Sehr geehrte Mitglieder und Mitarbeiter/-innen der Volkssolidarität,
die Corona-Krise hat unser Land, Europa und die Welt fest im Griff. Wir sind als Verband gefragt und gefordert, Positionen zu Maßnahmen gegen diese Krise zu beziehen, Vorschläge einzubringen und Eigeninitiativen zu entwickeln. Das haben wir getan und wir werden es weiter tun.
Wichtig ist uns auch der Erfahrungsaustausch zwischen unseren Verbänden bei der Bewältigung dieser beispiellosen Situation, beispielsweise bei den regelmäßigen Telefonkonferenzen des Bundesgeschäftsführers mit den Landesgeschäftsführer/-innen, die diese sicher wiederum in ihren Landesverbänden durchführen. Gleichwohl ist uns wichtig, Mitglieder und Mitarbeiter/-innen direkt anzusprechen. Ihre/Eure Meinung ist gefragt, auf jeder Ebene unseres Verbandes und gerade jetzt in dieser Zeit.
Danke an Mitglieder und Mitarbeiter/-innen der Volkssolidarität
Anlass des Schreibens ist aber auch die großartige Hilfsbereitschaft von Vielen in unserem Verband.
Wir wissen von Stadt- und Kreisverbänden, dass die Mitarbeiter/-innen im Pflege- und Hauswirtschaftsbereich, bei der Essenversorgung und allen weiteren Diensten engagiert und mit hoher Qualität ihre verantwortungsvolle Arbeit leisten. Wir erfahren von Erzieher/-innen, die sich bereit erklärt haben, in anderen Feldern der sozialen und pflegerischen Arbeit tätig zu werden. Und uns wird über viele Ehrenamtliche berichtet, die in den Geschäftsstellen fragen, welche Aufgaben sie übernehmen können, um zu helfen. Dafür allen Mitgliedern und Mitarbeiter/-innen ein ganz herzliches und großes Dankeschön.
Solidarität leben
Wir sind Volkssolidarität und leben Volkssolidarität: Miteinander-Füreinander oder nach dem Motto unserer Kampagne zum 75. Jahrestag der Gründung der Volkssolidarität: Gutes im Sinn haben und Gutes tun.
Die Dynamik, mit der sich diese Infektionserkrankung weltweit ausbreitet und gesellschaftliches Leben verändert, haben viele Expert/-innen und Politiker/-innen – und auch wir – unterschätzt. Offensichtlich wurde, dass die Landesregierungen vorliegende Erkenntnisse zu möglichen Epidemien nicht ernst genommen hatten, eine entsprechende Vorsorge nicht getroffen war und ein einigermaßen einheitliches Vorgehen der Länder nur durch Eingreifen der Bundesregierung erreicht werden konnte. Ebenso offensichtlich wurde auch, dass ein auf Wirtschaftlichkeit getrimmtes, privatisiertes Gesundheitswesen die Herausforderungen einer Pandemie nicht bewältigen kann. Dazu kam, dass die Länder gegeneinander arbeiteten, Eigeninteressen dominierten über Rechtsstaatlichkeit. Die europäischen Staaten, eingeschlossen Deutschland, verhielten sich weder einheitlich noch solidarisch. Das Schengener Abkommen wurde kurzfristig außer Kraft gesetzt. Jede/-r war sich selbst der oder die Nächste.
Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Epidemie
Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Begegnung der Corona-Krise stießen auf breite Zustimmung. Die Schließung von Kitas, Schulen, Hochschulen, Geschäften und Restaurants wurde akzeptiert. Der empfohlene Sicherheitsabstand wird von den allermeisten eingehalten
Sinn des Ganzen, so die Bundesregierung, ist es, die Ansteckungsrate zu verringern, um eine Überforderung der Krankenhauskapazitäten zu vermeiden und Zeit für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen zu gewinnen und ausreichend Vorsorge zum Ausbau der Beatmungskapazitäten zu schaffen. Der Fokus der Politik und der Öffentlichkeit lag klar auf der Leistungsfähigkeit der Intensivmedizin. Das war auch aus unserer Sicht richtig, um Zustände wie in Italien oder Spanien zu vermeiden. Dennoch haben wir uns dagegen gewehrt, den Bereich der Pflege hintenanzustellen – sowohl stationäre als auch ambulante und häusliche Pflege – und dem Schutz von Älteren und Kranken vor einer Infektion zu geringe Priorität einzuräumen.
Soziale Einrichtungen unter Corona-Schutzschirm
Bundesregierung und Bundestag haben einen finanziellen Rettungsschirm für die besonders von der Krise betroffenen Unternehmen, Einrichtungen und Selbstständige beschlossen. Es hat erhebliche Mühe bereitet, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass auch soziale Einrichtungen unter diesen Schirm fallen müssen. Unsere große Sorge betraf insbesondere die Kindertagesstätten. Finanzielle Sicherheit für die Finanzierung während der Krise besteht weiterhin nicht flächendeckend. Deshalb werden die Landesverbände sich in die anstehenden Gespräche der Liga der Wohlfahrtsverbände mit den Landesregierungen einbringen müssen. Es ist sicher so, dass mancher Kreisverband mit den wirtschaftlichen Folgen mehr als ein anderer zu kämpfen hat. Hier braucht es die innerverbandliche Solidarität, wie sie auch in der Vergangenheit praktiziert wurde.
Keine Isolation von Älteren
Sie/Ihr habt sicher verfolgt, dass es unterschiedliche Empfehlungen von Epidemiologen und Gesundheitswissenschaftlern in verschiedenen Ländern aber auch in Deutschland für den Umgang mit Corona-Epidemie gab und gibt. Strengste Ausgangs- und Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens stehen wie in Japan und Schweden relativ wenig staatliche Reglementierungen gegenüber. Hintergrund der unterschiedlichen Empfehlungen ist, dass einerseits ein weitreichender Schutz vor der Erkrankung eines Impfstoffes bedarf, den es absehbar nicht gibt. Andererseits ist die Betroffenheit von Bevölkerungsgruppen von schweren Krankheitsverläufen und von Sterblichkeit unterschiedlich. Zu den Risikogruppen der gegenwärtigen Epidemie gehören Vorerkrankte und Ältere. Deshalb lautete eine Empfehlung von Epidemiologen z.B. in Großbritannien und den Niederlanden, die Risikogruppen zu isolieren und ansonsten der Verbreitung des Virus nichts entgegenzusetzen, um schnelle Immunisierung in großen Teilen der Bevölkerung zu erreichen.
In Großbritannien und Niederlanden ist diese Strategie nicht aufgegangen, denn auch Menschen jüngerer Jahrgänge weisen schwere Krankheitsverläufe auf – auch wenn die Sterblichkeit gegenüber den 70-Jährigen viel geringer ist – und das Gesundheitssystem wird deshalb überfordert.
In Südkorea wurde von Beginn der Epidemie an umfangreich getestet, um Infizierte zu identifizieren und zu isolieren, eine offensichtlich erfolgreiche Strategie.
Gegenwärtig beginnt eine Debatte, um eine Ausstiegsstrategie aus der gegenwärtigen Einschränkung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Dabei soll einerseits, so die bisherigen Ankündigungen, die Zahl der Tests auf das Coronavirus deutlich erhöht werden, also partiell dem Beispiel Südkoreas gefolgt werden.
Andererseits hat eine Debatte begonnen, die wir für problematisch halten. Risikogruppen, d. h. vor allem Ältere über 70 sollen unter Quarantäne gestellt, folglich strikt isoliert werden. Dann, so die Überlegung, könnte man die Wirtschaft wieder ankurbeln ohne das Gesundheitssystem zu überfordern.
Wir haben uns strikt gegen eine solche Strategie gestellt. Nicht nur, weil sie undurchführbar ist und auch jüngere Infizierte schwere Krankheitsverläufe haben können, sondern auch weil das Menschenbild einer solchen Diskriminierung von Älteren mit dem unseren nicht vereinbar ist.
Schutz von Älteren und Pflegepersonal
Gleichwohl, wir brauchen eine Strategie, die die hohen Todeszahlen bei lebensälteren Infizierten berücksichtigt. Der Schutz der Älteren bedarf einer höheren Priorität im staatlichen Handeln. Das Robert-Koch-Institut hatte erst sehr spät seine Richtlinien dafür, welche Personen zu testen sind, so geändert, dass auch Altenpfleger/-innen und Betreuungspersonen eingeschlossen wurden. Die hohe Zahl der Verstorbenen im Wolfsburger Pflegeheim, in das der Coronavirus eingeschleppt worden war, zeigt deutlich, welche Verantwortung wir als Träger von Pflegediensten und Pflegeheimen haben und dass Politik und Gesundheitswesen mehr für Prävention tun müssen. Was wir sehen und berichtet bekommen, verdeutlicht andererseits, dass die Corona-Krise bewältigt werden kann. Unsere Mitglieder und Mitarbeiter/-innen wissen um die Infektionswege und beachten sie. Lebensältere agieren oft viel vorsichtiger und das ist gut so. Bitte achten Sie auch weiterhin auf Abstände und Desinfektion. Bleibt/bleiben Sie gesund und helft/helfen Sie, dass die von Ihnen betreuten Menschen sich nicht infizieren.
Kampf gegen Armut geht weiter
Nach wie vor ist der Kampf gegen Armut und soziales Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arm und Reich wichtiges Anliegen des Bundesverbandes.
Nun hat die sogenannte Rentenkommission der Bundesregierung (Kommission Verlässlicher Generationenvertrag) ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Volkssolidarität war, wie andere Sozialverbände auch, bei der Zusammenstellung der Kommission nicht berücksichtigt worden, obwohl wir in Rentenfragen seit Jahrzehnten eine sehr kompetente Stimme gerade für die Menschen im Osten waren und sind. Wir haben deshalb eng mit dem DGB in einer Expertenrunde zusammengearbeitet, um unsere Anliegen auch in der Kommission zu platzieren. Die Zusammenarbeit verlief wie erwartet reibungslos und unkompliziert, da der DGB in Rentenfragen sehr ähnliche Positionen vertritt.
Leider zeigt der Bericht der Rentenkommission keine befriedigende Perspektive für die zukünftige Entwicklung der Alterssicherung auf, sondern spiegelt die Unentschlossenheit der Regierungskoalition in Rentenfragen wider. Zu den Ergebnissen hat der Bundesverband eine Pressemitteilung veröffentlicht, die Sie/Ihr auf unserer Webseite findet.
Die Auseinandersetzung wird also weitergehen, um eine Stärkung der gesetzlichen Rente wieder hin zur Lebensstandardsicherung und die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle, also Angestellte, Beamt/-innen sowie Selbstständige und Abgeordnete, gleichermaßen einbezogen sind. Die Auseinandersetzung wird weitergehen gegen eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters und dessen dynamische Anpassung an die Lebenserwartung. Wir sind dafür inhaltlich gut gerüstet, was wir brauchen ist eine breitere, öffentlichkeitswirksamere Verbreitung unserer Vorschläge und Konzepte in der gesamten Volkssolidarität und darüber hinaus. Dabei können jedes Mitglied und jeder Verband mitwirken.
Herzliche Grüße
Dr. Wolfram Friedersdorff
Präsident der Volkssolidarität
Alexander Lohse
Bundesgeschäftsführer