solidarität, Humanismus und Demokratie ein. Sie steht in einer antifaschistischen Tradition und versteht sich als Gemeinschaft von Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Nationalität und Religion. Ausgehend von diesem Selbstverständnis formuliert sie ihre Erwartungen an die Europäische Union und das Europäische Parlament in vier Forderungen. Diese sollen für ihre Gliederungen und für Mitglieder Orientierung in den Diskussionen zur Europawahl geben.
1. Ein soziales Europa
Die Europäische Union muss eine soziale Union werden. Dieser Schritt ist nach der Wirtschafts- und Währungsunion überfällig und Voraussetzung für Fortschritte in der politischen Einheit. Wir brauchen ein Europa, das jungen Menschen unabhängig von der sozialen Stellung ihrer Eltern Entwicklungschancen einräumt und nicht Jugendarbeitslosigkeit von über 30 Prozent in einzelnen Staaten akzeptiert. Wir brauchen ein Europa, das Menschen Teilhabe an Entscheidungen in der Europäischen Union gewährt und sie nicht aus der Gesellschaft ausschließt. Wir brauchen ein Europa mit mehr sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit und kein weiteres Auseinanderdriften von Arm und Reich.
Eine wirksame europäische Sozialpolitik wird nur Realität werden können, wenn die bisherigen Regularien der Geld- und Finanzpolitik ersetzt werden. Eine schwarze Null im Haushalt kann nicht einziges Kriterium für eine nachhaltige Finanzpolitik sein. Die Europäische Union hat durch ihre marktorientierende Politik viel dazu beigetragen, dass sich soziale Probleme verschärften. Immer neue Bereiche der Daseinsvorsorge wurden marktwirtschaftlicher Regulierung unterworfen. Heute beherrschen Finanzinvestoren große Bereiche des Gesundheitswesens oder der Wohnungswirtschaft. Daseinsvorsorge muss in der Europäischen Union wieder als öffentliche Aufgabe begriffen werden.
2. Ein Europa der Bürgerinnen und Bürger
Die Europäische Union muss ein Projekt ihrer Bürger/-innen sein und nicht länger nur von Eliten bestimmt werden. Das setzt voraus, dass die Mobilität in Europa gefördert wird und die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger/-innen deutlich erweitert werden. Freizügigkeit bedarf des sozialen Schutzes für alle Bürger/-innen im gesamten EU-Raum.
Die Europäische Union braucht mehr soziale Innovationen, mehr freiwilliges Engagement und Selbsthilfe. Dies ist nur zu bewerkstelligen, wenn die bürokratischen Hürden und nicht die Fördersätze für die Entwicklung von Initiativen abgesenkt werden.
Die Europäische Union muss einen gewichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zum Schutz unserer Umwelt leisten. Wir brauchen mehr einheitliche europäische Standards zur Reduzierung von Klima- und gesundheitsschädlichen Stoffen. Festlegungen in der Europäischen Union zu Umweltstandard müssen für die Bürger/-innen transparent und nachvollziehbar sein und für alle Mitgliedsstaaten in gleichem Maß verbindlich sein.
3. Ein Europa des Friedens
Wir brauchen keine Europäische Union, die auf militärische Intervention setzt und ihre militärischen Kapazitäten dafür entwickelt. Länder der Europäischen Union haben sich an Konflikten beteiligt und Bürgerkriege vor allem durch Rüstungsexporte forciert. Die Europäische Union braucht deshalb ein auf friedliche Konfliktbewältigung gerichtetes Mandat für eine eigenständige europäische Außenpolitik und verbindliche Regelungen für das Verbot und die Begrenzung von Rüstungsexporten.
Europa braucht eine enge politische wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Nicht-EU-Staaten. Diese Kooperation und nicht Wirtschafts- und Technologie-Boykott muss Anliegen des Europäischen Parlaments werden.
Die Europäische Union ist in einer besonderen historischen Pflicht gegenüber den Ländern des afrikanischen Kontinents. Die bisher dominierende Politik der Sicherung der Rohstoffausbeutung und Marktabschottung muss abgelöst werden durch eine auf Entwicklung von Wirtschaftskraft und sozialer Leistungsfähigkeit gerichtete Kooperation. In den Dialog zwischen der Europäischen Union und den Vertreter/-innen Afrikas sind zivilgesellschaftliche Akteure einzubinden, er darf nicht auf wirtschaftliche und politische Eliten beschränkt werden.
4. Ein menschliches Europa
Die Europäische Union braucht gemeinsame Regelungen für die Aufnahme von Menschen, die um Asyl bitten und auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Hunger und Armut sind. Wir wollen keine Festung Europa mit hohen Mauern und Stacheldraht. Wir wollen keine Europäische Union, die Menschen im Mittelmeer ertrinken oder sie in Lagern wie in Nordafrika hungern und foltern lässt.
Unsere Positionen sind klar. Wir verteidigen die europäische Idee, wir streiten für ein soziales Europa. Wir wollen das Europäische Parlament und die Demokratie in Europa stärken. Und wir wollen ein Europa, das aktiv für die Sicherung und Verbesserung der Lebensbedingungen der heutigen und künftigen Generationen eintritt.